Amnesty Report 11. Mai 2011

Tansania 2011

 

Amtliche Bezeichnung: Vereinigte Republik Tansania Staatsoberhaupt: Jakaya Kikwete Regierungschef: Mizengo Peter Pinda Präsident der Regionalregierung Sansibar: Ali Mohamed Shein (löste im November Amani Abeid Karume im Amt ab) Todesstrafe: in der Praxis abgeschafft Einwohner: 45 Mio. Lebenserwartung: 56,9 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 112/100 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 72,6%

Die Regierung höhlte mit ihrem Handeln das Recht auf freie Meinungsäußerung aus. Angehörige der Polizei und anderer Strafverfolgungsbehörden, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben sollen, wurden nicht vor Gericht gebracht. Personen, die sexueller und anderer Formen geschlechtsspezifischer Gewalt beschuldigt wurden, gingen ebenfalls weiterhin straffrei aus.

Hintergrund

Präsident Kikwete wurde bei den Wahlen Ende Oktober 2010 für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt. Sein größter Herausforderer Willibrod Slaa von der Partei für Demokratie und Fortschritt (Chama Cha Demokrasia na Maendeleo) und Mitglieder der Partei machten Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung geltend und zweifelten das Ergebnis der Präsidentenwahl sowie einige Ergebnisse der Parlamentswahlen an.

Im Juli wurde in Sansibar die Bildung einer nationalen Regierung der Einheit durch ein Referendum bestätigt. Das Referendum zielte darauf ab, die bisherigen politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen der regierenden Partei der Revolution (Chama Cha Mapinduzi) und der oppositionellen Vereinigten Bürgerfront (Civic United Front) beizulegen. Die Differenzen hatten in Sansibar zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der beiden Parteien geführt. Die Parlamentswahlen und das Referendum in Sansibar verliefen hingegen weitgehend friedlich. Verzögerungen bei der Bekanntgabe der Wahlergebnisse führten jedoch in einigen Gebieten zu Spannungen und Protesten.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im Vorfeld der Parlamentswahlen drohte die Regierung damit, die beiden Wochenzeitungen Mwananchi und MwanaHALISI mit einem Erscheinungsverbot zu belegen oder ihnen die Zulassung zu entziehen. Regierungsvertreter behaupteten in Briefen an die Zeitungen, diese würden Material in der Absicht veröffentlichen, im Land "Chaos zu verbreiten und den Frieden zu stören". In den Schreiben wurden jedoch keine konkreten Beispiele für die von der Regierung als beleidigend empfundenen Artikel angeführt. Bis Ende des Berichtsjahrs war keiner der Zeitungen von der Regierung ein Erscheinungsverbot erteilt oder die Zulassung entzogen worden.

Einige Journalisten klagten 2010 über Einschüchterungsversuche und Schikanen durch Regierungsangehörige und Staatsbedienstete, weil sie deren Verhalten oder die Politik und Vorgehensweise der Regierung kritisiert hatten.

Straflosigkeit

Die Regierung leitete keine Untersuchungen zur Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen ein, die von Angehörigen der Polizei und privaten Wachkräften im Juli 2009 in Loliondo im Bezirk Ngorongoro im Norden Tansanias begangen worden sein sollen. Berichten zufolge waren in dem fraglichen Monat eine unbekannte Anzahl Frauen von Angehörigen der Polizei und Wachmännern vergewaltigt sowie Familien voneinander getrennt und bis zu 3000 Mitglieder einer Gemeinschaft von Massai-Hirten vertrieben worden. Die Übergriffe sollen im Rahmen eines Einsatzes stattgefunden haben, mit dem diese Menschen aus ihren Behausungen und von ihrem Weideland entfernt werden sollten, vorgeblich, um ein Wildreservat zu schützen.

