Aktuell 15. April 2010

Europa darf sich nicht auf "diplomatische Zusicherungen" verlassen

12. April 2010 - Die europäischen Staaten dürfen sich nicht auf "diplomatische Zusicherungen" von Staaten verlassen, in denen nachweislich gefoltert wird. In einem am 12. April 2010 veröffentlichten Bericht fordert Amnesty International die Regierungen europäischer Staaten dazu auf, diese Praxis ein für alle Mal zu beenden.

In dem Bericht "Dangerous Deals: Europe’s Reliance on 'Diplomatic Assurances’ against Torture" dokumentiert Amnesty, wie europäische Regierungen versuchen, Ausländer, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit gelten, in Länder abzuschieben, in denen ihnen Folter oder andere Misshandlungen drohen. Diese Praxis stützt sich auf unbelastbare, nicht durchsetzbare "diplomatische Zusicherungen" der Staaten, die betreffenden Personen nach ihrer Rückführung menschenwürdig zu behandeln.

"Man kann sich auf Zusicherungen von Staaten, die regelmäßig Menschenrechte verletzen, einfach nicht verlassen. Europäische Regierungen, die diesen leeren Versprechen Glauben schenken, unterlaufen das absolute Folterverbot", erklärt Julia Hall, Amnesty-Expertin für Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte in Europa. "Der beste Weg, um Folter vorzubeugen, ist, die Abschiebung von Menschen in jene Länder zu verweigern."

Anhand von Analysen und Untersuchungen macht der der Bericht deutlich, wie "diplomatische Zusicherungen" das absolute Folterverbot verletzen, und dass die Mängel der Zusicherungen dazu geführt haben, dass einige Menschen nach ihrer Abschiebung gefoltert und misshandelt wurden.

Der Bericht beinhaltet Untersuchungen aus Ländern, wie Österreich, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Dänemark, Frankreich, Italien, Russland, der Slowakei, Spanien, Schweden, Großbritannien und Deutschland.

Seit dem 11. September 2001 hat die Verwendung "diplomatischer Zusicherungen" gegen Folter erheblich zugenommen. Einige Staaten haben dieses Vorgehen inzwischen fest in ihrer Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis verankert.

Sami Ben Khemais Essid wurde im Juni 2008 aus Italien nach Tunesien abgeschoben. Entgegen aller Zusagen tunesischer Behörden, ihm keine Gewalt anzutun, erhob Sami Ben acht Monate nach seiner Abschiebung Foltervorwürfe gegen das tunesische Innenministerium. Er gibt an, während eines Verhörs gefoltert worden zu sein. Von ähnlichen Menschenrechtsverletzungen berichten auch Menschen, die in andere Länder abgeschoben wurden, zum Beispiel nach Ägypten und Russland.

In Großbritannien verhandelt die Widerspruchsinstanz für Einwanderungsangelegenheiten (Special Immigration Appeals Commission - SIAC) in dieser Woche über den Fall eines äthiopischen Staatsangehörigen, dem die Abschiebung droht. Die britischen Behörden rechtfertigen die Abschiebung mit einem "Memorandum of Understanding" zwischen Großbritannien und Äthiopien, das angeblich sicherstellen soll, dass dem Mann in Äthiopien weder Misshandlung noch Folter drohen.

Auch Deutschland benutzt zur Begründung von Abschiebungen diplomatische Zusicherungen. Die Verwendung von diplomatische Zusicherungen wurde inzwischen in den Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz verankert.
Dänemark und Schweden erklärten, dass sie auch in Zukunft nicht auf "diplomatische Zusicherungen" verzichten wollen.

"Europäische Regierungen müssen sich wieder auf den fundamentalen Schutz der Menschenrechte besinnen. Das bedeutet, Menschen – gemäß internationaler Verpflichtungen – vor Missbrauch zu schützen. "Diplomatische Zusicherungen" bieten diesen Schutz nicht. Die europäischen Staaten dürfen sich nicht mehr auf sie verlassen", sagt Julia Hall.

Lesen Sie hier den vollständigen Bericht (Englisch, PDF):
"Dangerous Deals: Europe’s Reliance on 'Diplomatic Assurances’ against Torture"

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