Aktuell Naher Osten und Nordafrika 06. Juli 2015

Amnesty Report 2014/2015: Naher Osten und Nordafrika

Überblick

Betrachtet man das Jahr 2014, so war es für Millionen Menschen im Nahen Osten und in Nordafrika katastrophal. In Syrien und im Irak wüteten nicht enden wollende bewaffnete Konflikte mit entsetzlichen Verbrechen. Der Gazastreifen war Schauplatz des bislang tödlichsten Schlagabtauschs zwischen Israel und der Hamas, der vor allem auf Kosten der Zivilbevölkerung ausgetragen wurde. Libyen versank in einem Bürgerkrieg und entwickelte sich immer mehr zu einem gescheiterten Staat. Die jemenitische Gesellschaft war nach wie vor tief gespalten; die Zentralregierung sah sich mit schiitischen Aufständen im Norden, anhaltenden Unruhen im Südwesten und einer lautstarken Bewegung im Süden konfrontiert, die eine Abspaltung forderte.

Die kühnen Hoffnungen auf Wandel, die sich bei den Volksaufständen in der arabischen Welt 2011 Bahn gebrochen und zum Sturz langjähriger autokratischer Herrscher in Tunesien, Ägypten, Libyen und im Jemen geführt hatten, waren angesichts der jüngsten Entwicklungen nur noch blasse Erinnerungen. Die einzige Ausnahme bildete Tunesien: Die Parlamentswahlen im November 2014 verliefen reibungslos, und die staatlichen Stellen unternahmen zumindest einige Schritte, um diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die für schwere Menschenrechtsverletzungen in der Vergangenheit verantwortlich waren. Ägypten bot 2014 hingegen kaum Anlass zu Optimismus: Dort wurde im Mai der Armeegeneral zum Präsidenten gewählt, der 2013 dafür verantwortlich war, den ersten nach den Aufständen gewählten Präsidenten seines Amtes zu entheben.

Das Land erlebte eine Welle der Unterdrückung, die sich nicht nur gegen die Muslimbruderschaft und ihre Verbündeten richtete, sondern auch gegen Aktivisten jeglicher politischer Couleur, Medienschaffende und Menschenrechtsverteidiger. Tausende Menschen wurden inhaftiert, Hunderte zum Tode verurteilt. In Bahrain, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterdrückten die Regierungen jegliche Kritik weiterhin gnadenlos und gingen rigoros gegen Oppositionelle vor, die sich den Machthabern entgegenstellten. Dabei konnten sie sich darauf verlassen, dass ihre wichtigsten Verbündeten unter den westlichen Demokratien keinerlei Einwände gegen dieses Vorgehen erhoben.

In Syrien und im Irak verübten bewaffnete Gruppen 2014 Akte der Barbarei, allen voran die Gruppe, die sich Islamischer Staat (IS, vormals Islamischer Staat im Irak und Syrien – ISIS) nennt. Kämpfer des IS und anderer bewaffneter Gruppen brachten große Teile Syriens unter ihre Kontrolle, u.a. das Gebiet um Aleppo, die größte Stadt des Landes. Sie führten dort öffentliche Hinrichtungen, Amputationen und Auspeitschungen durch, um Verhaltensweisen zu "bestrafen", die sie als Verstoß gegen ihre strikte Auslegung des islamischen Rechts (Scharia) betrachteten. Im Irak nahm der IS sunnitische Hochburgen ein und errichtete dort eine Schreckensherrschaft. Hunderte Menschen wurden summarisch hingerichtet, darunter gefangen genommene Regierungssoldaten, Angehörige von Minderheiten, Schiiten, aber auch Sunniten, die sich der IS-Herrschaft entgegenstellten. IS-Kämpfer gingen gezielt gegen religiöse und ethnische Minderheiten vor: Christen wurden verjagt, und Tausende Jesiden sowie Angehörige anderer Minderheiten gewaltsam aus ihren Häusern und von ihrem Land vertrieben. Hunderte jesidische Männer und Jungen wurden summarisch hingerichtet; Hunderte jesidische Frauen und Mädchen wurden in die Sklaverei verschleppt und mit IS-Kämpfern, zu denen Tausende Freiwillige aus Europa, Nordamerika, Australien, Nordafrika, den Golfstaaten und anderen Ländern zählten, zwangsverheiratet.

Im Gegensatz zu vielen anderen, die rechtswidrige Tötungen begehen, ihre Verbrechen jedoch zu verbergen suchen, brüstete sich der IS brutal und schamlos mit seinen Taten. Die bewaffnete Gruppe legte Wert darauf, dass stets eigene Kameramänner zur Stelle waren, um einige ihrer entsetzlichsten Verbrechen zu filmen, wie zum Beispiel die Enthauptungen von Journalisten, Mitarbeitern von Hilfsorganisationen und gefangen genommenen libanesischen und irakischen Soldaten. Anschließend wurden die Bluttaten in ausgefeilten, grauenhaft makabren Videos im Internet veröffentlicht. Sie dienten Propagandazwecken, wurden aber auch eingesetzt, um Lösegeld zu erpressen und neue Kämpfer anzuwerben.

