Aktuell Deutschland 02. September 2016

Privatsphäre ist ein Menschenrecht

Privatsphäre ist ein Menschenrecht

Szene aus Laura Poitras' Dokumentarfilm "Citizenfour" über die Massenüberwachung durch Geheimdienste, aufgedeckt von Edward Snowden

02. September 2016 - Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll endlich eine umfassendere Rechtsgrundlage bekommen. Stellenweise liest sich der Gesetzentwurf jedoch wie eine "BND-Wunschliste". Die Anlässe für die Überwachung reiner Auslandskommunikation sind so unklar und weit formuliert, dass dem BND nahezu alles erlaubt scheint.

Die deutsche Bundesregierung will den Bundesnachrichtendienst (BND) reformieren – und das ist gut so. In der Vergangenheit hat der Geheimdienst Telefonate, SMS und E-Mails im Ausland nahezu schrankenlos überwacht. Er hat Menschenrechtsorganisationen, Journalistinnen und Journalisten, Diplomatinnen und Diplomaten, EU-Institutionen und die UN ausspioniert – oft in Kooperation mit der NSA.

Allerdings sollen die fragwürdigen und rechtswidrigen Praktiken des BND mit der Reform nicht etwa komplett eingestellt werden. Im Gegenteil: Der von CDU und SPD eingebrachte Gesetzentwurf sieht vor, die menschenrechtswidrige und massenhafte Überwachung im Nachhinein gesetzlich zu legitimieren.

Das neue BND-Gesetz schafft in Wirklichkeit eine Drei-Klassen-Gesellschaft. Ein BND-Mitarbeiter beschreibt die bisherige Praxis so: "So lange kein Grundrechtsträger betroffen ist, sind die [Telefonate, E-Mails etc.] zum Abschuss freigegeben." Auch nach dem neuen Gesetz sollen Bürgerinnen und Bürger aus Ländern außerhalb der EU nicht als Grundrechtsträgerinnen und -träger gelten. Sie können deshalb schon mit sehr vagen Begründungen massenhaft überwacht werden, auch wenn es keinerlei Verdacht gegen sie gibt. Das wird durch Gummiparagraphen im Gesetzestext ermöglicht.

So gilt eine Überwachungsmaßnahme als gerechtfertigt, wenn damit die "Handlungsfähigkeit" Deutschlands gewahrt wird oder "sonstige Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung" gewonnen werden können. Auch Journalistinnen und Journalisten oder Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten im EU-Ausland können somit problemlos überwacht werden. Wenn der BND sie direkt im Ausland überwacht, braucht es dafür sogar überhaupt keine Begründung mehr.

Hochrangige Verfassungsrechtler halten die Drei-Klassen-Gesellschaft für diskriminierend und verfassungswidrig. Hinzu kommt, dass es technisch oft gar nicht möglich ist, Datenströme anhand der Staatsbürgerschaft ihrer Urheberinnen und Urheber zu unterscheiden. In der Praxis sind deshalb auch Deutsche und EU-Bürgerinnern und -Bürger in Gefahr, menschenrechtswidrig ausspioniert zu werden.

Das neue BND-Gesetz muss menschenrechtlichen Standards genügen und seine Anwendung durch eine unabhängige Kontrolle überprüft werden. Statt zur Massenüberwachung sollten die Mittel des BND lieber dort eingesetzt werden, wo sie wirklich gebraucht werden: Alle Überwachungsmaßnahmen müssen verhältnismäßig und notwendig sein, um ein legitimes Ziel zu erreichen, wie zum Beispiel die Abwehr eines Verbrechens. Nur so kann der Schutz der Privatsphäre weltweit gewährleistet werden.

Setzen Sie sich für das Recht auf Privatsphäre ein und fordern Sie die Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf, das BND-Gesetz so zu überarbeiten, dass es nicht zu Missbrauch und anlassloser Überwachung kommt!

Hier geht es zur Online-Petition – jetzt mitmachen!

Unterstützen Sie auch die Petition von Reporter ohne Grenzen, um ausländische Journalistinnen und Journalisten vor Überwachung durch den BND zu schützen.

Weitere Informationen zum Thema "Massenüberwachung und Meinungsfreiheit" finden Sie auf http://www.amnesty.de/privatsphaere

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