Aktuell Bahrain 17. April 2012

Bahrain: Folter und Gewalt gegen Protestierende

Vor Formel-1-Rennen: Reformen bisher nur oberflächlich
Gewalt gegen Protestierende gehört immer noch zum Alltag in Bahrain

Gewalt gegen Protestierende gehört immer noch zum Alltag in Bahrain

17. April 2012 - Die Menschenrechtskrise in Bahrain ist noch lange nicht vorbei. Trotz gegenteiliger Beteuerungen der Behörden geht die staatliche Unterdrückung der Opposition und die Repression gegen friedliche KritikerInnen der Regierung seit den Aufständen im Februar und März 2011 unvermindert weiter. In dem neuen Bericht "Flawed Reforms: Bahrain fails to achieve justice for protesters" dokumentiert Amnesty International, dass Folter und exzessive Gewalt gegen Protestierende immer noch zum Alltag in Bahrain gehören. Die von der Regierung angekündigten Reformen sind bislang unzureichend und oberflächlich.

Im Februar und März 2011 waren Zehntausende bahrainische Staatsangehörige auf die Straße gegangen, um nach dem Vorbild der Volksbewegungen in Tunesien, Ägypten und anderen Ländern der Region für politische Reformen und ein Ende der Diskriminierung der schiitischen Mehrheit im Land zu demonstrieren. Die Regierung antwortete mit äußerster Härte. Sicherheitskräfte und Polizei zielten mit scharfer Munition auf Demonstrierende und setzten Tränengas ein, oft mit tödlichen Folgen. Hunderte Aktivisten, Oppositionsführer, Angehörige des medizinischen Personals, Lehrer, Journalisten und Studenten kamen in Haft und wurden in unfairen Prozessen vor Militärgerichten zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt. Es gab zahlreiche Berichte über Folter und Misshandlungen, denen jedoch nicht nachgegangen wurde.

Im November 2011 legte die von König Hamad bin ’Issa Al-Khalifa eingesetzte unabhängige Kommission zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen (Bahrain Independent Commission of Inquiry – BICI) ihren Abschlussbericht vor. Darin bestätigte die Kommission, dass es bei der blutigen Niederschlagung der regierungskritischen Demonstrationen zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte und die Polizei gekommen war, die mit brutaler Gewalt gegen die Protestierenden vorgegangen waren. Allein bei den Protesten im Februar / März 2011 wurden mindestens 35 Menschen getötet, darunter auch fünf Angehörige der Sicherheitskräfte. Bis heute wurden mindestens 60 Menschen im Zuge der gewaltsamen Niederschlagung von Demonstrationen und Protesten getötet. Folter und Misshandlungen in der Haft waren an der Tagesordnung. Mindestens fünf Personen starben im Gewahrsam an den Folgen der Folter.

Straffreiheit für die Verantwortlichen

Die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen gingen überwiegend straffrei aus. Keine höherrangigen Angehörigen der Sicherheitskräfte, darunter der nationale Sicherheitsdienst, wurden zur Rechenschaft gezogen. Berichten zufolge sollen einige Angehörige der Sicherheitskräfte, denen vorgeworfen wird, für Folter und Misshandlungen im vergangenen Jahr verantwortlich zu sein, weiterhin in ihren Positionen zu arbeiten, ohne dass Ermittlungen gegen sie eingeleitet wurden. Gegen acht Polizisten, darunter zwei bahrainische und sechs ausländische Staatsangehörige, wurde im Zusammenhang mit Todesfällen von Protestierenden Anklage erhoben. Die Polizisten wurden jedoch Berichten zufolge nicht vom Dienst suspendiert.

Oberflächliche Reformen

Die bahrainische Regierung erklärte wiederholt ihre Absicht, Reformen auf den Weg zu bringen und Lehren aus den Ereignissen des Jahres 2011 zu ziehen. Doch bislang hat die Regierung Bahrains auch auf die Empfehlungen der unabhängigen Untersuchungskommission (BICI) lediglich mit halbherzigen Reformen reagiert. Die Opfer der staatlichen Übergriffe warten bis heute darauf, dass die Regierung Verantwortung übernimmt und ihnen Gerechtigkeit wiederfahren lässt.

So versprach die Regierung, Angehörige der Sicherheitskräfte für Verletzungen der Menschenrechte zur Verantwortung zu ziehen und richtete hierfür ein spezielles Büro ein. Nach Einschätzung von Amnesty International fehlt dieser neuen Einrichtung jedoch die notwendige Unabhängigkeit und Unparteilichkeit für die Aufarbeitung der Übergriffe während der Proteste. Auch sind nach wie vor Dutzende von Gefangenen in Haft, die friedlich von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit Gebrauch gemacht hatten und von Militärgerichten zu hohen Haftstrafen verurteilt worden waren, weil sie politische Reformen gefordert hatten. Auch im Bereich der Beendigung der Diskriminierung der schiitischen Bevölkerungsmehrheit in Bahrain sind bislang keine Fortschritte erzielt worden.

Unterdessen bemühen sich die bahrainischen Behörden um die Verbesserung ihres Ansehens und versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass Bahrain ein sicheres Land sei. Die kürzlich beschlossene Austragung des Formel 1-Grand Prix in Bahrain vom 20. bis 22. April 2012 signalisiert darüber hinaus der Weltöffentlichkeit den Trugschluss einer Rückkehr Bahrains zur Normalität. "Die internationale Gemeinschaft darf jedoch nicht die Augen vor der immer noch andauernden Menschenrechtskrise in Bahrain verschließen. Das Land hat noch einen weiten Weg vor sich und die Anzeichen für eine Verbesserung der Menschenrechtsbilanz sind nicht gerade ermutigend," mahnte Regina Spöttl, Bahrain-Expertin von Amnesty International. "Die halbherzigen und schleppenden Maßnahmen der Regierung zur Umsetzung des BICI-Berichtes reichen bei Weitem nicht aus, um die Lage der Menschenrechte im Land auf Dauer zu verbessern. Es ist höchste Zeit, dass die Regierung Bahrains Verantwortung für die staatlichen Übergriffe während der Demonstrationen übernimmt, Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen nachgeht, die Täter zur Rechenschaft zieht und die längst fälligen politischen Reformen mit Nachdruck einleitet."

Lesen Sie hier den Amnesty-Bericht "Flawed Reforms: Bahrain fails to achieve justice for protesters" in englischer Sprache (PDF)

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Sonderseite "Der Arabische Frühling darf nicht verblühen"

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