Der schnelle militärische Vorstoß des IS in Syrien und im Irak und die Hinrichtungen westlicher Geiseln und anderer Personen veranlassten die USA, im September 2014 eine Anti-IS-Koalition zu bilden, der sich bis zum Jahresende etwa 60 Staaten anschlossen.

Jordanien, Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligten sich an dem Bündnis, das Stellungen des IS und anderer nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen aus der Luft angriff und dabei auch Zivilpersonen verletzte und tötete. Im Jemen gingen die US-Streitkräfte weiterhin mit Drohnen- und anderen Angriffen gegen Ableger von Al-Qaida vor. Insgesamt war zu beobachten, dass die Auseinandersetzungen zwischen Regierungen und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen zunehmend Ländergrenzen überschritten. Russland nahm bei den Vereinten Nationen weiterhin die syrische Regierung in Schutz und unterstützte ihre Kriegsbemühungen mit Waffen und Munition, ohne sich darum zu kümmern, dass die syrischen Behörden für Kriegsverbrechen und andere schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich waren.

In der öffentlichen Wahrnehmung drohten die Gräueltaten des IS die fortwährende extreme Brutalität der syrischen Regierungstruppen für eine gewisse Zeit in den Hintergrund zu drängen. Bei den Kämpfen zur Verteidigung ihres Einflussbereichs und zur Rückeroberung von Gebieten, die von bewaffneten Gruppen kontrolliert wurden, nahm die syrische Armee ganz offensichtlich keinerlei Rücksicht auf das Leben von Zivilpersonen, unter völliger Missachtung des humanitären Völkerrechts. Die Regierungstruppen griffen Gebiete, in denen Zivilpersonen Zuflucht gefunden hatten, wahllos mit schweren Waffen an und setzten dabei u.a. Fassbomben, Panzer und Artillerie ein. Langanhaltende Belagerungen führten dazu, dass der eingeschlossenen Zivilbevölkerung Lebensmittel, Trinkwasser und medizinische Versorgungsgüter vorenthalten wurden. Außerdem griff die syrische Armee Krankenhäuser und medizinisches Personal gezielt an. Die Sicherheitskräfte nahmen weiterhin zahlreiche Kritiker und mutmaßliche Regierungsgegner fest, von denen viele gefoltert und unter menschenunwürdigen Bedingungen in Haft gehalten wurden, und verübten rechtswidrige Tötungen. Im Irak reagierte die Regierung auf den Vormarsch des IS, indem sie die Sicherheitskräfte durch regierungstreue schiitische Milizen verstärkte und diese gegen Sunniten einsetzte, die als regierungsfeindlich oder IS-Sympathisanten angesehen wurden. Mossul und andere IS-kontrollierte Regionen wurden wahllos aus der Luft angegriffen.

Wie in fast allen bewaffneten Konflikten waren die Hauptleidtragenden der Kämpfe Zivilpersonen, da die kriegführenden Parteien gegen ihre Verpflichtungen verstießen, die Zivilbevölkerung zu verschonen. Die Bilanz des 50-tägigen Konflikts zwischen Israel und der Hamas sowie anderen palästinensischen bewaffneten Gruppen im Gazastreifen war erschütternd, was das Ausmaß der Zerstörung und Beschädigung von Häusern und Infrastruktur sowie die Zahl der getöteten und verletzten palästinensischen Zivilpersonen anging. Die israelische Armee griff bewohnte Häuser an und tötete dabei in einigen Fällen ganze Familien. Auch Krankenhäusern und Schulen galten die Angriffe. Außerdem wurden Wohnraum und zivile Infrastruktur vorsätzlich zerstört. Im Gazastreifen wurden mehr als 2000 Palästinenser getötet. Davon waren etwa 1500 zivile Todesopfer, darunter mehr als 500 Kinder. Die Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen feuerten wahllos Tausende Raketen und Granatwerfer auf Wohngebiete in Israel ab.

Die Angriffe töteten sechs Zivilpersonen, darunter ein Kind. Die Hamas ließ mindestens 23 Palästinenser summarisch hinrichten, denen "Kollaboration" mit Israel vorgeworfen wurde; einige von ihnen hatten ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren im Gefängnis gesessen. Sowohl die israelische Armee als auch die Hamas und andere bewaffnete Gruppen verübten Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverstöße, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Damit wiederholte sich einmal mehr ein altbekanntes Muster der vergangenen Jahre. Israel hielt die seit 2007 ununterbrochen geltende Luft-, Land- und Seeblockade des Gazastreifens aufrecht, die gegen das Völkerrecht verstößt, da sie einer kollektiven Bestrafung der 1,8 Mio. Bewohner des Gebiets gleichkommt. Außerdem verschärfte die Blockade die verheerenden Auswirkungen des 50-tägigen Konflikts, indem sie den Wiederaufbau stark behinderte.

