Amnesty Report Ungarn 23. Mai 2013

Ungarn 2013

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Ungarn Staatsoberhaupt: János Áder (löste im Mai Pál Schmitt im Amt ab) Regierungschef: Viktor Orbán

Im Berichtsjahr trat eine neue Verfassung in Kraft, von der manche befürchteten, dass sie zu Diskriminierungen führen könnte. Es wurden zahlreiche Vorfälle gemeldet, bei denen rechtsextreme Gruppen Roma schikanierten und einschüchterten. Die Gesetze, auf deren Basis die Medien einer politischen Kontrolle unterworfen waren, bestanden trotz einiger Änderungen fort.

Hintergrund

Im Januar 2012 trat eine neue Verfassung in Kraft. Kritiker hatten bemängelt, die neue Verfassung könne zu Einschränkungen der Menschenrechte führen, insbesondere des Rechts auf Schutz vor Diskriminierung und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf.

Im November urteilte der Europäische Gerichtshof, Ungarn habe mit der Senkung des Renteneintrittsalters für Richter und Staatsanwälte gegen EU-Recht verstoßen.

Diskriminierung

In der neuen Verfassung war Familie ausschließlich als eine Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau definiert, was Bedenken hinsichtlich einer Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare auslöste. Im Dezember annullierte das Verfassungsgericht die Klausel.

Im Juli 2012 wurde ein neues Strafgesetzbuch verabschiedet, das die Definition von Hassverbrechen auf Straftaten ausdehnte, die aus Gründen der sexuellen Orientierung, der geschlechtlichen Identität oder wegen einer Behinderung verübt werden. NGOs begrüßten die Änderungen, zeigten sich jedoch besorgt, was die Umsetzung der neuen Bestimmungen betraf, da es keine wirksamen Richtlinien für Polizei und Strafverfolgungsbehörden zum Umgang mit Hassverbrechen gab.

Roma

Obwohl die Regierung zusicherte, Einschüchterungen verhindern zu wollen, wurden Roma 2012 unvermindert Opfer rassistischer Beleidigungen und gewaltsamer Übergriffe. Der Prozess vor dem Bezirksgericht Pest wegen Angriffen auf Roma in den Jahren 2008 und 2009 verzögerte sich. Den Angeklagten wurde eine Reihe von Angriffen zur Last gelegt, bei denen sechs Personen ums Leben gekommen waren, darunter ein Kind. Einer der Verteidiger legte im Oktober sein Mandat nieder, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er der Sohn eines am Verfahren beteiligten Richters war.

  • Im März 2012 stellte ein parlamentarischer Ausschuss seinen Bericht über die Aktivitäten der Bürgerwehren in dem Dorf Gyöngyöspata im März 2011 vor. Der Bericht erwähnte jedoch nicht, dass die Behörden nur schleppend und unzureichend auf die Einschüchterungen, Schikanen und Gewaltdrohungen reagiert hatten, denen die Roma ausgesetzt waren, als drei Bürgerwehren fast einen Monat lang durch das Dorf "patrouillierten".

  • Am 5. August 2012 hielt die rechtsextreme Partei Jobbik zusammen mit mehreren Bürgerwehren in dem Dorf Devecser einen Aufmarsch ab. Berichten zufolge wurden Betonstücke und andere Wurfgeschosse auf Häuser von Roma geschleudert. Polizeibeamte sollen dem Vernehmen nach nicht eingegriffen haben, um die Übergriffe zu stoppen. Nach diesen Ereignissen versicherte die Regierung, sie werde Einschüchterungen von ethnischen und anderen Minderheiten nicht dulden, sondern wolle sie verhindern.

