Wegen Foltervorwürfen von der Polizei bedroht

Dominikanische Republik: Nationalpolizei.

Dominikanische Republik: Nationalpolizei.

Ana Patricia Fermín wird seit April von Angehörigen der Polizei mit dem Tod bedroht. Zuvor hatte sie öffentlich gemacht, dass zwei Verwandte von ihr in Santo Domingo in Polizeigewahrsam gefoltert wurden. Ihr Mann und einer der Betroffenen wurden im September von Polizeikräften erschossen. Ana Patricia Fermín ist in Lebensgefahr.

Appell an

STAATSANWALT
Francisco Domínguez Brito
Palacio de Justicia
Av. Jiménez Moya, esq. Juan Ventura Simón
Santo Domingo
DOMINIKANISCHE REPUBLIK
(Anrede: Señor Procurador General de la República / Dear Public Prosecutor /
Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)
Fax: (00 1809) 532 2584
E-Mail: info@pgr.gob.do

INNENMINISTER
José Ramón Fadul
Av. México, esq. Leopoldo Navarro
Edificio de Oficinas Gubernamentales
Juan Pablo Duarte
Santo Domingo
DOMINIKANISCHE REPUBLIK
(Anrede: Señor Ministro / Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
E-Mail: info@mip.gob.do

POLIZEICHEF
Mayor General Manuel E. Castro Castillo
Palacio de la Policía Nacional
Av. Leopoldo Navarro #402
Santo Domingo
DOMINIKANISCHE REPUBLIK
(Anrede: Señor Jefe de la Policia / Sehr geehrter Herr Polizeichef /
Dear Chief of the Police)
Fax: (00 1809) 685 4510
E-Mail: info@policianacional.gob.do

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DER DOMINIKANISCHEN REPUBLIK
S. E. Herrn Gabriel Rafael Ant Jose Calventi Gavino
Dessauer Straße 28 – 29
10963 Berlin
Fax: 030-2575 7761
E-Mail: info@embajadadominicana.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 8. Dezember 2014 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte leiten Sie umgehend eine Untersuchung der Vorwürfe ein, Ana Patricia Fermín sei mit dem Tod bedroht worden. Untersuchen Sie bitte außerdem die Tötung von Mélido Florián Peña Rodríguez und Eduardo Luis Cruz. Machen Sie die Ergebnisse beider Untersuchungen öffentlich und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass alle Polizist_innen, die mit den Morddrohungen zu tun haben, sofort vom Dienst suspendiert werden, bis die gerichtliche Untersuchung abgeschlossen ist.

  • Bitte leiten Sie in Absprache mit Ana Patricia Fermín und ihrer Familie umgehend Schutzmaßnahmen für sie ein.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Immediately investigate the allegations of death threats against Ana Patricia Fermín, and the killings of Mélido Florián Peña Rodríguez and Eduardo Luis Cruz, to make the results public and bring those suspects to be responsible to justice.

  • Ensure that all police officers identified as being involved in the death threats are immediately suspended from duty until the judicial investigation is satisfactorily concluded.

  • Provide immediate safety measures to Ana Patricia Fermín and her family, in accordance with their wishes.

Sachlage

Am 29. April ordnete ein Gericht in der dominikanischen Provinz Santo Domingo (Tribunal de Atención Permanente de la provincial de Santo Domingo) Untersuchungshaft für drei Polizist_innen an, die Luis Manuel Lember Martínez und Eduardo Luis Cruz am 12. April in Los Alcarrizos, einem Gebiet am nördlichen Stadtrand der Hauptstadt Santo Domingo, gefoltert haben sollen. Seit Ana Patricia Fermín die Folter öffentlich anprangert, haben sie und ihr Mann Mélido Florián Peña Rodríguez sowie Eduardo Luis Cruz und Luis Manuel Lember Martínez eigenen Angaben zufolge Morddrohungen erhalten. Die dominikanischen Behörden leiteten jedoch keine Schutzmaßnahmen für sie ein. Am 29. April sagte einer der zu Untersuchungshaft verurteilten Polizisten zu Ana Patricia Fermín und Mélido Florián Peña Rodríguez: "Ihr habt noch sechs Monate zu leben!" (les damos 6 meses de vida).

Am 24. September erklärte die Polizei, Mélido Florián Peña Rodríguez und Eduardo Luis Cruz bei einem Schusswechsel in der Nähe von Nagua im Norden des Landes getötet zu haben. Angehörige der beiden Männer geben an, dass Mélido Florián Peña Rodríguez und Eduardo Luis Cruz um etwa 14.40 Uhr von maskierten Männern in schwarz-weißen Lieferwagen entführt wurden, als sie aus einer Kneipe in Los Alcarrizos kamen. Die Leichen der beiden Männer wurden später zusammen mit zwei weiteren Toten bei Nagua gefunden. Amnesty International vorliegenden Informationen zufolge wurden am selben Tag 34 Familienangehörige von Mélido Florián Peña Rodríguez von der Polizei festgenommen, als diese gerade eine Trauerfeier für den Getöteten abhielten. Sie wurden alle am 25. und 26. September wieder freigelassen.

