Amnesty Report 25. Mai 2009

Côte d'Ivoire 2009

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Côte d’Ivoire Staatsoberhaupt: Laurent Gbagbo Regierungschef: Guillaume Kigbafori Soro Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 19,6 Mio. Lebenserwartung: 47,4 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 192/173 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 48,7%

Da es bei der Registrierung von Wahlberechtigten und der Entwaffnung der Milizen zu Verzögerungen kam, wurden die Präsidentschaftswahlen, die ursprünglich für das Jahr 2005 angesetzt waren, erneut verschoben. Der UN-Sicherheitsrat beschloss den Verbleib der internationalen Friedenstruppen bis nach dem Abschluss der Präsidentschaftswahlen und verlängerte das Waffenembargo sowie gezielte Sanktionen. Bei der Auflösung von Protesten gegen die steigenden Lebenshaltungskosten gingen die Sicherheitskräfte mit exzessiver Gewalt vor. Auch 2008 wurden von beiden Konfliktparteien Menschenrechtsverstöße begangen, insbesondere gegen Frauen. Es kam vor allem an Straßensperren erneut sehr häufig zu Drangsalierungen und tätlichen Übergriffen.

Hintergrund

Die Koalitionsregierung aus Anhängern von Staatspräsident Laurent Gbagbo und Ministerpräsident Guillaume Soro, Generalsekretär der Neuen Kräfte (Forces Nouvelles – FN), einem politischen Bündnis bewaffneter Oppositionsgruppen, das seit September 2002 den Norden des Landes kontrolliert, blieb im Amt. Die Umsetzung der Eckpunkte des 2007 in Ouagadougou geschlossenen Friedensabkommens machte nur langsame Fortschritte. Trotz einiger Bemühungen wurden die Entwaffnung der FN-Mitglieder und die Schaffung einer nationalen Armee nicht abgeschlossen. Zudem wurden die Identifizierung und die Registrierung von Wahlberechtigten durch Überfälle von einer Studentenorganisation behindert, die Staatspräsident Gbagbo nahestand. Die Studenten verwüsteten Registrierungsstellen, stahlen Computer und nahmen Geburtsurkunden an sich. Im Oktober 2008 wurden die Präsidentschaftswahlen zum vierten Mal um ein weiteres Jahr verschoben.

Im selben Monat wurden zwei Männer wegen des Abladens von Müll mit tödlicher Wirkung in Abidjan im Jahr 2006 zu 20 bzw. fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Nach der Aushandlung einer Vereinbarung über Schadenersatz sah die ivorische Regierung von jeglichen weiteren Anklagen gegen Manager des niederländischen Multis Trafigura ab; er war der Betreiber des Schiffs, das den Müll nach Côte d’Ivoire gebracht hatte. Der Schutz vor Strafverfolgung war offenbar Teil der Vereinbarung.

Im Oktober entschied der UN-Sicherheitsrat, das Waffen- und Diamantenembargo um ein Jahr zu verlängern. Auch die Sanktionen gegen einzelne Personen, deren Verhalten dem Frieden abträglich war, wurden nicht aufgehoben. So blieben beispielsweise Reiseverbote bestehen und die Vermögen führender Politiker eingefroren. Der Sicherheitsrat sicherte eine Überprüfung dieser Maßnahmen nach freien, fairen und transparenten Präsidentschaftswahlen zu.

Exzessive Gewaltausübung

Im März und April 2008 ging die Bereitschaftspolizei gegen Hunderte Demonstranten vor, die in Abidjan, Regierungssitz und Wirtschaftsmetropole des Landes, aus Protest gegen die Verteuerung von Grundnahrungsmitteln Barrikaden errichtet und Autoreifen angezündet hatten. Dabei setzte die Polizei Tränengasgranaten und scharfe Munition ein. Zwei Männer wurden getötet, mehr als zehn Personen, unter ihnen mehrere Händlerinnen, verletzt.

