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Kriegsdienstverweigerer immer noch in Haft
Am 21. Januar 2010 fand vor einem Militärgericht eine Anhörung des Kriegsdienstverweigerers Enver Aydemir statt. Das Verfahren gegen ihn wird nun vor einer höheren Instanz fortgeführt. Derzeit befindet er sich in einem Militärgefängnis unrechtmäßig in Haft.
Appell an
VERTEIDIGUNGSMINISTER
Vecdi Gönül, Minister of National Defence
Milli Savunma Bakanligi, 06100 Ankara,
TÜRKEI
(korrekte Anrede: Dear Minister)
Fax: (00 90) 312 418 4737
E-Mail: info@msb.gov.tr
LEITER DES MILITÄRGEFÄNGNISSES ESKIŞEHIR
Commander
Eskişehir Military Prison
- Taktik Hava Kuvvetleri
Komutanligi, Askeri Cezaevi
Eskişehir, TÜRKEI
(korrekte Anrede: Dear Commander)
Fax: (00 90) 222 237 5928
Sende eine Kopie an
MENSCHENRECHTSKOMMISSION DES PARLAMENTS
Mehmet Zafer Üskül, Commission Chairperson
TBMM Insan Haklarini Inceleme Komisyonu
Bakanliklar, 06543 Ankara, TÜRKEI
(korrekte Anrede: Dear Mr. Üskül)
Fax: (00 90) 312 420 53 94
E-Mail: inshkkom@tbmm.gov.tr
BOTSCHAFT DER TÜRKEI
S. E. Herrn Ali Ahmet Acet
Rungestraße 9, 10179 Berlin
Fax: 030-2759 0915
E-Mail: info@tuerkischebotschaft.de
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 8. März 2010 keine Appelle mehr zu verschicken.
Amnesty fordert:
SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE
-
Fordern Sie die türkischen Behörden auf, Enver Aydemir umgehend und bedingungslos freizulassen.
-
Verlangen Sie, dass Enver Aydemir vor Folter oder Misshandlung geschützt, von einem unabhängigen Arzt untersucht und angemessen medizinisch versorgt wird.
-
Erinnern Sie die Behörden daran, dass die Türkei als Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte die Verpflichtung eingegangen ist, das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen anzuerkennen.
- Ihre Sorge über die Strafverfolgung von 19 UnterstützerInnen von Enver Aydemir zum Ausdruck bringen, da eine solche Maßnahme gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung verstößt.
Sachlage
Der Rechtsanwalt von Enver Aydemir berichtete Amnesty, am 21. Januar habe gegen seinen Mandanten ein Verfahren wegen "wiederholter Befehlsverweigerung" stattgefunden. Das Gericht habe sich aber wegen der Schwere der Anschuldigungen für nicht zuständig erklärt und den Fall an ein höherinstanzliches Militärgericht verwiesen, an dem nicht ein Einzelrichter, sondern ein Richterkollegium über das Urteil entscheidet. Das Datum der Anhörung ist noch nicht bekannt.
Da sich Enver Aydemir weigerte, Militäruniform zu tragen, durfte er an der Anhörung nicht persönlich teilnehmen. Gegenüber seinem Rechtsanwalt bekräftigte er seine Absicht, auch in der Haft militärischen Befehlen nicht Folge leisten zu wollen.
Am 6. Januar wurden bei einer Solidaritätsveranstaltung für Enver Aydemir in der türkischen Hauptstadt Ankara 23 Menschen festgenommen. Nach Auskunft ihres Rechtsanwalts ist gegen 19 von ihnen nach Artikel 318 und 215 des Strafgesetzbuchs Anklage erhoben worden. Artikel 318 stellt es unter Strafe, "die Gefühle der Bevölkerung gegenüber dem Militärdienst negativ zu beeinflussen". Artikel 215 verbietet "das Loben einer Straftat oder eines Straftäters".
Hintergrundinformation
Die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist in der Türkei rechtlich nicht anerkannt, und es gibt keinen alternativen Zivildienst für Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen. Sie müssen für gewöhnlich mit Strafverfolgungsmaßnahmen rechnen, und ihnen drohen bis zu drei Jahre Gefängnis. Nach Verbüßen ihrer Haftstrafe erhalten sie oft neue Einberufungsbefehle, und die Prozedur wiederholt sich ein weiteres Mal. Die Türkei hat eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2006 bislang nicht umgesetzt. In dem Richterspruch wird das Land zu einer Gesetzeskorrektur aufgefordert, um die wiederholte Strafverfolgung von Kriegsdienstverweigerern und die mehrfache Verhängung von Schuldsprüchen zukünftig zu verhindern. Ein solches Vorgehen befand das Gericht als unvereinbar mit dem in Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Verbot unmenschlicher Behandlung.
