Amnesty Report Russische Föderation 05. April 2012

Tschetschenischer Asylsuchender / Sicherheitslage in Tschetschenien

Asyl-Gutachten zur Anfrage des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt zur Rückkehrgefährdung eines russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Volkszugehörigkeit

27. Februar 2012

[...] Bei dem Kläger handelt es sich um einen russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Der Kläger hatte vorgetragen, sein Bruder sei im Frühjahr 2002 von Russen bei einer Säuberungsaktion festgenommen worden. Gemeinsam mit einem tschetschenischen Widerstandskämpfer habe der Kläger daraufhin beschlossen, einen russischen Offizier zu "fangen" und gegen seinen Bruder auszutauschen. Dabei seien zwei russische Soldaten außer Gefecht gesetzt worden. Im Juni 2002 habe der Austausch des Offiziers gegen seinen Bruder stattgefunden. Weiter gibt der Kläger an, der Austausch sei von russischer Seite aus gefilmt worden. Nach der Aktion hätten er und sein Bruder sich versteckt.

1. Welche Maßnahmen drohen dem Kläger

a) im Fall seiner Rückkehr nach Tschetschenien?

Amnesty International ist nicht in der Lage abschließend zu beantworten, welche Maßnahmen dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Tschetschenien drohen. Dies liegt darin begründet, dass unsere Organisation keine Kenntnis von Personen hat, die sich in einer dem Kläger vergleichbaren Weise in der Russischen Föderation strafbar gemacht haben und Amnesty International nicht bekannt ist, welchen Maßnahmen diese nach ihrer Rückkehr nach Tschetschenien aufgrund ihrer Aktivitäten ausgesetzt sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine solche Referenzfälle gibt.

Unabhängig von der möglichen Gefährdungslage des Klägers, möchte Amnesty International darauf hinweisen, dass die Sicherheitslage in Tschetschenien weiterhin instabil ist und Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien weit verbreitet sind. Von einer "Normalisierung" der Situation in Tschetschenien, von der russische und tschetschenische Regierungsvertreter insbesondere seit der Amtseinführung von Ramzan Kadyrov im April 2007 wiederholt sprechen, kann nach wie vor keine Rede sein. Seitdem die russische Regierung im April 2009 ankündigte, die Antiterrormaßnahmen in Tschetschenien zu beenden, ist zwar ein deutlicher Rückgang der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen russischen und tschetschenischen Sicherheitskräften auf der einen und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite zu beobachten. Insgesamt ist dadurch eine Verbesserung der Sicherheitslage im Vergleich zu vorangehenden Jahren eingetreten, diese kann aber nur teilweise und ungleichmäßig beobachtet werden. Insbesondere haben diese Veränderungen zu keiner bedeutenden Verbesserung der Menschenrechtslage in Tschetschenien geführt – wie aktuelle Meldungen über Übergriffe auf Zivilisten zeigen. [...]

Das komplette Gutachten zum Download unter "Weitere Dokumente"

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