Amnesty Journal 03. April 2009

Nachrichten

Todesstrafe

Im vergangenen Jahr wurden weltweit mindestens 2.390 Menschen hingerichtet und mindestens 8.864 Menschen in 52 Staaten zum Tode verurteilt. Dies geht aus der aktuellen Todesstrafen-Statistik für 2008 hervor, die Amnesty International Ende März veröffentlichte. Wie im Jahr zuvor sind China, Iran, Saudi-Arabien, Pakistan und die USA diejenigen Staaten, in denen die meisten Todesurteile vollstreckt wurden. Sie sind für 93 Prozent aller Hinrichtungen weltweit verantwortlich. Trauriger Spitzenreiter ist erneut China mit mindestens 1.718 Exekutionen. In China sind Hinrichtungen weiterhin Staatsgeheimnis. Amnesty geht davon aus, dass dort tatsächlich mehrere tausend Menschen hingerichtet wurden. Weltweit gibt es jedoch einen anhaltenden Trend zur Abschaffung der Todesstrafe: 138 Länder haben sie mittlerweile im Gesetz oder in der Praxis abgeschafft, das sind zwei Drittel aller Staaten. In 59 Ländern wird sie nach wie vor angewendet. Amnesty International fordert von diesen Staaten einen sofortigen Hinrichtungsstopp als ersten wichtigen Schritt zur weltweiten Abschaffung dieser Strafe. Weitere Informationen ­unter ­www.amnesty-todesstrafe.de

Afghanistan: Internationale Truppen stehen nicht über dem Gesetz

"Ich will Gerechtigkeit! Ich will, dass die internationale Gemeinschaft die Mörder meiner beiden Brüder fängt und bestraft!" Dies fordert ein Hinterbliebener der Brüder Abdul Habib und Mohammed Ali. Beide wurden Amnesty-Recherchen zufolge am 16. Januar 2008 bei einer Hausdurchsuchung in Kandahar durch internationale Truppen aus nächster Nähe und ohne Vorwarnung erschossen. Beide waren unbewaffnet. Bisher hat dafür niemand die Verantwortung übernommen. Ein im Februar 2009 veröffentlichter Amnesty-Bericht schildert die Umstände der Tötung der beiden Brüder.
Angesichts der geplanten Verlegung zusätzlicher internationaler Truppen nach Afghanistan forderte Amnesty International eine verstärkte juristische Aufarbeitung der Fälle ziviler Opfer bei Kampfhandlungen. "Die USA und ihre Verbündeten müssen sicherstellen, dass ihre Truppen die Sicherheit der Afghanen erhöhen, statt sie immer größeren Risiken auszusetzen", sagte die Afghanistan-Expertin von Amnesty International, Verena Harpe. Alle in Afghanistan eingesetzten Truppen müssten mehr tun, um zivile Opfer zu vermeiden. "Die Straflosigkeit für die Tötung unbewaffneter Zivilisten muss ein Ende haben. Die internationalen Truppen stehen nicht über dem Gesetz. Wir brauchen koordinierte und transparente Mechanismen zur Aufklärung der Fälle und für Entschädigungen, damit die Opfer und ihre Angehörigen zu ihrem Recht kommen", erklärte Harpe.
Im Jahr 2008 war die Zahl ziviler Opfer durch Operationen der internationalen und afghanischen Streitkräfte höher als je zuvor seit dem Sturz der Taliban im Dezember 2001. Angaben der Vereinten Nationen zufolge starben dabei im vergangenen Jahr 795 Zivilisten und damit 236 mehr als im Jahr zuvor.

Sudan: Haftbefehl gegen Sudans Präsidenten

Der 4. März 2009 war ein besonderer Tag für die internationale Strafgerichtsbarkeit und für die Menschen in der Krisenprovinz Darfur: Zum ersten Mal wurde mit dem sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir ein amtierendes Staatsoberhaupt wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag angeklagt. In Darfur sind in den letzten Jahren mehr als 300.000 Menschen getötet und Tausende von Frauen vergewaltigt worden. Millionen Menschen mussten in andere Teile des Sudans oder ins Ausland flüchten. Wegen dieser Verbrechen stellte der IStGH einen Haftbefehl gegen al-Bashir aus. "Das Recht ist hier eindeutig: Präsident al-Bashir muss in Den Haag erscheinen, um sich zu verteidigen. Wenn er sich weigert, müssen die sudanesischen Behörden ihn verhaften und sofort dem IStGH übergeben", sagte Leonie von Braun, Expertin für internationale Strafgerichtsbarkeit von Amnesty International. Falls der sudanesische Präsident sein Land verlassen sollte, haben die Regierungen aller Staaten die Pflicht, ihn festzunehmen und an den IStGH auszuliefern. Die Botschaft an Darfur und an die Welt sei eindeutig, so von Braun: "Wer schwerer Verbrechen dringend verdächtig ist, wird angeklagt, egal wie mächtig er oder sie ist. Niemand steht über dem Gesetz."

Gaza: Hinweise auf Kriegsverbrechen auf beiden Seiten

Die Welt schaute Anfang des Jahres auf den Gaza-Streifen während der israelischen Militäroperation "Gegossenes Blei". Der Gefechtslärm ist mittlerweile verklungen, doch Trümmer und Trauer sind geblieben. Und nach wie vor wurde niemand für Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zur Rechenschaft gezogen.
Ermittler von Amnesty International haben bei Recherchen vor Ort ernstzunehmende Hinweise gefunden, dass sowohl Israel als auch die Hamas und andere ­bewaffnete palästinensische Gruppen Kriegsverbrechen begangen haben. Bei der Offensive wurden rund 1.300 Palästinenser getötet – darunter viele Zivilisten. Amnesty dokumentierte Fälle, in denen die israelische Armee medizinischen Helfern den Zugang zu verletzten Zivilisten verwehrte und medizinisches Personal angriff. Mindestens drei israelische Zivilisten starben durch den Raketenbeschuss der Hamas. Deren Kämpfer führten während und nach der israelischen Militäroperation einen Feldzug gegen Personen durch, die der "Kollaboration" mit Israel verdächtigt wurden. Mehr als zwei Dutzend Männer wurden getötet, zahlreiche misshandelt und gefoltert. Amnesty International fordert eine unabhängige internationale Untersuchung aller Vorfälle, die auf Verletzungen des humanitären Völkerrechts hindeuten. Die für mögliche Kriegsverbrechen und schwere Verstöße gegen Menschenrechte Verantwortliche aller Konfliktparteien müssen strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Zudem muss ein UN-Waffenembargo gegen alle Konfliktparteien verhängt werden, da sie Teile ihrer Waffen und Muni­tion aus dem Ausland bezogen haben.

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