Die politischen und anderweitigen Spannungen, die im Nahen Osten und in Nordafrika herrschten, waren besonders stark in den Ländern zu spüren, in denen bewaffnete Konflikte tobten. Doch wiesen auch andere Staaten in der Region institutionelle Mängel und andere Schwachstellen auf, die diese Spannungen verstärkten und einer raschen Lösung im Weg standen. Dazu zählte, dass Regierungen und einige nichtstaatliche bewaffnete Gruppen grundsätzlich keinerlei Kritik oder abweichende Meinung duldeten und dass es nur schwache oder überhaupt keine Parlamente gab, die bei Verstößen staatlicher Stellen als Kontrollorgan und Gegengewicht fungieren konnten. Problematisch war auch, dass es der Justiz an Unabhängigkeit mangelte und sie sich häufig dem Willen der Regierung unterordnete, und dass die Rechenschaftspflicht sowie weitere völkerrechtliche Verpflichtungen nicht ausreichend beachtet wurden.

Unterdrückung Andersdenkender

In zahlreichen Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas gingen Regierungen weiterhin mit aller Härte gegen Andersdenkende vor und schränkten das Recht auf Meinungsfreiheit ein, dies betraf auch die sozialen Medien. Äußerungen, die nach Ansicht der Behörden das Staatsoberhaupt, die Regierung, Justizbeamte oder selbst ausländische Staatsoberhäupter beleidigten, konnten in Bahrain strafrechtlich verfolgt werden und zu Gefängnisstrafen führen. So verurteilte dort ein Gericht eine bekannte Menschenrechtsaktivistin zu drei Jahren Haft, weil sie eine Fotografie des Königs zerrissen hatte. Ähnliche Fälle wurden aus Ägypten, Jordanien, Kuwait, Marokko, dem Oman und Saudi-Arabien gemeldet. Im Iran riskierten Regierungskritiker u.a. Anklagen wegen "Feindschaft zu Gott" (moharebeh), ein Tatbestand, der mit dem Tod bestraft werden kann. In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden Befürworter von Reformen weiterhin in unfairen Gerichtsverfahren zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Außerdem trat 2014 ein neues Antiterrorgesetz in Kraft, das Terrorismus so breit definierte, dass selbst friedlicher Protest als terroristische Handlung gelten kann, die im schlimmsten Fall mit der Todesstrafe belegt wird.

Die Vereinigten Arabischen Emirate und andere Golfstaaten wie Bahrain, Kuwait und Oman nutzten bestehende Gesetze oder schufen neue Bestimmungen, um friedliche Regierungskritiker mit dem Entzug der Staatsbürgerschaft zu bestrafen. Diese verloren damit ihre bürgerlichen Rechte und wurden quasi zu Staatenlosen. Bahrain, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate machten von dieser Möglichkeit das ganze Jahr über Gebrauch.

Das Recht auf Vereinigungsfreiheit war stark eingeschränkt. Viele Regierungen duldeten keine unabhängigen Gewerkschaften. In Algerien, Marokko/Westsahara und einigen anderen Ländern mussten unabhängige Organisationen, wie z.B. Menschenrechtsorganisationen, eine offizielle Zulassung beantragen, um legal arbeiten zu können. Allerdings verweigerten die Behörden häufig Genehmigungen oder schikanierten Organisationen, die bereits eine Genehmigung erhalten hatten. In Ägypten stellten die Behörden die Existenz unabhängiger NGOs an sich in Frage.

Das Recht auf Versammlungsfreiheit, das die Menschen während der Proteste 2011 in großem Umfang in Anspruch genommen hatten, wurde 2014 von vielen Regierungen stark beschnitten. Die algerischen Behörden erstickten Protestaktionen im Keim, indem sie den Zugang zu Veranstaltungsorten blockierten und Aktivisten festnahmen. In Kuwait verboten die Behörden weiterhin Proteste der Bidun, von denen viele noch immer keine kuwaitische Staatsangehörigkeit besitzen. In Ägypten, Bahrain und im Jemen wurden Demonstrierende getötet und verletzt, weil die Sicherheitskräfte mit unverhältnismäßiger und manchmal tödlicher Gewalt gegen Proteste vorgingen. Israelische Soldaten und Grenzpolizisten im Westjordanland schossen auf palästinensische Steinewerfer und andere Personen, die gegen den Siedlungsbau, den Zaun bzw. die Mauer und andere Symbole der langjährigen israelischen Militärbesatzung protestierten.

