In der Grauzone
Protest gegen die Verhaftung des Schriftstellers Liu Xiaobo
© Mike Clarke/AFP/Getty Images
Auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert sich China als Land der unbegrenzten Buchtitel. Doch die Realität für politisch engagierte Schriftsteller und Journalisten sieht anders aus. Über den Alltag zwischen Zensur und Selbstzensur.
Gao Yu liebt Blumen und die zugelaufenen Katzen, die vor dem schmalen Wintergarten in der Sonne liegen. Sie liebt das frühmorgendliche Ritual, die Tiere zu füttern und die üppigen Pflanzen zu pflegen, die das Licht in ihrem Wohnzimmer dämpfen. Danach setzt sich die 65-Jährige an den Computer, um den Redaktionsschluss für den nächsten Artikel einhalten zu können.
Einst gehörte Gao zu den bekanntesten Journalistinnen in Peking. Neben dem überfüllten Bücherschrank zeigen Fotos aus den achtziger Jahren sie als strahlend schöne und selbstsichere Frau mit Funktionären und Schriftstellern. Über dem Fernseher hängt das Porträt ihres Mannes als junger Fliegeroffizier, ein Stück weiter ein Ölbild vom Pariser Eiffelturm.
Seitdem sie zwei Mal für insgesamt sieben Jahre wegen ihrer kritischen Artikel im Gefängnis saß, ist Gaos Gesundheit angeschlagen, sie hat Probleme mit dem Herzen. Trotzdem ist sie darauf angewiesen, weiterhin ihr Geld mit Kolumnen über politische Ereignisse aus der Vergangenheit und der Gegenwart Chinas zu verdienen. Eine Rente erhält sie nicht. "Wenn ich nicht schreibe, habe ich nichts", sagt sie. In ihrer Heimat darf sie allerdings nichts mehr veröffentlichen, seitdem die Kommunistische Partei (KP) und Armee die Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 auf dem Tiananmen-Platz brutal niederschlugen. Hohe Parteiführer bezeichneten Gaos politische Analysen und Interviews in der Pekinger Zeitschrift "Wirtschaftswoche" 1989 als "politische Plattform für Unruhe und Aufruhr".
Nun können ihre Texte nur noch in Hongkong und Taiwan erscheinen, außerdem auf einigen Webseiten im Internet. Für ihren Mut und ihre Beharrlichkeit hat sie mehrere internationale Auszeichnungen erhalten, darunter den "Goldenen Stift" des Weltverbandes der Verleger (WAN) und den UNESCO-Preis der Pressefreiheit. Sie hat gerade einen neuen Band über die Hintergründe der Ereignisse von 1989 geschrieben. "Aber kein Buchladen auf dem Festland kann es wagen, es zu verkaufen", sagt Gao.
Zensur und Schreibverbote gehören zum Alltag Chinas im Jahr 2009, dem Jahr des chinesischen Auftritts als Gastland der Frankfurter Buchmesse. Die Kommunistische Partei versucht, die Medien fest im Griff zu halten, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht immer zu erkennen ist: Bunt, vielfältig und modern wirkt das Angebot in vielen Buchläden und Zeitungskiosken. Neben Tausenden von Zeitschriften und Zeitungen werden alljährlich rund 300.000 Buchtitel in China publiziert. Auch im Internet, und sogar als "Mobiltelefon-Literatur", erscheinen täglich Tausende Erzählungen und Romane. Wie kann die Regierung es unter diesen Umständen schaffen, die schier unüberschaubare Zahl der Schriftsteller, Journalisten und Internet-Autoren zu kontrollieren? Was derzeit in China geschieht, scheint ebenso widersprüchlich wie verwirrend – und ist doch keinesfalls zufällig.
Die Journalistin Gao Yu gehört zu jenen, die sich nicht arrangieren. Viele Autoren und Verleger dagegen haben sich mit den Tabus der KP eingerichtet. Jeder weiß: Wer sich zu weit vorwagt, muss damit rechnen, in der eigenen Heimat das Recht auf Veröffentlichung zu verlieren, so wie Gao – oder, schlimmer noch, immer wieder unter Hausarrest gestellt und inhaftiert zu werden, wie der Schriftsteller Liu Xiaobo.
