Amnesty Report 07. Mai 2012

Guinea-Bissau 2012

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Guinea-Bissau Staatsoberhaupt: Malam Bacai Sanhá Regierungschef: Carlos Gomes Júnior Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 1,5 Mio. Lebenserwartung: 48,1 Jahre Kindersterblichkeit: 192,6 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 52,2%

Spannungen innerhalb der Streitkräfte stellten weiterhin eine potenzielle Bedrohung für die Stabilität des Landes dar. Berichten zufolge kam es Ende Dezember 2011 zu einem Putschversuch. Da die Ermittlungen im Fall der Morde an Politikern und Angehörigen der Streitkräfte im Jahr 2009 nicht vorankamen, gingen Tausende Menschen auf die Straße und forderten ein Ende der Straflosigkeit. Das Recht auf freie Meinungsäußerung geriet unter Druck, als die Schließung einer Zeitung angeordnet wurde, die berichtet hatte, ein Armeeangehöriger sei in die Ermordung des ehemaligen Staatspräsidenten João Bernardo Vieira verwickelt. Im Juli wurde ein Gesetz verabschiedet, das weibliche Genitalverstümmelung unter Strafe stellt. Im Oktober wurden zwei Frauen wegen Genitalverstümmelung angeklagt.

Hintergrund

Richter und andere Justizangestellte traten 2011 mehrfach in den Streik, um ihrer Forderung nach höheren Gehältern und besseren Arbeitsbedingungen Nachdruck zu verleihen.

Im Februar stellte die EU ihre Entwicklungshilfe für das Land teilweise ein. Sie drohte außerdem damit, gegen mehrere Militärangehörige und andere Staatsbedienstete Einreiseverbote zu verhängen und ihre Konten einzufrieren, da sie im Verdacht standen, am Drogenhandel beteiligt zu sein und den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität des Landes zu gefährden. Zudem forderte die EU erneut die Aufklärung der politischen Morde von 2009.

Im März wurden im Rahmen der angolanischen Militärmission (Angolan Military Mission in Guinea-Bissau – MISSANG) 600 angolanische Polizisten und Militärangehörige in Guinea-Bissau stationiert. Sie sollen das Land bei der Reform von Polizei und Militär sowie der Ausbildung von Sicherheitskräften unterstützen. Nachdem die EU ihre Mission zur Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors im September 2010 beendet hatte, erklärte sich die angolanische Regierung dazu bereit, die Reform finanziell und personell zu unterstützen.

Im Juni verabschiedete die Nationalversammlung mehrere neue Gesetze, darunter ein Gesetz, das weibliche Genitalverstümmelung verbietet, sowie ein weiteres zur Vorbeugung und Bestrafung von Menschenhandel. Beide Gesetze wurden im Juli verkündet und traten unmittelbar danach in Kraft.

Im Juli demonstrierten in Bissau, der Hauptstadt des Landes, Tausende von Menschen und forderten eine Aufklärung der politischen Morde von 2009. Zu den Protesten hatten zehn Oppositionsparteien aufgerufen. Die Demonstrierenden forderten außerdem den Rücktritt sowie die strafrechtliche Verfolgung des Ministerpräsidenten und anderer Personen, denen sie vorwarfen, für die Morde verantwortlich zu sein. Im August versprach der neu ernannte Generalstaatsanwalt, er werde die Korruption, das organisierte Verbrechen und die Straflosigkeit bekämpfen.

Ende Dezember gab der Generalstabschef der Streitkräfte das Scheitern eines Staatsstreichs bekannt, in den Soldaten und Zivilpersonen verwickelt waren, darunter auch ein ehemaliger Minister und ein Abgeordneter. Andere Berichte legten nahe, dass es aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen dem Generalstabschef der Armee und dem der Marine zu einer Revolte innerhalb des Militärs gekommen war. Etwa 50 Personen, überwiegend Soldaten, sollen daraufhin festgenommen worden sein. Ungefähr zehn der Festgenommenen wurden ohne Anklage zügig wieder freigelassen; mindestens 25 Menschen blieben in Haft.

Außergerichtliche Hinrichtungen

Am 27. Dezember 2011 tötete die Schnelle Einsatztruppe der Polizei Iaia Dabó, als er sich der guinea-bissauischen Polizei ergeben wollte. Er wurde der Beteiligung an dem mutmaßlichen Putschversuch verdächtigt, der am Vortag stattgefunden hatte. Im Zusammenhang mit seiner Tötung gab es bis Ende des Berichtsjahres keine Festnahmen. Iaia Dabó war der Bruder eines Politikers, der im Juni 2009 von Soldaten getötet worden war. Zuvor war er der Beteiligung an einem anderen mutmaßlichen Putschversuch beschuldigt worden.

Straflosigkeit

Niemand wurde für die im Jahr 2009 und davor begangenen politischen Morde an Politikern und hochrangigen Militärangehörigen strafrechtlich belangt.

Im März 2011 gab der damalige Generalstaatsanwalt bekannt, dass die Ermittlungen in Bezug auf die Ermordung des früheren Staatspräsidenten João Bernardo Vieira sowie des Generalstabschefs der Streitkräfte General Tagme Na Waie ins Stocken geraten seien, da es sich als schwierig erweise, Beweise zu finden.

Im Mai erklärte er, dass es keine Beweise für einen Putschversuch im Juni 2009 gäbe, und stellte die Ermittlungen vorläufig ein. Den Fall zweier Politiker, die bei dem mutmaßlichen Putsch ermordet wurden, verwies er an ein Militärgericht, das seiner Ansicht nach dafür zuständig war. Da das Militärgericht seine Zuständigkeit bestritt, wurde der Fall an den Obersten Gerichtshof weiterverwiesen. Eine Entscheidung über die gerichtliche Zuständigkeit stand Ende des Berichtsjahres noch aus.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Im Juli 2011 wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das weibliche Genitalverstümmelung verbietet. Personen, die Genitalverstümmelungen vornehmen, müssen mit Freiheitsstrafen zwischen einem und fünf Jahren rechnen. Im Oktober wurden drei Frauen in der Stadt Bafatá im Osten des Landes inhaftiert, darunter zwei Beschneiderinnen. Ihnen wurde vorgeworfen, im September vier Mädchen der Genitalverstümmelung unterzogen zu haben. Die Mädchen waren zwischen zwei und fünf Jahre alt und miteinander verwandt. Die Genitalverstümmelung wurde von ihrer Großmutter veranlasst. Sie zählte zu den im Oktober festgenommenen Frauen. Die drei Frauen wurden nach einigen Tagen in Haft vorläufig auf freien Fuß gesetzt, mit der Auflage, sich täglich im Büro des örtlichen Staatsanwalts zu melden. Das Verfahren war Ende des Jahres noch anhängig.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im April 2011 musste die Wochenzeitung Última Hora auf Anordnung der Regierung ihr Erscheinen einstellen. In der Zeitung war zuvor ein Artikel erschienen, der Auszüge aus einem noch nicht veröffentlichten offiziellen Bericht enthielt, die darauf schließen ließen, dass der damalige Marinechef in die Ermordung von Staatspräsident Vieira verwickelt war. Nachdem zahlreiche zivilgesellschaftliche Gruppen die Schließung der Zeitung verurteilten, bestritt die Regierung, sie angeordnet zu haben. Sie forderte jedoch alle Zeitungen zu einer zurückhaltenden Berichterstattung auf, da sie sonst ihre Lizenzen verlieren würden.

Amnesty International: Mission

Eine Delegation von Amnesty International besuchte Guinea-Bissau im März.

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