160 Geflüchtete auf Fährschiffen festgehalten

Diese Urgent Action ist beendet

In der Nacht vom 6. zum 7. Juni ließen die maltesischen Behörden endlich die Asylsuchenden an Land gehen, die über mehrere Wochen hinweg auf vier Fährschiffen vor den Hoheitsgewässern des Landes festgehalten worden waren. Die rund 425 Geflüchteten waren im zentralen Mittelmeer aus Seenot gerettet und anschließend auf die Fährschiffe gebracht worden. Mit der Ausschiffung endet nun die willkürliche und anfänglich zeitlich unbegrenzte Inhaftierung auf See, die für einige Asylsuchende mehr als einen Monat lang andauerte.

Foto vom Meer mit grauem Himmel, links und rechts historische Türmchen und Mauern eines Hafenbeckens

Die Hafeneinfahrt der maltesischen Hauptstadt Valletta

*** Die Menschen auf den Fährschiffen sind inzwischen an Land. Vielen Dank für euren Einsatz! ***

Unter dem Vorwand der Covid-19-Pandemie halten die maltesischen Behörden seit mehreren Wochen 160 Personen auf zwei Privatschiffen fest, die normalerweise für den Küstentourismus genutzt werden und vor den Hoheitsgewässers des Landes liegen. Die Geflüchteten wurden in zwei separaten Manövern am 29. April und am 7. Mai im zentralen Mittelmeer aus Seenot gerettet und anschließend auf die Fährschiffe gebracht. Die Situation an Bord wird mit jedem Tag unerträglicher, da die Schiffe nicht für längere Aufenthalte ausgelegt sind.

Appell an

Premierminister

Dr Robert Abela MP

Office of the Prime Minister

Auberge de Castille

Valletta VLT 1061

MALTA

Sende eine Kopie an

Botschaft der Republik Malta

Frau Sephora Gauci, I. Sekretärin (Geschäftsträgerin a.i.)

Klingelhöferstraße 7

10785 Berlin


Fax: 030-263 911 23


E-Mail: maltaembassy.berlin@gov.mt

Amnesty fordert:

  • Lassen Sie bitte die 160 Personen frei, die gegenwärtig von den maltesischen Behörden in der Nähe von Malta auf den privat geführten Schiffen Europa II und Atlantis festgehalten werden.
  • Beenden Sie bitte die willkürliche Inhaftierung dieser Menschen und lassen Sie sie in Malta von Bord gehen. Stellen Sie zudem sicher, dass sie Zugang zu Asylverfahren und angemessenen Aufnahmebedingungen haben.
  • Stoppen Sie bitte umgehend die Menschenrechtsverletzungen gegen die auf der Europa II und der Atlantis festgehaltenen Personen, indem Sie sie sofort von Bord gehen lassen und in offene Strukturen überführen, damit sie dort die notwendige Unterstützung bekommen und, falls gewünscht, Asylanträge stellen können.

Sachlage

Die Geflüchteten wurden am 29. April und am 7. Mai aus Seenot gerettet und anschließend auf zwei von Malta gecharterte Privatschiffe gebracht, die seither vor den Territorialgewässern des Landes liegen. Die maltesische Regierung hat bislang keine Angaben darüber gemacht, wann die Geflüchteten von Bord gehen werden. Stattdessen nutzt sie das Leiden dieser Menschen, um andere europäische Regierungen dazu zu zwingen, die Geflüchteten aufzunehmen.

Diese Menschen über Wochen hinweg ohne rechtliche Grundlage und unter derartigen Umständen festzuhalten, ist durch nichts zu rechtfertigen. Fährschiffe dieser Art sind weder für längere Passagieraufenthalte ausgelegt, noch für die besonderen Bedürfnisse von aus Seenot geretteten Geflüchteten ausgerüstet. Die Eindämmung der Covid-19-Pandemie kann keine Entschuldigung für derart unnötige, menschenunwürdige und diskriminierende Maßnahmen gegen traumatisierte Menschen sein, wie sie die Festsetzung auf einem Fährschiff darstellt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Im April 2020 hat Malta die Covid-19-Pandemie als Grund dafür benutzt, jegliche Ausschiffung von aus Seenot geretteter Personen zu untersagen. Es folgten Vorfälle, bei denen um Hilfe nachsuchende Schiffe tagelang unbeaufsichtigt auf See belassen wurden. Berichten zufolge instruierte Malta in einem Fall sogar privat geführte Schiffe, Geflüchtete auf See zu retten und anschließend in Libyen abzusetzen. Dieser Fall ist gegenwärtig Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in Malta, bei dem es auch um die diesbezügliche Rolle des Premierministers des Landes geht. Die sogenannten Push-Backs nach Libyen stellen einen Bruch der international und in Europa geltenden Menschenrechtsstandards und des Flüchtlingsrechts dar.

Mit dem Ziel, weitere Ausschiffungen in Malta zu verhindern, ist die Regierung des Landes außerdem dazu übergegangen, private Schiffe des Unternehmens Captain Morgan, die normalerweise nur für Tagesausflüge an der maltesischen Küste benutzt werden, zu benutzen, um auf See gerettete Personen festzusetzen. Am 22. Mai befanden sich rund 160 Geflüchtete aus drei Seenot-Rettungsaktionen vom 29. April und 7. Mai auf zwei privat geführten Fährschiffen.

Am 29. April rettete ein Fischerboot eine Gruppe von 57 Männern und brachte diese am folgenden Tag auf die European II. Am 7. Mai wurden 45 Menschen von einem Speedboot der maltesischen Streitkräfte und 78 Personen von einem Fischerboot gerettet. Die Familien aus diesen Gruppen (einschließlich 18 Frauen und Kinder) durften in Malta von Bord gehen. Die restlichen 105 Personen wurden erst zum Fährschiff Bahari und anschließend, am 15. Mai, auf das Fährschiff Atlantis gebracht. Die Geflüchteten befinden sich seither auf diesen beiden Schiffen, die nicht für längere Aufenthalte gedacht sind. Die maltesischen Behörden haben Matratzen und Lebensmittel an Bord der Schiffe gebracht. Berichten zufolge wurden auch Corona-Tests durchgeführt. Medien und örtliche NGOs berichten allerdings, dass die Situation der Menschen an Bord schwierig und zunehmend von Verzweiflung, Depression und Angst geprägt ist. Mehrere Personen sind in den Hungerstreik getreten, andere haben Selbstmordversuche unternommen. Obwohl die Menschen auf den Fährschiffen das Recht haben, Asyl in Malta zu beantragen, untersagten die maltesischen Behörden bislang einen Besuch des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge  (UNHCR). Da es de facto keinen Kontakt zur Außenwelt gibt und die Geflüchteten weder die Hilfe von Rechtsbeiständen noch von Ärzt_innen ihrer Wahl in Anspruch nehmen können, ist es unmöglich, genaue Informationen über ihre Anzahl und Herkunft zu erhalten.

Obwohl die maltesischen Behörden die Covid-19-Pandemie als Begründung für die Schließung der Häfen des Landes benutzt haben, ist es doch offensichtlich, dass die Festsetzung von Geflüchteten und Migrant_innen auf Privatschiffen außerhalb der Territorialgewässer des Landes keine Quarantänemaßnahme darstellt. Bisher hat Malta nicht darüber informiert, wann die Festsetzung dieser Menschen enden wird, sondern verhandelt stattdessen hartnäckig mit der Europäischen Kommission über die Aufnahme dieser Personen in anderen Ländern.