Liu, Präsident des unabhängigen PEN-Clubs von China, zählt zu den Verfassern des Reformappells "Charta 08", den mittlerweile Tausende Chinesen unterschrieben haben. In einer Dezembernacht 2008 holten Polizisten ihn aus seiner Wohnung und verschleppten ihn an einen unbekannten Ort. Dort musste er in einem Raum ohne Fenster leben. Nun droht ihm ein Prozess wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt". Die Präsidentin des parteinahen Nationalen Schriftstellerverbandes, Tie Ning, von ausländischen Journalisten nach seinem Schicksal befragt, erklärte knapp: Sie sei über den Fall nicht informiert.
Oberster Zensor
In einem mächtigen Neubau, dessen Architektur an eine Mischung aus gläsernem Bankhochhaus und Staatsanwaltschaft erinnert, mit hohem Fahnenmast und roter Staatsflagge, sitzt das Presse- und Verlagsamt (GAPP). Es ist eine jener Pekinger Behörden, die darüber wachen, dass Verbote und Tabus eingehalten werden. GAPP vergibt Buchlizenzen und ist zugleich oberster Zensor. Das heißt: Seine Funktionäre verbieten unerwünschte Titel entweder direkt, oder sie sorgen mit Andeutungen, Warnungen und Drohungen dafür, dass Verlage politisch anstößige Themen nicht in ihr Programm aufnehmen.
Zu den einflussreichen Männern der GAPP gehört Wu Shulin, ein Kader mit adrettem Borstenschnitt und randloser Brille. Er hat den Rang eines Vizeministers. Wu ist mitverantwortlich für den offiziellen Auftritt Chinas bei der Frankfurter Buchmesse im Oktober – zusammen mit Vertretern von einem knappen Dutzend weiteren Ministerien und Ämtern, darunter die Kontrollbehörde für Funk und Fernsehen (SARFT).
Die Abteilung innerhalb der GAPP, die entscheidet, welche Bücher genehm sind und welche nicht, nennt sich "Büro für Publikationsmanagement". Dort arbeiten nach Angaben von Wu nicht viel mehr als ein Dutzend Mitarbeiter. Diese vertrauen vor allem auf die Wirksamkeit der Selbstzensur. Im Gespräch mit einer Gruppe ausländischer Journalisten, die sich im Juni über die Vorbereitungen Chinas auf die Frankfurter Buchmesse informierten, formulierte es Wu so: Die Verlagshäuser müssten selbst entscheiden, ob ein Titel erscheinen dürfe. "Wenn die Herausgeber unsicher sind, ob der Inhalt rechtswidrig sein könnte, holen sie sich bei uns den Rat von Experten".
Zu beanstanden sind nach Ansicht der Zensoren von den jährlich 150.000 Neuerscheinungen "weniger als sechshundert". In der Regel gehe es dabei um "üble Kulte und Inhalte, die zur Untergrabung der nationalen Einheit Chinas führen oder zum Krieg aufhetzen", sagt Wu. Die vage Formulierung ist kein Zufall. Sie erlaubt es den Kulturwächtern, nach Gutdünken einzugreifen. "Übler Kult" steht für die seit 1999 verbotene Falun Gong-Bewegung. Hinter dem Stichwort "Untergrabung der nationalen Einheit" verbergen sich vielfältige Themen: der Ruf nach demokratischen Reformen und die Frage nach den Hintergründen des Tiananmen-Massakers, ebenso das Streben nach Unabhängigkeit in Taiwan, die Geschäfte und das Privatleben hoher chinesischer KP-Führer oder die Nationalitätenkonflikte in Tibet und Xinjiang.
Im Klartext: Die Grauzone ist gewaltig, die rote Linie der Verbote oft nur zu erahnen. Zuweilen lassen die GAPP-Kontrolleure heikle Sujets passieren und werden erst aktiv, wenn Bücher sich gut verkaufen oder eine lebhafte Diskussion im Internet auslösen. Das Risiko der Verlage, die Grenzen des Erlaubten zu überschreiten, ist groß: Sie müssen damit rechnen, dass ihre bereits gedruckten und ausgelieferten Exemplare nachträglich eingestampft werden. Eine Entschädigung bekommen sie nicht.