  • Berichten zufolge drangsalierten Bürgerwehren am 18. August 2012 Roma im Dorf Cegléd. Demnach versammelten sich kleine Gruppen von Personen, die meist schwarze Uniformen trugen, in den Ortsteilen, in denen Roma leben, skandierten gegen Roma gerichtete Slogans und stießen Morddrohungen aus. Die Polizei griff nicht ein und empfahl den Roma-Familien, in ihre Häuser zurückzukehren. Die Bürgerwehren blieben zwei Tage lang in Cegléd. NGOs warfen der Polizei vor, sie habe die Vorfälle als Störung der öffentlichen Ordnung und nicht als "Angriff auf ein Mitglied einer Gemeinschaft" behandelt – ein Straftatbestand, auf dessen Grundlage rassistisch motivierte Gewalt strafrechtlich verfolgt werden kann.

  • Am 17. Oktober 2012 marschierten mehrere Tausend Jobbik-Anhänger durch ein Roma-Viertel der Stadt Miskolc. Dabei skandierten sie dem Vernehmen nach Slogans, die sich gegen Roma richteten. Hunderte Roma hielten eine friedliche Gegendemonstration ab. NGOs bescheinigten der Polizei, sie habe die nötige Sorgfalt an den Tag gelegt, um Roma vor Übergriffen zu schützen.

Justizwesen

Im Januar 2012 trat das Gesetz zum Verfassungsgericht in Kraft. Menschenrechtsorganisationen warnten, das Gesetz enthalte unangemessene Hindernisse – z.B. die Notwendigkeit einer rechtlichen Vertretung –, die es den Bürgern erschwerten, sich wegen Menschenrechtsverletzungen an das Verfassungsgericht zu wenden. Zu den Organisationen, die sich kritisch äußerten, zählten u.a. das Eötvös Karoly Institute, die Hungarian Civil Liberties Union und das Ungarische Helsinki-Komitee. Das neue Gesetz sah außerdem keine Sammelklagen mehr vor.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im Mai 2012 änderte das Parlament die Mediengesetze ab und behob dabei einige der im Dezember 2011 vom Verfassungsgericht beanstandeten Mängel. Die Änderungen beschränkten vor allem die Kontrolle der Behörden über den Inhalt von Print- und Internetmedien und stärkten den Schutz journalistischer Quellen. Der Europarat äußerte sich jedoch besorgt darüber, dass einige negative Bestimmungen bestehen blieben, wie etwa die Verpflichtung für Print- und Internetmedien, sich registrieren zu lassen oder hohe Geldstrafen zu riskieren. Kritiker warnten, dass die Mediengesetzgebung weiterhin eine politische Kontrolle der Medien beinhaltete.

  • Im September 2012 verklagte die staatliche Nachrichtenagentur MTI einen Journalisten wegen Verleumdung, nachdem er der Agentur vorgeworfen hatte, sie würde das Geld der Steuerzahler dafür verwenden, die Öffentlichkeit falsch zu informieren. Die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit kritisierte das Vorgehen der MTI. Sie befürchtete, dies könne eine einschüchternde Wirkung auf unabhängige kritische Journalisten haben.

Flüchtlinge, Asylsuchende und Migranten

Das Amt des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) kritisierte Ungarns Umgang mit Asylsuchenden. In einem Bericht des UNHCR hieß es, die Bedingungen in den Aufnahmezentren und die vermehrte Verhängung von Verwaltungshaft gegen Asylsuchende würden nicht den internationalen und den EU-Standards entsprechen. Asylsuchende, die unter der Dublin-II-Verordnung nach Ungarn zurückgeführt worden waren, erhielten in der Regel Ausweisungsbescheide und wurden inhaftiert – dabei wurde nicht berücksichtigt, ob sie den Wunsch hatten, Asyl zu beantragen.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen

Mehr als 3000 Personen nahmen am 12. Juli 2012 an der Gay Pride Parade in Budapest teil. Im April hatte der Budapester Polizeichef die Parade mit der Begründung verboten, sie behindere den Verkehrsfluss. Das Verbot wurde wenige Tage später von einem Budapester Gericht aufgehoben. Nach Angaben der Organisatoren bot die Polizei der Parade in angemessenem Umfang Schutz.

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