Amnesty Report 18. Mai 2010

Äqutorialguinea 2010

 

Amtliche Bezeichnung: Äquatorialguinea Staatsoberhaupt: Teodoro Obiang Nguema Mbasogo Regierungschef: Ignacio Milám Tang Todesstrafe: nicht abgeschafft Einwohner: 0,7 Mio. Lebenserwartung: 49,9 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 177/160 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 87%

Nach einem vermeintlichen Angriff auf den Präsidentenpalast in Malabo, der Hauptstadt von Äquatorialguinea, wurden politische Gegner des Präsidenten und andere Personen im Februar 2009 willkürlich festgenommen. Bei den Festgenommenen handelte es sich allem Anschein nach um gewaltlose politische Gefangene. Inhaftierte wurden gefoltert, ohne dass dafür irgendjemand strafrechtlich verfolgt worden wäre. Soldaten sollen mindestens zwei Menschen widerrechtlich getötet haben. Nach wie vor wurden Gefangene ohne Kontakt mit der Außenwelt in Haft gehalten, zum Teil in Einzelzellen und ohne ausreichenden Zugang zu frischer Luft und Tageslicht. Zahlreiche Familien wurden in verschiedenen Städten mit Gewalt aus ihren Wohnungen vertrieben, Hunderten von weiteren Familien drohten ebenfalls Zwangsräumungen.

Hintergrund

Im Februar erklärten die Behörden, der Anschlag auf den Präsidentenpalast in Malabo sei von Mitgliedern der Nigerianischen Bewegung für die Befreiung des Nigerdeltas (Nigerian Movement for the Emancipation of the Niger Delta – MEND) verübt worden. Die Attentäter hätten dabei Unterstützung von Kräften in Äquatorialguinea erhalten. Nach dem vermeintlichen Anschlag nahmen die Sicherheitskräfte politische Gegner fest und gingen hart gegen Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus vor. Zwischen Februar und Mai wurden rund 500 ausländische Staatsbürger, hauptsächlich Nigerianer und Kameruner, aus Äquatorialguinea ausgewiesen. Nach dem vermeintlichen Anschlag wurden der Verteidigungsminister und der Minister für Innere Sicherheit entlassen und ihre Ämter neu besetzt. Die MEND bestritt jegliche Beteiligung an dem vermeintlichen Anschlag.

Im März verurteilte der neue Minister für Innere Sicherheit die hohe Zahl illegaler Inhaftierungen im Polizeipräsidium von Malabo und die schlechte Aktenführung über inhaftierte Personen. Außerdem kritisierte er, dass Mitarbeiter der Einwanderungsbehörden illegale Zahlungen entgegennähmen. Er ermahnte die Beamten, derartige Praktiken zu unterlassen und erklärte, dass es ihre Pflicht sei, die Bürger und deren Eigentum zu schützen, nicht aber ihre Rechte zu verletzen.

Im Mai verabschiedete das Parlament ein neues Gerichtsverfassungsgesetz. Das Gesetz 5/09 sieht die Schaffung von Familiengerichten vor, die auch für Verfahren zuständig sind, in denen es um Gewalt gegen Frauen geht.

Staatspräsident Teodoro Obiang begnadigte im November vier Südafrikaner, die wegen Beteiligung an einem Umsturzversuch im März 2004 Gefängnisstrafen zwischen 17 und 34 Jahren verbüßten. Begnadigt wurde auch ein Brite, der im Juli 2008 wegen des gleichen Tatbestands zu 32 Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden war. Im November gewann Staatspräsident Obiang die Präsidentschaftswahlen mit 95,4% der Stimmen.

Im Dezember beschäftigte sich der UN-Menschenrechtsrat im Rahmen der universellen regelmäßigen Überprüfung (UPR) mit der Menschenrechtslage in Äquatorialguinea. Die Regierung akzeptierte im Prinzip die Empfehlungen der UPR-Arbeitsgruppe. Die endgültige Version des Berichts soll im März 2010 vom Menschenrechtsrat angenommen werden.