So erging es zum Beispiel dem Verlag der Provinz Hunan, der es 2006 gewagt hatte, ein Werk unter dem Titel "Vergangene Geschichten von Stars der Peking-Oper" herauszubringen. Das Buch war ein heimlicher Bestseller unter Lesern, die sich für das Schicksal von Künstlern in den Polit-Kampagnen seit den fünfziger Jahren in China interessierten. Anfang 2007 setzte GAPP-Funktionär Wu den Band mit den Erinnerungen an verfolgte Opernsänger auf eine Liste von acht verbotenen Büchern. Wie in solchen Fällen üblich, wurde die Autorin über die Entscheidung nicht offiziell informiert. Insider berichteten ihr später, Wu habe erklärt: von "dieser Person" dürfe nichts erscheinen.
Dokumente von Denunziation
In einem Café hinter dem Freundschaftsladen an der Pekinger Straße des Aufbaus des Landes zuckt "diese Person", die 67-jährige Zhang Yihe, nur mit den Schultern, wenn das Gespräch auf das Verbot ihrer Bücher kommt. Die Schriftstellerin ist eine ehemalige Peking-Oper-Forscherin. Sie hat bereits zehn Bände und zahlreiche Essays verfasst, die in Hongkong oder Taiwan herausgegeben wurden. Einige sind in andere Sprachen übersetzt worden. Ihr Buch "Vergangenes vergeht nicht wie Rauch" ist 2008 auch auf Deutsch im Verlag 2001 erschienen.
Zhang hat es sich zur Aufgabe gemacht, Lebensgeschichten zu dokumentieren, der Wahrheit wegen. Die Schriftstellerin erfuhr am eigenen Leib, wie wichtig das ist: Ihr Vater, einst Verkehrsminister, war in den fünfziger Jahren das erste prominente Opfer der "Kampagne gegen Rechtsabweichler". Sie selbst überlebte ihre zehnjährige Gefangenschaft nur knapp. Als sie 1979 frei kam, erklärten ihre Peiniger lapidar, alles sei nur ein Irrtum gewesen. "Gegen Zhang Yihe liegt nichts vor", hieß es. Der Vorwurf, sie sei eine "Konterrevolutionärin", sei falsch gewesen.
Zhang will bis an ihr Lebensende schreiben. An Material fehlt es nicht: Immer wieder kommen Menschen mit Tagebüchern und Akten zu ihr, die Erfahrungen von Familienangehörigen und Freunden beschreiben. Dabei stößt die Autorin auf Tragödien, die bis heute wirken. Erst kürzlich enthüllte sie in einem Artikel den Namen eines Mannes, der seinen besten Freund während der Kulturrevolution denunzierte und so ins Lager brachte. Das Opfer war ein bekannter Dichter. Der Denunziant, so stellte sich heraus, war ein hoch geachteter, inzwischen 96-jähriger Kalligraph. Zornige Landsleute warfen der Autorin daraufhin vor, "zu weit zu gehen". Diesen Vorwurf weist Zhang energisch zurück. Man dürfe vor der Realität nicht die Augen verschließen: "Es gibt in China immer noch so viele Informanten und Spitzel", sagt sie, "das ganze System beruht darauf".
Doch die Autorin weiß, dass auch sie Kompromisse machen muss: Ihr neues Buch will sie in diesem Jahr noch nicht veröffentlichen. Es sei besser, die Aufmerksamkeit der Behörden nicht immer auf sich zu lenken, sagt sie. Irgendwie finden die Werke, auch wenn sie in Taiwan oder Hongkong gedruckt werden, ihren Weg aufs Festland.
Für Kollegen, die sich ihre geistige Unabhängigkeit abkaufen lassen, hat Zhang wenig übrig. Vor 1949, sagt sie, waren die Schriftsteller das Gewissen der Nation und ihr moralischer Kompass. Jetzt sind es nicht mehr die Autoren, die das öffentliche Gewissen widerspiegeln, sondern Bürgerrechtsanwälte und eine Reihe von Jura-Professoren, die an vorderster Front stehen. Ihnen fühle sie sich mehr verbunden als "den Schriftstellern, die nur vom Geld reden", erklärt Zhang.
