Pressemitteilung Kolumbien 22. November 2017

Kolumbien: Ein Jahr nach dem Friedensabkommen leidet Landbevölkerung unter zunehmender Gewalt

Indigene und afrokolumbianische Gemeinden sowie Menschenrechtsverteidiger sind ein Jahr nach dem Friedensabkommen weiter Einschüchterung, Überfällen und Morden ausgesetzt.

BERLIN, 22.11.2017 – Ein Jahr nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerilla (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia) leidet die Bevölkerung in einigen Gebieten unter zunehmender Gewalt. In den von den FARC verlassenen Gebieten kämpfen andere Guerilla-Gruppen und Paramilitärs um die Vorherrschaft. Die eskalierende Gewalt richtet sich insbesondere gegen indigene und afrokolumbianische Gemeinden sowie gegen Menschenrechtsverteidiger. Dies dokumentiert der am Mittwoch veröffentlichte Amnesty-Bericht "The years of solitude continue – The peace agreement and guarantees for non-repetition in the Department of Chocó" am Beispiel der Region Chocó im Westen Kolumbiens.



"Der Staat hat die Menschen in den Gebieten, aus denen sich die FARC im Rahmen des Friedensprozesses zurückgezogen haben, schutzlos paramilitärischen Gruppierungen und anderen bewaffneten Gruppen überlassen, die mit Vertreibungen, Entführungen und Morden die Bevölkerung in diesen Regionen weiter drangsalieren", sagt Markus N. Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, bei der Pressekonferenz zur Veröffentlichung des Berichts in Bogotá. "In einigen Landesteilen wie der Region Chocó sind Behörden und staatliche Sicherheitskräfte praktisch nicht präsent."



Wer Verstöße anzeigt oder Rechte geltend macht, wird bedroht und getötet. Nach Angaben des Büros des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Kolumbien wurden im Jahr 2017 bisher 92 Menschenrechtsverteidiger ermordet. Kinder und Jugendliche werden weiter von bewaffneten Gruppen rekrutiert und auch sexualisierte Gewalt ist nach wie vor weit verbreitet. "Die Regierung unter Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos ist gefordert, die im Friedensabkommen zugesagten Landrückgaben, Entschädigungen und insbesondere den Schutz der Betroffenen umzusetzen. Hier muss der Staat Präsenz zeigen und konsequente Maßnahmen einleiten", so Beeko. "Vor allem muss die Regierung endlich offiziell anerkennen, dass neben bewaffneten Gruppen wie dem ELN (Ejército de Liberación Nacional) nun wieder vermehrt paramilitärische Gruppen in vielen Regionen Morde und Entführungen begehen. Dementsprechend muss sie handeln und die für den Schutz bedrohter Zivilisten eingerichtete Nationale Schutzstelle massiv verstärken. Wirksame Schutzkonzepte sollten zusammen mit den bedrohten Dorfgemeinschaften entwickelt und umgesetzt werden."



Das am 24. November 2016 unterzeichnete Friedensabkommen sollte den 50 Jahre währenden bewaffneten Konflikt beenden, in dessen Verlauf über 220.000 Menschen getötet und mehr als sieben Millionen vertrieben wurden.

Den etwa 40-seitigen englischsprachigen Bericht sowie Hintergrundzahlen zum Konflikt finden Sie unter http://bit.ly/AmnestyKolumbien

 

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