Recht auf angemessenen Wohnraum – Zwangsräumungen

In mehreren Landesteilen wurden zahlreiche Familien mit Gewalt aus ihren Wohnungen vertrieben, Hunderten von weiteren Familien drohte dasselbe Schicksal. In Bata, der größten Stadt auf dem Festland, kam es im Stadtteil Comandachina zu weiteren rechtswidrigen Zwangsräumungen. Zahlreiche Familien verloren ihre Wohnungen, weil an deren Stelle ein Luxushotel und ein Einkaufszentrum gebaut werden sollen. In Bisa, einem anderen Stadtteil von Bata, wurden im Januar mehr als 50 Familien mit Gewalt aus ihren Wohnungen vertrieben, um Platz zu schaffen für eine Strandpromenade.

Im Februar wurde die Hälfte des Stadtzentrums von Kogo abgerissen, um dort einen Jachthafen und eine Promenade anzulegen. Über 60 Familien wurden obdachlos. Bei den Betroffenen handelte es sich vor allem um alte Menschen, die Eigentümer der abgerissenen Häuser waren und dort jahrzehntelang gelebt hatten. Die Bewohner waren weder befragt noch in angemessener Weise über die Zwangsräumungen informiert worden. Erst als die Zwangsräumungen unmittelbar bevorstanden, bot man den Familien ein kleines Stück unerschlossenes Ödland außerhalb der Stadt für den Bau neuer Häuser an. Die Betroffenen erhielten jedoch weder eine finanzielle Entschädigung noch sonstige Hilfen; die meisten blieben obdachlos.

Willkürliche Festnahmen und Haft

Der gewaltlose politische Gefangene Bonifacio Nguema Ndong wurde im März 2009 nach Verbüßung einer einjährigen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen. Fünf weitere gewaltlose politische Gefangene – Cruz Obiang Ebele, Emiliano Esono Michá, Gumersindo Ramírez Faustino, Juan Ecomo Ndong und Gerardo Angüe Mangue – blieben in Haft.

Im Zusammenhang mit dem vermeintlichen Angriff auf den Präsidentenpalast wurden im Februar politische Gegner und ausländische Staatsbürger willkürlich verhaftet. Die Behörden gaben bekannt, während des Überfalls seien 15 Nigerianer gefasst worden. Weitere Angaben machten sie nicht. Ende 2009 waren noch zwischen sechs und acht Nigerianer ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren im Gefängnis "Black Beach" inhaftiert. Berichten zufolge soll es sich bei ihnen um Händler handeln, die regelmäßig mit dem Boot nach Malabo fuhren und in den Hoheitsgewässern von Äquatorialguinea aufgebracht wurden. Sechs äquatorialguineische Fischer, die sich zum Zeitpunkt des vermeintlichen Angriffs im Hafen von Malabo aufhielten, wurden ebenfalls festgenommen. Sie wurden nach zwei Wochen ohne Anklageerhebung aus der Haft entlassen. Im Februar und im März 2009 nahm die Polizei in Malabo und in Bata zehn Parteimitglieder der Volksunion (Unión Popular – UP) fest, darunter auch Beatriz Andeme Ondó, die Frau des Parteivorsitzenden Faustino Ondó Ebang. Die Behörden warfen ihnen vor, mit Faustino Ondó Ebang in telefonischem Kontakt zu stehen. Der frühere gewaltlose politische Gefangene lebt in Spanien. Die zehn Festgenommenen waren gewaltlose politische Gefangene, die allein deshalb verfolgt wurden, weil sie sich gewaltlos politisch betätigt hatten. Die in Bata festgenommenen Personen wurden vom Polizeipräsidium in Bata nach Malabo gebracht. Die zehn Inhaftierten wurden zwei Monate lang auf dem Polizeipräsidium von Malabo festgehalten und dort gefoltert. Dann wurden sie in das Gefängnis "Black Beach" verlegt. Acht Gefangene kamen im September bis zur endgültigen Entscheidung über Anklage und Verfahren frei. Sie erhielten die Auflage, sich zweimal pro Woche im Polizeipräsidium zu melden. Marcelino Nguema und Santiago Asumo Nguema befanden sich Ende 2009 noch immer im Gefängnis. Ende November wurden die zehn Männer wegen "Terrorhandlungen" unter Anklage gestellt. Ein Gerichtsverfahren war jedoch bis Ende 2009 nicht eingeleitet worden.