Andernorts verübten Bewaffnete rechtswidrige Tötungen, ohne dafür bestraft zu werden. In einigen Fällen waren die Opfer Personen, die bekannt dafür waren, sich für die Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. In Libyen drangen Männer in die Wohnung von Salwa Bughaighis in Bengasi ein und erschossen sie. Die Menschenrechtsanwältin war eine der führenden Stimmen während des Aufstands im Jahr 2011 gewesen und hatte kurz vor ihrer Ermordung in einem Interview die bewaffneten Gruppen in ihrem Land kritisiert, die mächtig waren, sich aber nicht an Gesetze hielten.

Justizwesen

In den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas waren willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, Langzeithaft ohne Gerichtsverfahren, Verschwindenlassen und unfaire Gerichtsverfahren an der Tagesordnung. Daran zeigte sich, dass die Strafjustizsysteme korrupt waren und lediglich als staatliches Werkzeug der Unterdrückung dienten. In Syrien, Ägypten, im Irak und in Saudi-Arabien waren Tausende Menschen inhaftiert, die entweder ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren festgehalten wurden oder nach unfairen Prozessen Gefängnisstrafen erhalten hatten. Etwas geringer war die Zahl der Inhaftierten in Bahrain, im Iran und in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Einige der Gefangenen wurden Opfer des Verschwindenlassens. Die israelischen Behörden hielten etwa 500 Palästinenser ohne Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft. Tausende Palästinenser verbüßten in Israel Gefängnisstrafen. Sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen hielten die palästinensischen Behörden politische Gegner in Gewahrsam. Im Gazastreifen verhängten Militär- und Zivilgerichte die Todesstrafe gegen Angeklagte wegen mutmaßlicher "Kollaboration" mit Israel. In Libyen hielten rivalisierende Milizen Tausende Menschen fest, einige von ihnen bereits seit dem Sturz Mu’ammar al-Gaddafis im Jahr 2011. Viele mussten unter harten und erniedrigenden Haftbedingungen und ohne Hoffnung auf eine baldige Freilassung ausharren.

In zahlreichen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas wurde Angeklagten der Prozess gemacht, ohne dass die Regeln für faire Verfahren Anwendung fanden. In vielen Fällen verhängten Gerichte lange Haftstrafen und manchmal sogar die Todesstrafe auf Grundlage von "Geständnissen", die unter Folter erpresst worden waren. Die Anklagepunkte waren häufig so weitgefasst und vage formuliert, dass eine Verurteilung unausweichlich war. In Ägypten verhängte ein Richter nach zwei Prozessen mit gröbsten Verfahrensfehlern vorläufige Todesurteile gegen Hunderte Angeklagte, denen vorgeworfen wurde, an Angriffen auf Polizeiwachen beteiligt gewesen zu sein, bei denen Menschen starben. Ein anderer Richter verurteilte drei bekannte Journalisten ohne stichhaltige Beweise zu langen Haftstrafen. Ägyptens neuer Präsident erweiterte schließlich die Befugnisse der Militärgerichte, die für ihre unfairen Verfahren berüchtigt sind, dahingehend, dass sie künftig auch Zivilpersonen den Prozess machen können, denen Terrorismus und andere Straftaten vorgeworfen werden.

Sowohl in Bahrain als auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten folgten die Gerichte den Anweisungen der Regierungen, wenn es um Angeklagte ging, denen Vergehen im Zusammenhang mit der Sicherheit oder Diffamierung der Machthaber zur Last gelegt wurde. In beiden Ländern wurden Familienangehörige zu Gefängnisstrafen verurteilt, weil sie sich für die Freilassung ihrer zu Unrecht inhaftierten Angehörigen eingesetzt hatten. Irans Revolutionsgerichte befanden erneut Angeklagte wegen kaum ersichtlicher Vorwürfe für schuldig und fällten harte Urteile, darunter auch Todesurteile. In Saudi-Arabien wurden u.a. Rechtsanwälte verfolgt und zu Gefängnisstrafen verurteilt, die als Rechtsbeistände von Angeklagten, denen Verstöße gegen die Sicherheit vorgeworfen wurden, Gerichte als unfair kritisiert hatten.

Die meisten staatlich angeordneten Hinrichtungen fanden weiterhin in Saudi-Arabien, im Iran und im Irak statt. In allen drei Ländern wurden 2014 zahlreiche Hinrichtungen vollstreckt, viele der Opfer waren nach unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt worden. In Saudi-Arabien wurden viele der zum Tode Verurteilten öffentlich enthauptet – 26 Menschen allein im August 2014. Hingerichtet wurden u.a. ein Mann, der wegen "Hexerei" zum Tode verurteilt worden war, und Personen, die wegen Drogendelikten die Todesstrafe erhalten hatten, ohne Gewalt angewandt zu haben.

Nach mehr als 30 Monaten Pause vollstreckte Ägypten ab Juni 2014 wieder Todesurteile. Es war zu befürchten, dass die Zahl der Hinrichtungen dramatisch ansteigen könnte, sobald Hunderte Anhänger der Muslimbruderschaft und andere Personen, die 2014 zum Tode verurteilt worden waren, ihre Rechtsmittel ausgeschöpft haben würden. Jordanien nahm die Hinrichtungen im Dezember wieder auf, nachdem das Land acht Jahre lang keine Todesurteile vollstreckt hatte. Im Libanon verhängten Gerichte weiterhin die Todesstrafe, es gab jedoch keine Hinrichtungen. Auch Algerien, Marokko und Tunesien hielten ihre langjährigen De-facto-Hinrichtungsmoratorien aufrecht.