Enver Aydemir hat die Ableistung des Militärdienstes im Jahr 2007 verweigert. Am 24. Juli 2007 wurde er gegen seinen Willen zur Übungsbrigade der Gendarmerie von Bilecik gebracht, um den Militärdienst anzutreten. Eine Woche später brachte man ihn ins Militärgefängnis von Eskisehir. Am 4. Oktober 2007 wurde Enver Aydemir wegen seiner Weigerung, den Militärdienst anzutreten, vor ein Militärgericht gestellt. Das Gericht ordnete seine Freilassung an, knüpfte sie jedoch an die Bedingung, dass sich Enver Aydemir unverzüglich bei den Militärbehörden meldet, um seinen Dienst anzutreten. Nach seiner Haftentlassung bekräftigte Enver Aydemir erneut, dass er aufgrund seiner religiösen Überzeugung den Militärdienst nicht antreten werde. Da er sich auch bei seiner Einheit nicht meldete, wurde ein Haftbefehl gegen ihn erlassen.
Für Amnesty International ist ein Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen jemand, der aus Gründen seines Gewissens oder seiner tiefen Überzeugung den Dienst in den Streitkräften oder eine andere direkte oder indirekte Beteiligung an Kriegen oder bewaffneten Konflikten ablehnt. Dazu können auch Personen gehören, die die Teilnahme an einem Krieg ablehnen, weil sie dessen Ziele oder die Art und Weise, wie er geführt wird, ablehnen, auch wenn sie sich nicht allgemein gegen die Beteiligung an Kriegen aussprechen. Wenn solch eine Person allein aus dem Grund festgenommen oder inhaftiert wird, weil man ihr das Recht auf die Stellung eines Antrags auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen oder auf Ableisten eines ebenbürtigen alternativen Zivildienstes verwehrt oder vorenthalten hat, so ist diese Person als gewaltloser politischer Gefangener zu betrachten. Ebenfalls als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen betrachtet Amnesty International Personen, die aus Gewissensgründen die Streitkräfte ohne Erlaubnis verlassen haben und deswegen inhaftiert wurden, obwohl sie angemessene Maßnahmen ergriffen hatten, ihre Entlassung aus dem Militärdienst zu erwirken.
Das Recht, die Ableistung des Militärdienstes aus Gewissensgründen zu verweigern, leitet sich aus dem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit ab, welches in einer Reihe von internationalen Menschenrechtsabkommen verankert ist, unter anderem in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Die Türkei ist Vertragsstaat dieses Pakts.
Die UN-Menschenrechtskommission hat bereits 1995 in ihrer Resolution 1998/77 deutlich gemacht, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung durch Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte geschützt ist. In der Resolution heißt es: "(Die Menschenrechtskommission) macht auf das Recht eines jeden Menschen aufmerksam, im Rahmen der legitimen Ausübung des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, wie es in Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie in Artikel 18 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte niedergelegt ist, aus Gewissensgründen den Militärdienst zu verweigern." In der Resolution werden die Staaten daran erinnert, "für Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen verschiedene Formen des Ersatzdienstes vorzusehen, die mit den Gründen für die Militärdienstverweigerung vereinbar sind, als Dienst ohne Waffe oder als Zivildienst abgeleistet werden, im öffentlichen Interesse liegen und keinen Strafcharakter aufweisen". In der Resolution heißt es weiter, "dass die Staaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen sollen, um Militärdienstverweigerer aus Gewissensgründen nicht auf Grund des Nichtableistens des Militärdienstes der Freiheitsentziehung und wiederholter Bestrafung zu unterwerfen". Und schließlich wird daran erinnert, "dass niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht des jeweiligen Landes rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, zur Rechenschaft gezogen oder erneut bestraft werden darf".
Am 3. November 2006 hat der UN-Menschenrechtsausschuss im Fall von zwei Kriegsdienstverweigerern aus der Republik Korea in einem Urteil festgehalten, dass mit ihrer strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung wegen Nichtableistung des obligatorischen Militärdienstes gegen Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verstoßen worden ist, da Korea keine zivile Alternative zum Dienst an der Waffe anbietet.