Während des gesamten Jahres 2010 gab es aus verschiedenen Landesteilen im Kontext von Sicherheitsoperationen Meldungen über ungesetzliche Tötungen sowie Folterungen und Misshandlungen durch die Polizei und andere Ordnungskräfte. Keine dieser Meldungen zog Untersuchungen nach sich, ebenso wenig wurden die für Übergriffe mutmaßlich Verantwortlichen vor Gericht gestellt.

Gewalt gegen Frauen

Sexuelle und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt, vor allem Gewalt in der Familie, waren nach wie vor weit verbreitet. Die Täter wurden meist nicht zur Rechenschaft gezogen.

Trotz eines gesetzlichen Verbots blieb die weibliche Genitalverstümmelung in einigen Regionen wie Dodoma in Zentraltansania gängige Praxis. Nach Angaben der vor Ort tätigen regierungsunabhängigen Menschenrechtsorganisation Legal and Human Rights Centre wurde die Umsetzung des Verbots der Genitalverstümmelung durch die weit verbreitete Unkenntnis des Gesetzes, das Festhalten an alten Sitten und Gebräuchen sowie das mangelnde Vertrauen der Öffentlichkeit in die Strafverfolgungsbehörden erschwert.

Anschläge auf Menschen mit Albinismus

Im Jahr 2010 gab es keine Meldungen über Fälle, in denen Menschen mit Albinismus wegen ihrer Körperteile getötet wurden. Allerdings kam es wohl zu acht Mordversuchen, darunter zwei Verstümmelungen. Einige Menschenrechtsverteidiger, die sich für die Rechte von Menschen mit Albinismus einsetzen, berichteten von Drohungen und Einschüchterungsversuchen durch Personen, die der Menschenrechtsverletzungen gegen Menschen mit Albinismus verdächtigt wurden. Die Ermittlungen der Polizei im Falle von Menschenrechtsverletzungen an Menschen mit Albinismus kamen nur schleppend voran. Auch wurde nur wenig unternommen, um der Bedrohung von Menschenrechtsverteidigern entgegenzuwirken. Insgesamt ergriff die Regierung keine hinreichenden Maßnahmen, um Angriffe auf Menschen mit Albinismus zu verhindern.

Flüchtlinge und Migranten

Im November lebten fast 38000 Flüchtlinge aus Burundi weiter im Flüchtlingslager Mtabila in Westtansania, obwohl die Regierung das Lager offiziell für geschlossen erklärt hatte. Bemühungen der Behörden zur Unterstützung der freiwilligen Rückführung hatten zur Folge, dass ab Januar 2009 etwa 6500 burundische Flüchtlinge aus dem Lager in ihr Heimatland zurückkehrten. Die betroffenen Flüchtlinge begründeten ihre Angst vor einer Rückkehr mit möglichen Landkonflikten in Burundi und Befürchtungen angesichts der 2010 stattfindenden Wahlen in ihrem Land. Einige äußerten begründete Befürchtungen dafür, dass sie nach ihrer Rückkehr in ihrem Heimatland Verfolgung erleiden würden. Es existierten keine Verfahren, um die Möglichkeit der Rückführung von Flüchtlingen individuell zu prüfen.

Haftbedingungen

Es gingen Berichte über Überbelegung und unhygienische Verhältnisse in einer Reihe von Haftanstalten ein. In einigen Gefängnissen waren doppelt so viele Häftlinge untergebracht wie vorgesehen. Des Weiteren lagen Meldungen vor, wonach Kinder zusammen mit erwachsenen Insassen inhaftiert waren.

Todesstrafe

Die Gerichte verhängten 2010 nach wie vor Todesurteile, und die Regierung unternahm keine offiziellen Schritte zur Abschaffung der Todesstrafe. Eine 2008 von drei einheimischen zivilgesellschaftlichen Organisationen eingereichte Beschwerde, in der die Verfassungsmäßigkeit der Todesstrafe angefochten wurde, war noch beim Oberen Gericht anhängig.

Amnesty International: Mission

Ein Delegierter von Amnesty International besuchte das tansanische Festland im November.

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