Folter und andere Misshandlungen

Im gesamten Nahen Osten und in Nordafrika folterten und misshandelten Sicherheitskräfte Personen in ihrem Gewahrsam, in einigen Fällen geschah dies massenhaft und systematisch. In Syrien, wo auch Minderjährige betroffen waren, sollen zahlreiche Häftlinge aufgrund von Folter und anderen Misshandlungen gestorben sein. Die Berichte ließen sich jedoch nur schwer nachprüfen. Im Januar 2014 tauchten Fotografien auf, die den gewaltsamen Tod Tausender Menschen im Gewahrsam der syrischen Behörden bewiesen. Die meisten von ihnen waren offenbar an Schlägen und anderen Foltermethoden gestorben oder verhungert. In Ägypten war Folter an der Tagesordnung. Betroffen waren sowohl Personen, die wegen geringfügiger Vergehen verdächtigt wurden, als auch Anhänger der Muslimbruderschaft, die während der Niederschlagung der Aufstände inhaftiert worden waren. Zu den in Syrien, Ägypten und anderen Ländern üblichen Foltermethoden zählten Schläge auf die Fußsohlen und Prügel, während das Opfer an den Gliedmaßen aufgehängt war, sowie das Stehen oder Hocken in schmerzhaften Stellungen über längere Zeiträume hinweg.

Berichtet wurde auch über Elektroschocks an den Genitalien und anderen empfindlichen Körperstellen, über Drohungen gegen Inhaftierte und ihre Familien sowie über einige Fälle von Vergewaltigung und anderen Formen sexueller Gewalt. Häufig wurde Folter angewandt, um Informationen zu erpressen, die zur Festnahme weiterer Verdächtiger führen sollten. Oft diente sie auch dazu, "Geständnisse" zu erzwingen, die später vor Gericht als Beweismittel Verwendung fanden, um Regierungskritiker und Oppositionelle zu Gefängnisstrafen zu verurteilen. Folter wurde jedoch auch eingesetzt, um die Opfer zu erniedrigen, zu demütigen und ihnen körperliche und seelische Wunden zuzufügen. Die Täter gingen in der Regel straffrei aus. Regierungen kamen häufig ihren Verpflichtungen nicht nach, Foltervorwürfe unabhängig zu untersuchen, leiteten so gut wie nie strafrechtliche Schritte gegen mutmaßliche Folterer ein, und in Fällen, in denen Täter vor Gericht gestellt wurden, wurden sie in der Regel freigesprochen.

Straflosigkeit

Nicht nur die Verantwortlichen für Folter kamen in den Genuss von Straffreiheit. Unbehelligt blieben auch führende Politiker und Militärs, die die Kriegsverbrechen und anderen völkerrechtlichen Verbrechen planten oder anordneten, die von Regierungstruppen in den bewaffneten Konflikten in Syrien, im Irak, in Libyen und im Jemen verübt wurden. Dasselbe galt für die israelische Armee und für bewaffnete palästinensische Gruppen in Israel und im Gazastreifen. Auch die Verantwortlichen für die massenhaften Menschenrechtsverletzungen in Ägypten, im Iran, in Saudi-Arabien, in den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderswo wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. In Bahrain hatte die Regierung 2011 zugesagt, Foltervorwürfe unabhängig untersuchen zu lassen, nachdem eine unabhängige internationale Expertenkommission dies empfohlen hatte, bis Ende 2014 war jedoch noch nichts geschehen.

In Algerien weigerten sich die Behörden weiterhin, rechtswidrige Tötungen und andere in der Vergangenheit verübte Menschenrechtsverletzungen untersuchen zu lassen. Der ehemalige Präsident des Jemen und seine engsten Mitarbeiter genossen nach wie vor Immunität. Sie war ihm zugesichert worden, als er nach Protesten, bei denen Regierungskräfte viele Menschen getötet hatten, 2011 sein Amt zur Verfügung gestellt hatte. In Tunesien leiteten die Behörden strafrechtliche Schritte gegen ehemalige hochrangige Beamte und Angehörige der Sicherheitskräfte ein, denen die rechtswidrige Tötung von Demonstrierenden während der Aufstände vorgeworfen wurde. Ein militärisches Berufungsgericht milderte die Anklagen und die Urteile allerdings so stark ab, dass die meisten freikamen.