Die Pekinger Regierung lässt die Bürgerrechtler für ihre Kritik büßen: So wurde zum Beispiel die "Open Constitution Initiative" geschlossen, ein Zusammenschluss von rund 20 Juristen, die sich für Rechtsreformen einsetzten und Tibeter, Falun Gong-Anhänger sowie Beschwerdeführer verteidigten. Polizisten holten Ende Juli einen ihrer Gründer, den Anwalt Xu Zhiyong, gegen fünf Uhr früh aus seiner Wohnung und nahmen ihn fest. Zuvor hatten die Steuerbehörden eine hohe Geldstrafe wegen angeblicher Steuervergehen gegen die Gruppe verhängt. Mindestens 53 unbequeme Anwälte verloren in diesem Jahr ihre Lizenz.
»Harmonisierung« des Internets
Die politische Stimmung ist angespannt. Angesichts der Wirtschaftskrise und des in allen Teilen der Bevölkerung verbreiteten Unmuts über Korruption und Privilegien der Funktionäre beschwört die Regierung "Stabilität" und "Harmonie". Damit die nicht gestört werden, durchforsten und blockieren Pekings Sicherheitsbehörden mit technischen Filtern Webseiten, Blogs und E-Mails. Denn längst nutzen über 300 Millionen Chinesen das Internet. Für viele ist es zur alternativen Informationsquelle geworden. "Ich bin harmonisiert worden", sagen Autoren und Journalisten ironisch, wenn ihre Artikel oder Blogs zensiert oder ihre Webseiten geschlossen werden. Manche appellieren gar in ihren Beiträgen an die Zensoren: "Bitte nicht so schnell harmonisieren!"
Der Schriftsteller und Rennfahrer Han Han ist mit seinen bissigen Kommentaren einer der populärsten Blogger Chinas, über 200 Millionen Mal wurde seine Seite im vorigen Jahr angeklickt. Als Han Han im Februar 2009 nach dem von Funktionären verschuldeten Brand am neuen Pekinger Hauptquartier des Staatsfernsehens Hohn und Spott über die offizielle Medienpolitik ausgoss, löschte sein Literatur-Agent, Lu Jinbo, vorsichtshalber die Eintragungen nach kurzer Zeit. "Ich musste ihn schützen", sagt er – Selbstzensur im Internet.
Auf den Büchertischen der staatlichen Xinhua-Kette ("Neues China"), ebenso wie in privaten Buchgeschäften liegen die Memoiren erfolgreicher chinesischer und ausländischer Geschäftsleute wie Bill Gates und Politiker wie Barack Obama. Sehr gefragt sind Management- und Erziehungsratgeber, Liebes-, Kung-Fu- und Spionageromane, historische Erzählungen und Einführungen in die Werke von Konfuzius und anderer Klassiker.
Zu den Bestsellern zählt in diesen Tagen das Buch "China ist unglücklich". Seine fünf Autoren gehören zur wachsenden Gruppe nationalistischer Intellektueller. Sie träumen von einem mächtigen China, das "sich an die Spitze der Welt setzt" und den "Einfluss des Westens abschüttelt". Sie verspotten kritische Intellektuelle, die von Peking fordern, die Nationalitätenpolitik in Tibet und Xinjiang zu ändern, als "Masochisten". Das Buch gehe weg "wie warme Semmeln", rund 400 Exemplare verkaufe er in der Woche, sagt etwas peinlich berührt ein Verkäufer des privaten "O2-Sun"-Buchladens im schicken Pekinger Bezirk "Soho-Modern-City". Seine Kunden sind überwiegend junge Angestellte, Mitarbeiter von Software-Firmen, Banken oder selbstständige Geschäftsleute, die in dem kleinen Café des Ladens Pause machen und auf ihren Laptops E-Mails schreiben.
Der 26-jährige Guo Jingming ist ein Frühstarter auf Chinas Büchermarkt. Seitdem er 16 Jahre alt ist, schreibt er einen Bestseller nach dem anderen. Keiner wird weniger als eine Million Mal gedruckt, sagen seine Verleger stolz. Guos Bücher richten sich an Teenager, sie handeln von erster Liebe, Einsamkeit, Akne-Schmerzen und Schulproblemen. Die Zeitungen zeigten ihn im Cadillac, gelenkt von einem Chauffeur.