  • In der Stadt Yopougon im Großraum Abidjan starb ein 16-jähriger Schüler, nachdem er am Kopf von einem Tränengasbehälter getroffen worden war. Berichten zufolge soll ein 24 Jahre alter Mann im Ort Port-Bouet bei Abidjan drei Schüsse in den Kopf erhalten haben. Das Innenministerium erklärte, die Todesfälle würden untersucht, doch waren bis Ende 2008 offenbar weder Anklagen gegen Angehörige der Sicherheitskräfte erhoben noch strafrechtliche Maßnahmen eingeleitet worden.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Nach wie vor wurden Frauen und Mädchen Opfer sexueller Gewaltdelikte, und zwar sowohl im von Regierungstruppen kontrollierten Teil des Landes als auch im Norden, der von den FN kontrolliert wird. Die Mehrheit der mutmaßlichen Täter wurde nicht vor Gericht gestellt bzw. bereits kurz nach der Verhaftung wieder auf freien Fuß gesetzt.

  • Im April 2008 wurde ein 14-jähriges Mädchen in der von den FN kontrollierten Stadt Katiola von vier Männern der FN vergewaltigt und dann ermordet. Für dieses Verbrechen wurde niemand strafrechtlich verfolgt. Nur wenige Tage später wurde in Katiola eine Frau von einem FN-Milizionär erst sexuell missbraucht und dann vergewaltigt. Der Mann wurde zwar verhaftet, kam aber nach wenigen Tagen frei.

  • Sechs Männer vergewaltigten in Duekué im Westen des Landes im September 2008 zwei kleine Mädchen. Die Vergewaltiger gehörten zu einer Gruppe von Männern, die Gewehre bei sich trugen und bei denen es sich um Mitglieder einer regierungsfreundlichen Miliz handeln soll. Ende 2008 war nicht ein einziger Täter festgenommen worden.

Die zahllosen Frauen und Mädchen, die seit Ausbruch des Bürgerkriegs im Jahr 2002 von Milizionären und Zivilisten, die mit den Milizen im Bunde standen, vergewaltigt und missbraucht worden sind, erhielten weder Entschädigungszahlungen, noch räumte man ihnen die Möglichkeit einer medizinischen Versorgung ein.

Polizei und Sicherheitskräfte

Die Sicherheitskräfte begingen häufig Übergriffe, um an Straßensperren und bei der Überprüfung von Ausweispapieren Geld zu erpressen.

  • Im Februar 2008 wurde der Busfahrer Lanciné Bamba von einem Angehörigen des Sicherheitsdienstes Centre de Commandement des Opérations de Sécurité (CECOS) erschossen, weil er sich geweigert hatte, dem Sicherheitsdienst an einem Kontrollpunkt Geld zu geben. Im Oktober wurde ein Angehöriger des CECOS wegen dieses Mordes schuldig gesprochen und zu drei Jahren Haft verurteilt.

Menschenrechtsverstöße der Forces Nouvelles

Kämpfer und Unterstützer der FN waren für Menschenrechtsverstöße, u.a. auch für Folterungen, Misshandlungen, willkürliche Festnahmen und Erpressungen großen Ausmaßes verantwortlich. Doch es herrschte ein allgemeines Klima der Straffreiheit, weil es im Norden des Landes kein funktionierendes Rechtssystem gab.

  • Im September 2008 wurden in der Gegend von Vavoua und Séguéla 50 Männer festgenommen, weil sie sich gegen die Absetzung von Zakaria Koné, einem Anführer der FN, ausgesprochen haben sollen. Die Festgenommenen wurden nach Bouaké, der Hochburg der FN, gebracht, wo sie Berichten zufolge ohne rechtliche Grundlage in Haft gehalten wurden.

Amnesty International: Bericht

Côte d’Ivoire: Silence and Impunity: the only response to sexual violence against women (AFR 31/002/2008)

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