Angesichts des mangelnden Willens und der Unfähigkeit der nationalen Justiz, gegen Straflosigkeit vorzugehen, appellierten Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen wiederholt an den UN-Sicherheitsrat, den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) mit Ermittlungen zur Situation in Syrien und in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten zu beauftragen. Leider stießen diese Appelle auf taube Ohren. Libyen fiel hingegen weiterhin in die Zuständigkeit des IStGH, nachdem der UN-Sicherheitsrat 2011 ein entsprechendes Mandat erteilt hatte. Die Chefanklägerin des Gerichtshofs leitete jedoch keine neuen Ermittlungen ein, obwohl es zu einem horrenden Anstieg von Kriegsverbrechen kam und das Land erneut in einem Bürgerkrieg versank.

Diskriminierung ethnischer und religiöser Minderheiten

Inmitten politischer Unruhen und religiös und ethnisch motivierter Spaltungen und Kämpfe, die in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas immer stärker um sich griffen, begegneten Regierungen und nichtstaatliche bewaffnete Gruppen Minderheiten mit erhöhtem Misstrauen und Intoleranz. Im Irak und in Syrien zeigte sich dies auf besonders brutale Weise. Dort wurden zahlreiche Menschen aufgrund ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit festgenommen, verschleppt, im Zuge "ethnischer Säuberungen" aus ihrer Heimat vertrieben oder getötet. In Libyen war eine ähnliche Entwicklung zu verzeichnen. Auch hier wurden vermehrt Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe getötet.

Die iranische Regierung inhaftierte weiterhin Anhänger der Baha’i-Glaubensgemeinschaft und verwehrte ihnen systematisch den Zugang zu höherer Bildung. Auch die Rechte anderer religiöser Minderheiten sowie der Aserbaidschaner, der Kurden und anderer ethnischer Minderheiten waren eingeschränkt. Mehrere Angehörige der arabischen Ahwazi-Gemeinschaft wurden Berichten zufolge im Geheimen hingerichtet. In Saudi-Arabien gingen die Behörden weiterhin mit aller Härte gegen schiitische Regierungskritiker in der ölreichen Ostprovinz vor. Aktivisten wurden in unfairen Gerichtsverfahren zu langen Freiheitsstrafen verurteilt, in mindestens einem Fall wurde sogar die Todesstrafe verhängt. Die kuwaitische Regierung verweigerte nach wie vor Tausenden Bidun die Staatsbürgerschaft und alle damit verbundenen Rechte.

Flüchtlinge und Binnenvertriebene

Der bewaffnete Konflikt in Syrien weitete sich 2014 zur weltweit größten Flüchtlingskrise aus. Bis zum Jahresende waren etwa 4 Mio. Menschen aus Syrien geflohen. Nach Angaben des UNHCR wurden etwa 95% von den Nachbarländern aufgenommen: mindestens 1,1 Mio. syrische Flüchtlinge lebten im Libanon, mehr als 1,6 Mio. in der Türkei, mehr als 600000 in Jordanien, mehr als 220000 im Irak und mehr als 130000 in Ägypten. Den internationalen Hilfsprogrammen mangelte es an Geld, um die Bedürfnisse der Flüchtlinge zu decken. Im Dezember 2014 war das UN-Programm für die syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern (Syria Regional Refugee Response Plan) für das abgelaufene Jahr erst zu 54% finanziert. Das Welternährungsprogramm (World Food Programme) musste seine Nahrungsmittellieferungen an 1,7 Mio. Syrer aus Geldmangel zeitweise einstellen. Vielerorts stellte der starke Zustrom von Flüchtlingen innerhalb kurzer Zeit eine große Belastung für die Aufnahmeländer dar und führte zu Spannungen zwischen Flüchtlingen und Gastgebern. Sowohl die jordanischen als auch die libanesischen Behörden unterbanden die Einreise palästinensischer Flüchtlinge aus Syrien. Immer öfter wurden auch andere Schutzsuchende aus Syrien abgewiesen. Ägypten schob einige Flüchtlinge nach Syrien ab.

In Syrien selbst gab es weitere 7,6 Mio. Binnenflüchtlinge, die aufgrund von Kampfhandlungen oder religiös motivierter Gewalt gezwungen waren, ihre Wohnorte zu verlassen. Einige von ihnen waren bereits mehrfach vertrieben worden. Viele dieser Menschen befanden sich an Orten, die von internationalen Hilfsorganisationen nicht erreicht werden konnten, oder lebten in Gebieten, die von Regierungstruppen oder bewaffneten Gruppen belagert wurden. Ihre Situation war sehr ernst, und es bestand kaum Aussicht, dass sich ihre Lage verbessern würde.