Auch Ana Patricia Fermín wurde am 24. September festgenommen. Ihren Angaben zufolge war sie in der Vergangenheit bereits zwei Mal von der Polizei festgenommen und auf die örtliche Polizeiwache gebracht worden. Sie wurde allerdings nie offiziell angeklagt oder der Staatsanwaltschaft vorgeführt. Ana Patricia Fermín sagte gegenüber Amnesty International, dass die Polizei zwischen Mai und September neun Mal ihr Haus durchsucht hat und sie bereits einige Male einen roten Lieferwagen ohne Nummernschild vor ihrem Haus gesehen habe, zuletzt am 19. Oktober. Sie vermutet, dass es sich um Polizist_innen handelt, die versuchen, sie einzuschüchtern.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Weder für die mutmaßlichen Folteropfer Eduardo Luis Cruz und Luis Manuel Lember Martínez noch die Augenzeug_innen oder die Familienangehörigen der beiden Männer wurden Schutzmaßnahmen eingeleitet, trotz der öffentlichen Berichte über Morddrohungen, die allem Anschein nach von Polizist_innen stammen. Angaben der Polizei zufolge wurden Mélido Florián Peña Rodríguez und Eduardo Luis Cruz bei einem Schusswechsel in der Nähe von Nagua im Norden des Landes getötet. Laut Aussage der Polizei sollen die beiden Männer einer kriminellen Bande angehört haben, die für Überfälle und Entführungen an einer Schnellstraße verantwortlich war. Amnesty International ist nicht bekannt, dass eine unabhängige Untersuchung zum Tod der beiden Männer durchgeführt worden wäre.

Luis Manuel Lember Martínez wurde Anfang Oktober wegen mutmaßlicher Entführung von der Polizei festgenommen. Berichten zufolge wird er im Gefängnis von Najayo festgehalten.

Im Oktober 2011 veröffentlichte Amnesty International den englischsprachigen Bericht "Shut up if you don't want to be killed". Human rights violations by police in the Dominican Republic (http://amnesty.org/en/library/info/AMR27/002/2011/en). Der Bericht dokumentiert zahlreiche Fälle von Menschenrechtsverletzungen, die jedes Jahr von der dominikanischen Polizei begangen werden. Dazu zählen rechtswidrige Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter und andere Misshandlungen sowie Verschwindenlassen. Amnesty International hat in den vergangenen Jahren viele Berichte über Folter und andere grausame und unmenschliche Behandlung in der Dominikanischen Republik erhalten. Diese richtet sich hauptsächlich gegen mutmaßliche Straftäter_innen im Polizeigewahrsam, die weder formell angeklagt noch wegen eines Verbrechens verurteilt werden. Obwohl Berichte von Folter und anderer grausamer und unmenschlicher Behandlung in der Dominikanischen Republik an der Tagesordnung sind, erstatten nur wenige Personen bei den Justizbehörden Anzeige. Viele der Betroffenen erzählten Amnesty International, sie würden keine Anzeige erstatten, weil sie kein Vertrauen in das Justizsystem hätten, insbesondere da diejenigen, die sie misshandelt hätten, eben diejenigen seien, die vom Staat damit beauftragt wurden, das Gesetz zu wahren.

Untersuchungen von Amnesty International deuten darauf hin, dass Polizist_innen in der Dominikanischen Republik regelmäßig gegen internationale Standards und nationale Gesetze verstoßen und unverhältnismäßige Gewalt anwenden. Zudem kommt es sehr häufig zu Zwischenfällen, bei denen mehrere Personen durch Angehörige der Polizei getötet werden, während die Polizist_innen selbst unversehrt bleiben. Daher sind Angaben der Polizei, es habe bei "Schusswechseln" Todesfälle gegeben, zumindest kritisch zu hinterfragen.

Anfang des Jahres hat sich die Staatsanwaltschaft besorgt über die Methoden der Polizei gezeigt, die häufig Folter und anderer Misshandlung gleichkommen, und Personen dazu ermutigt, solche Fälle bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen.

Am 23. Februar 2012 ratifizierte die Dominikanische Republik die UN-Antifolterkonvention, doch der erste Bericht über die Umsetzung der Konvention vor dem UN-Ausschuss steht noch aus. 2008 und 2009 gestattete die Dominikanische Republik dem UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen nicht, das Land zu besuchen, und 2013 wurde eine ähnliche Anfrage des UN Sonderberichterstatters über Folter verweigert.

2012 stieß der neu gewählte Präsident Danilo Medina verschiedene Gesetzesreformen innerhalb der Polizei an, die dem Kongress allerdings seit Juni 2013 vorliegen und nach wie vor auf ihre Verabschiedung warten.

Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei und auch ihre Familien, die die Misshandlungen öffentlich anprangern, werden in der Dominikanischen Republik oft eingeschüchtert und schikaniert.