Folter und andere Misshandlungen

Nach wie vor wurde auf den Polizeiwachen gefoltert. Die Vorfälle wurden nicht untersucht, und die Täter mussten sich nicht vor der Justiz verantworten.

  • Die Mehrzahl der zehn PU-Mitglieder, die man im Februar und im März festgenommen hatte, wurde in den Polizeipräsidien in Bata und Malabo gefoltert. Santiago Asumo sagte vor dem Ermittlungsrichter aus, man habe ihn bäuchlings auf den Boden gelegt, die Füße eng mit Kabeln gefesselt und ihm für ein "Geständnis" Geld angeboten. Ein anderes Mal stopften ihm die Polizisten Papier in den Mund, steckten ihn in einen Sack, den sie zubanden, hängten ihn auf und schlugen ihn. Obwohl Santiago Asumo diejenigen benannte, die ihn gefoltert hatten, wurde der Fall nicht untersucht und niemand zur Rechenschaft gezogen.

  • Epifanio Pascual Nguema wurde am 26. Februar 2009 ohne Haftbefehl festgenommen und auf das Polizeipräsidium von Bata gebracht. Am 2. März holten ihn Polizeibeamte gegen Mitternacht aus seiner Zelle, brachten ihn in den Keller und folterten ihn dort vier Stunden lang. Sie schlugen ihn auf die Nieren, den Bauch und die Genitalien. Mehrere Tage lang hatte er Blut im Urin und konnte weder gehen noch aufrecht stehen. Er musste im Krankenhaus behandelt werden. Allem Anschein nach war er festgenommen worden, weil er Reisedokumente für seine Frau besorgt und Präsident Obiang kritisiert hatte. Ende Mai wurde er ohne Anklageerhebung aus der Haft entlassen.

Widerrechtliche Tötungen

Es gab Berichte, wonach Soldaten in Malabos Stadtteil Lampert zwei Menschen im Zusammenhang mit dem vermeintlichen Angriff auf den Präsidentenpalast widerrechtlich töteten. Einer der Toten war ein Nigerianer, der von Soldaten angeschossen wurde, nachdem diese ihn auf der Straße anhalten wollten. Als der Mann nicht stehen blieb, sondern wegrannte, schossen sie ihn in den Rücken. Er erlag vier Tage später seinen Verletzungen. Bei dem zweiten Toten handelte es sich um einen Mann aus Äquatorialguinea. Er wurde auf dem Heimweg von Soldaten angehalten. Diese schlugen so brutal auf ihn ein, dass er wenige Tage darauf an den Verletzungen starb. Niemand wurde für die Tötungen strafrechtlich belangt.

Haftbedingungen

Das Besuchsverbot für Inhaftierte wurde Ende November 2009 aufgehoben. Einige Häftlinge waren in Einzelzellen eingesperrt, an den Füßen gefesselt und hatten nur alle zwei bis vier Wochen für ungefähr 30 Minuten Hofgang.

In den Polizeiwachen von Malabo und Bata waren die Haftbedingungen wegen der überfüllten Zellen und der schlechten hygienischen Verhältnisse lebensgefährlich.

  • Berichten zufolge soll eine Frau, bei der es sich vermutlich um eine nigerianische Staatsbürgerin handelte, am 3. März 2009 im Polizeipräsidium in Malabo an den Folgen der Überfüllung und der unhaltbaren hygienischen Zustände gestorben sein. Die Frau war im Zuge des vermeintlichen Angriffs auf den Palast des Staatspräsidenten zwei Wochen zuvor festgenommen worden. Ihr Tod wurde nicht untersucht.

Kinderrechte

Im Februar wurden mindestens 20 Minderjährige im Alter von zehn bis 17 Jahren festgenommen, weil sie Geld von einem Enkel von Präsident Obiang angenommen hatten. Der Enkel hatte das Geld wahrscheinlich gestohlen. Obwohl Jugendliche in Äquatorialguinea erst mit 16 Jahren strafmündig sind, wurden die Minderjährigen fast zwei Monate im Gefängnis "Black Beach" festgehalten, das nicht für Jugendliche vorgesehen ist.

Amnesty International: Berichte

Equatorial Guinea: Arrest and torture of political opponents following February attack on presidential palace (AFR 24/004/2009)

Equatorial Guinea: Submission of the UN Universal Periodic Review (Index: AFR 24/002/2009)

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