Zwar stellte das Ausmaß der Krise in Syrien alles andere in den Schatten, in dem Maße, wie der Konflikt auf den Irak übergriff, wurden jedoch auch dort Tausende Menschen zu Binnenflüchtlingen. Sie wurden durch das gewaltsame Vorgehen und Übergriffe des IS vertrieben, aber auch durch Angriffe und Verstöße regierungstreuer schiitischer Milizen. In Libyen konnten Tausende Menschen, die 2011 von bewaffneten Misrata-Milizen aus der Stadt Tawargha vertrieben worden waren, noch immer nicht in ihre Häuser zurückkehren. Sie mussten erneut fliehen, als die Hauptstadt Tripolis und weitere Gebiete Mitte des Jahres zum Schauplatz bewaffneter Kämpfe wurden. Im Gazastreifen zerstörte die israelische Bombardierung während des 50-tägigen bewaffneten Konflikts ab dem 8. Juli Tausende Wohnungen und machte unzählige Menschen obdachlos. In Israel selbst inhaftierten die Behörden Asylsuchende, die aus dem Sudan, aus Eritrea und anderen Ländern kamen, in Haftzentren in der Naqab-/Negev-Wüste. Einige kehrten in ihre Heimatländer zurück, nachdem man sie gedrängt hatte, "freiwillig" auszureisen. Dabei konnte ihre Sicherheit nicht garantiert werden, und es bestand ein hohes Risiko, dass sie in ihren Heimatländern Verfolgung und Folter erleiden würden.

Rechte von Arbeitsmigranten

Arbeitsmigranten waren für die Wirtschaft der Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas unerlässlich. Dies galt insbesondere für die erdöl- und erdgasreichen Golfstaaten, in denen ausländische Arbeitskräfte das Rückgrat der Baubranche und anderer Industriezweige sowie des Dienstleistungssektors bildeten. Trotz ihrer zentralen Bedeutung für die jeweilige Ökonomie waren Migranten in den meisten Staaten arbeitsrechtlich kaum geschützt und wurden häufig Opfer von Ausbeutung und Misshandlung. Katar stand aufgrund der Entscheidung, dort 2022 die Fußballweltmeisterschaft auszutragen, unter verstärkter internationaler Beobachtung, was offizielle Maßnahmen und den Umgang mit Arbeitsmigranten anging, die die neuen Stadien und andere Einrichtungen bauten. Auf internationalen Druck hin versprach die Regierung zwar Reformen, das in Katar und anderen Golfstaaten übliche Sponsorensystem (kafala), das die Einstellung und Beschäftigung von Arbeitsmigranten regelte, lud jedoch zu Missbrauch ein. Zumal von staatlicher Seite nichts unternommen wurde, um den Rechten von Migranten zur Durchsetzung zu verhelfen. Viele Arbeitsmigranten wurden von ihren Arbeitgebern zu Überstunden verpflichtet, ohne dass man ihnen Pausen oder arbeitsfreie Tage gewährte. Wenn sie ihren Arbeitgeber wechseln wollten, drohte ihnen Inhaftierung und Abschiebung.

Besonders schutzlos waren im Nahen Osten und Nordafrika Abertausende asiatischer Frauen, die als Hausangestellte arbeiteten. Sie litten unter Ausbeutung, wurden körperlich misshandelt und Opfer sexueller Gewalt, ohne sich rechtlich zur Wehr setzen zu können. In Saudi-Arabien schoben die Behörden massenhaft "überflüssige" Arbeitsmigranten in den Jemen und andere Länder ab, nachdem sie die Betroffenen zunächst unter extrem harten Bedingungen inhaftiert hatten. In Ländern wie Libyen, in denen Gesetzlosigkeit herrschte, wurden Arbeitsmigranten diskriminiert, misshandelt und an Kontrollpunkten, Straßensperren und auf offener Straße von Bewaffneten angegriffen und ausgeraubt.

Tausende Menschen, die zur Beute von Menschenhändlern und Schleppern geworden waren, bestiegen bei ihrem Versuch, andernorts ein neues Leben anzufangen, überfüllte und seeuntaugliche Boote, die sie über das Mittelmeer bringen sollten. Einige von ihnen schafften es bis nach Europa, andere wurden von der italienischen Marine aus dem Meer gerettet, mindestens 3000 Menschen sollen ertrunken sein.

Zwangsräumungen

In Ägypten kam es 2014 in Kairo und anderen Städten erneut zu rechtswidrigen Zwangsräumungen informeller Siedlungen, ohne dass man den Bewohnern dies rechtzeitig ankündigte, ihnen alternative Unterkünfte zur Verfügung stellte oder angemessene Entschädigungen zahlte. Teilweise waren Familien betroffen, die in Gegenden gelebt hatten, die offiziell als "unsicher" eingestuft worden waren. Ihre Häuser sollten abgerissen werden, um Einkaufszentren Platz zu machen. Die Armee räumte außerdem die Häuser von mindestens 1000 Familien, die entlang der Grenze zum Gazastreifen lebten, weil dort eine "Pufferzone" errichtet werden sollte. Auch die israelischen Behörden nahmen rechtswidrige Zwangsräumungen vor. Im Westjordanland und in Ost-Jerusalem zerstörten sie Häuser palästinensischer Familien als Strafmaßnahme dafür, dass ein Familienmitglied Angriffe auf israelische Zivilpersonen verübt hatte, und machten Dutzende Häuser von Palästinensern dem Erdboden gleich, die angeblich ohne Baugenehmigung errichtet worden waren. In Israel wurden Beduinen, die in "nicht anerkannten" Dörfern in der Naqab/Negev-Wüste lebten, Opfer rechtswidriger Zwangsräumungen.