Den Vorwurf älterer Kollegen, selbstverliebt und selbstsüchtig zu sein und sich nicht um die großen sozialen Probleme des Landes zu kümmern, weist Guo gelassen zurück: "Unser Leben und unsere Erfahrungen unterscheiden sich grundlegend von denen unserer Eltern, und deshalb können wir auch nicht über dasselbe schreiben".
Nicht zu finden auf den Büchertischen und in den Regalen sind hingegen die meisten neueren Werke des 51-jährigen Yan Lianke. Kein Verlag wagt, sie zu drucken.
Zwei seiner Romane sind in deutscher Sprache erhältlich: "Dem Volke dienen" ist eine satirische Liebesgeschichte zwischen der jungen Ehefrau eines impotenten Generals und einem arglosen Bauernsoldaten. Im sexuellen Rausch zerschlägt das heimliche Liebespaar die im Haushalt reichlich vorhandenen Mao-Devotionalien. "Der Traum meines Großvaters" beruht auf einem Skandal in der Provinz Henan: Yan schildert die Geschichte eines Dorfes, dessen Familien ihr Blut verkaufen und sich dabei mit dem HIV-Virus infizieren. "Die Intellektuellen von heute dürfen über globale Katastrophen wie Aids nicht mehr schweigen", sagt der Autor, "wir haben eine Verantwortung, solche Probleme literarisch zu bearbeiten".
Von einigen seiner Werke kursieren Raubkopien, die den stets bescheiden auftretenden Yan populär, aber nicht wohlhabend gemacht haben, da er nichts von dem Geld sieht. Obwohl er einer der bedeutendsten chinesischen Gegenwartsautoren ist, gehört Yan Lianke nicht zur Schriftstellerdelegation für die Frankfurter Buchmesse, die offiziell von GAPP und dem amtlichen Nationalen Schriftstellerverband zusammengestellt wurde. "Ich nehme an, die Regierung vertraut mir nicht genug", sagt er und lächelt.
Von Jutta Lietsch.
Die Autorin arbeitet als Korrespondentin in China.
Infokasten: Verfolgte Autoren in China - Zwei Beispiele
Der chinesische Journalist Shi Tao verbüßt derzeit in China eine zehnjährige Freiheitsstrafe, weil er am 20. April 2004 eine E-Mail versandt hatte, in der er den Inhalt einer amtlichen Verlautbarung der Zentralen Propagandaabteilung zusammengefasst hatte. Diese war der Zeitung, für die Shi Tao arbeitete, mündlich übermittelt worden. Zum Versenden der E-Mail an den Herausgeber einer in den USA betriebenen Website der chinesischen Demokratiebewegung benutzte er seinen Yahoo!-Account. Aufgrund dieser E-Mail beschuldigten die chinesischen Behörden Shi Tao, "Staatsgeheimnisse illegal an ausländische Stellen weitergeleitet" zu haben. Am 27. April 2005 verurteilte ihn ein Gericht zu zehn Jahren Gefängnis.
Yang Tongyan aus Nanjing ist Schriftsteller, Mitglied des unabhängigen chinesischen PEN-Zentrums und ein scharfer Kritiker des politischen Systems in China. Dies hat ihn bereits zwölf Jahre Freiheit gekostet: Von 1990 bis 2000 saß er in Haft, weil er die blutige Niederschlagung der friedlichen Proteste auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens 1989 kritisiert hatte und angeblich eine demokratische Partei gründen wollte. Unter dem Verdacht der "Subversion" wurde er am 20. Januar 2006 erneut inhaftiert und wenige Monate später zu zwölf Jahren Haft verurteilt. In der Begründung heißt es unter anderem: "Der Angeklagte veröffentlichte zahlreiche Artikel auf ausländischen Internetseiten, in denen er die demokratische Diktatur des Volkes als 'diktatorisches Regime' bezeichnete und versuchte, die existierende staatliche Ordnung und das sozialistische System umzustürzen."
Sowohl für Shi Tao als auch für Yang Tongyan hat Amnesty International weltweite Eilaktionen durchgeführt.