Amnesty Journal 31. März 2010

Was vom Regenbogen bleibt

Ein Kind beobachtet ein Fußballtraining im südafrikanischen Prince Albert

Ein Kind beobachtet ein Fußballtraining im südafrikanischen Prince Albert

Die Geburt der Regenbogen-Nation Südafrika durch den Sport. Dieses Wunder feiert der neue Film von Clint Eastwood, "Invictus". Tatsächlich hatte Nelson Mandela – im Film gespielt von Morgan Freeman – als neugewählter Präsident den Rugby-Weltcup zu einer starken symbolischen Botschaft genutzt. Er verwandelte Rugby, den bei Schwarzen als Spiel der weißen Rassisten verhassten Sport, in ein Mittel der Versöhnung. Gegen eine starke Strömung in seiner eigenen Partei, dem ANC, setzte Mandela durch, dass das Nationalteam seinen aus Apartheidzeiten belasteten Namen behalten durfte. Er selbst trat beim Endspiel am 24. Juni 1995 sogar im Trikot der "Springboks" auf.

Von der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika, die im Juni beginnt, erwartet heute niemand mehr ein solches Wunder. Es ist auch nicht mehr nötig. Das Land droht nicht mehr an einem blutigen Konflikt zwischen nach Hautfarben sortierten Bevölkerungsgruppen zu zerbrechen. Seit der Entlassung von Mandela und vielen seiner Mitstreiter aus der Haft vor 20 Jahren hat Südafrika einen beindruckenden Weg zurückgelegt. Im Land hat sich eine stabile Demokratie etabliert und die Südafrikaner haben sich eine international beispielhafte Verfassung gegeben, die einen umfassenden Schutz der Menschenrechte vorsieht.

Doch wie sieht es heute in der Praxis aus? Welche Versprechen sind eingelöst, welche Hoffnungen enttäuscht? In einem Memorandum an die neue Regierung nennt Amnesty International drei Bereiche, in denen Verfassung und Wirklichkeit besonders weit auseinanderklaffen. Erstens sind es vor allem Frauen, die unter der Ausbreitung des HI-Virus leiden. Junge Frauen haben ein doppelt so hohes Risiko sich anzustecken wie gleichaltrige Männer. Ein Grund ist die hohe Vergewaltigungsrate.

Das ist kein medizinisches Problem, sondern ein gesellschaftliches. Die Politik muss konsequent gegen die weitverbreitete Gewalt gegen Frauen vorgehen und die Infizierten brauchen einen gleichberechtigten Zugang zu medizinischer Versorgung.
Zweitens fordert Amnesty die Regierung auf, die Rechte und das Leben von Flüchtlingen zu schützen. Der Präsident Jacob Zuma hat sich zwar deutlich gegen fremdenfeindliche Gewalt ausgesprochen, aber der Hass auf Flüchtlinge und Einwanderer aus anderen afrikanischen Staaten ist tief verwurzelt. Daher ist eine langfristig angelegte Gegenstrategie nötig.

Drittens besteht die Gefahr, dass im Kampf gegen die Kriminalität die in der Verfassung garantierten Menschenrechte wieder ausgehöhlt werden. Und damit sind wir wieder bei der Fußball-Weltmeisterschaft. In Europa sorgt man sich vor allem um die Sicherheit der Mannschaften und der angereisten Fans. Die Sorgen sind vermutlich unbegründet. Die südafrikanische Polizei betreibt einen immensen Aufwand, um die Kriminalität aus dem Umfeld der Stadien zu verdrängen. Mit welchen zweifelhaften Mitteln sie dabei zum Teil kämpft und welche Versuche es gibt, langfristig Sicherheit zu schaffen, ohne die Polizei zur Bedrohung für arme Südafrikaner werden zu lassen, auch darum geht es auf den nächsten Seiten.

Ferdinand Muggenthaler ist Redakteur des Amnesty Journals.

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