Rechte von Frauen und Mädchen

Frauen und Mädchen wurden in den Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas weiterhin durch Gesetze und staatliche Maßnahmen diskriminiert und waren nur unzureichend gegen sexuelle und andere Formen von Gewalt geschützt. Ihre Benachteiligung war tief verwurzelt, und 2014 waren nur geringe Fortschritte zu erkennen. Nachdem Frauen drei Jahre zuvor bei den Volksaufständen in der arabischen Welt so präsent waren wie nie zuvor, schienen sie inzwischen zu den größten Verlierern des politischen Wandels zu gehören. In Ägypten griffen Männergruppen Frauen in den Straßen rund um den Kairoer Tahrir-Platz tätlich an und belästigten sie sexuell. Tunesien war die rühmliche Ausnahme: Dort wurden zwei Polizisten, die wegen Vergewaltigung für schuldig befunden worden waren, zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Die tunesische Regierung nahm ihre Vorbehalte gegen das UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zurück und beauftragte eine Expertenkommission damit, einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen auszuarbeiten. Auch in Algerien und Marokko waren einige wenige, wenngleich begrenzte, rechtliche Verbesserungen zu verzeichnen. Algerien erkannte endlich an, dass Frauen, die während des internen bewaffneten Konflikts in den 1990er Jahren vergewaltigt worden waren, ein Recht auf Entschädigung hatten. Marokko strich eine Bestimmung des Strafgesetzbuchs, wonach ein Vergewaltiger straffrei ausging, wenn er sein Opfer heiratete.

In der Golfregion wiesen sowohl der Iran als auch Saudi-Arabien, die in politischen und religiösen Fragen sonst so verfeindet waren, eine erschütternde Bilanz auf, was Frauenrechte betraf. Im Iran befanden sich zahlreiche Frauenrechtlerinnen im Gefängnis, die in den vergangenen Jahren inhaftiert und verurteilt worden waren. Im Juni 2014 nahmen die iranischen Behörden Frauen und Mädchen fest, die friedlich dagegen protestiert hatten, dass sie nicht einmal als Zuschauerinnen in Sportstadien gelassen wurden. In Saudi-Arabien wurden Frauen eingeschüchtert und inhaftiert, die es gewagt hatten, sich dem offiziellen Fahrverbot für Frauen zu widersetzen. In beiden Ländern setzten die Behörden strenge Kleiderordnungen und Verhaltensregeln für Frauen rigoros durch. Sowohl im Iran als auch in Saudi-Arabien stand auf Ehebruch weiterhin die Todesstrafe. Im Jemen wurden Frauen und Mädchen weiterhin Opfer von Zwangsverheiratung, dabei waren die Mädchen häufig noch sehr jung. In einigen Provinzen war weibliche Genitalverstümmelung sehr weit verbreitet.

Frauen und Mädchen waren zwar in allen Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas von sexueller und häuslicher Gewalt bedroht und wurden von den Regierungen nicht ausreichend geschützt, die Exzesse des IS im Irak stellten jedoch einen neuen Tiefpunkt dar. Dort wurden vermutlich Tausende von Frauen und Mädchen, die ethnischen oder religiösen Minderheiten angehörten, verschleppt und als "Ehefrauen" oder Sklavinnen an Kämpfer des IS und anderer bewaffneter Gruppen verkauft, ohne dass diese Gräueltaten von führenden Geistlichen ausdrücklich verurteilt worden wären.

Das Jahr 2014 brachte entsetzliches Leid über weite Teile des Nahen Ostens und Nordafrikas. Die Welt wurde Zeuge von Gewaltexzessen, die zu den schlimmsten in der jüngeren Geschichte zählen, und eine Verbesserung der Lage war Ende des Jahres nicht in Sicht. Inmitten all der Gräuel gab es jedoch vor Ort auch immer wieder engagierte Bürger jedweder politischer Couleur, die nicht aufhörten, die Mächtigen mit der Wahrheit zu konfrontieren, der Tyrannei zu trotzen und denen beizustehen, die hilflos und verwundet waren. Dabei kämpften sie nicht nur für ihre eigenen Rechte, sondern auch für die Rechte anderer und bezahlten dafür oft einen sehr hohen Preis. Die Furchtlosigkeit dieser Menschen, die man mit Fug und Recht als Menschenrechtsverteidiger bezeichnen kann, war ebenfalls kennzeichnend für das Jahr 2014. Diese Menschen setzten ein beeindruckendes und bleibendes Zeichen, das am ehesten Hoffnung bietet für die Zukunft der Menschenrechte in der Region.

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