Amnesty Report 25. Mai 2009

Angola 2009

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Angola Staatsoberhaupt: José Eduardo dos Santos Regierungschef: António Paulo Kassoma (löste im September Fernando da Piedade Dias dos Santos im Amt ab) Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 17,5 Mio. Lebenserwartung: 41,7 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 243/215 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 67,4%

Es gab 2008 weniger Berichte über Zwangsräumungen, und die Regierung begann mit dem Bau von Sozialwohnungen. Von der Polizei begangene Menschenrechtsverletzungen nahmen ab, doch wurden Menschenrechtsverteidiger nach wie vor eingeschüchtert und schikaniert: Die Behörden verlangten die Schließung des UN-Menschenrechtsbüros in Angola. Auch die Aktivitäten einer lokalen Organisation sollten gestoppt werden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung war eingeschränkt, Journalisten wurden mit Verleumdungsklagen schikaniert. Ein gewaltloser politischer Gefangener wurde zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt.

Hintergrund

Im Februar kam es in den Provinzen Cunene, Namibe und Huíla nach heftigen Regenfällen zu Überschwemmungen, die mehr als 10000 Menschen zum Verlassen ihrer Häuser zwangen. Im November wurden bei Regenfällen in der Provinz Huambo die Häuser von rund 50 Familien zerstört.

Im April holte Angola Nigeria bei der Erdölförderung ein und wurde zum größten afrikanischen Erdölproduzenten südlich der Sahara. Trotzdem lebten 68% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, von ihnen wiederum waren 28% von extremer Armut betroffen.

Im Februar lieferte Angola die beiden Aktivisten der Bewegung für die Emanzipation des Nigerdeltas (Movement for the Emancipation of the Niger Delta), Henry Himomotim Okah und Eduardo Atata, an Nigeria aus. Die beiden Männer wurden verdächtigt, an Angriffen im erdölreichen Nigerdelta beteiligt gewesen zu sein. Beim Einsturz der Zentrale der angolanischen Kriminalpolizei (Direcção Nacional de Investigação Criminal) kamen im März etwa 30 Häftlinge zu Tode, darunter zehn Frauen und ein Kind. Weitere 145 Häftlinge wurden ins Krankenhaus eingeliefert. Zwar gab es Ermittlungen zu den Gründen für den Einsturz des Gebäudes, die Ergebnisse wurden jedoch nicht veröffentlicht.

Im März wurde ein portugiesischer Angestellter eines portugiesischen Unternehmens während einer Fahrt mit einem Firmenwagen durch Schüsse am Arm und am Bein verletzt. Die Streitkräfte von Cabinda (Forças Armadas de Cabinda), der bewaffnete Flügel der Befreiungsfront für den Staat Cabinda (Frente de Libertação do Estado de Cabinda), übernahmen die Verantwortung für den Angriff. Sie erklärten, durch die Anschläge sollten in Cabinda tätige ausländische Unternehmen davon abgehalten werden, die angolanische Wirtschaft zu unterstützen.

Im September 2008 fanden die ersten Parlamentswahlen seit 16 Jahren statt. Zwar gab es im Wahlkampf einzelne Fälle von Einschüchterung, die Wahlen selbst verliefen aber überwiegend friedlich und ohne Menschenrechtsverletzungen. Die wichtigste Oppositionspartei, die Nationale Union für die völlige Unabhängigkeit Angolas (União Nacional para a Independência Total de Angola – UNITA), forderte zunächst die Wiederholung der Wahl in der Hauptstadt Luanda, akzeptierte schließlich aber das Ergebnis und den Sieg der regierenden Volksbewegung für die Befreiung Angolas (Movimento Popular para a Libertação de Angola – MPLA), die über 80% der Stimmen erhielt.

Im November legte Angola dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte gleichzeitig seinen ersten, zweiten und dritten Bericht vor. Der stellvertretende Außenminister erklärte bei der Sitzung, für Angola sei die Umsetzung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von großer Bedeutung.

Recht auf Wohnen

Die Regierung begann mit dem Programm für die Jugend Angolas (Programa Angola Jovem), das vorsieht, bis 2012 insgesamt 1 Mio. Sozialwohnungen zu bauen. Nach den Wahlen wurde das Ministerium für Stadtentwicklung und Umwelt (Ministério de Urbanismo e Ambiente) in Ministerium für Stadtentwicklung und Wohnen (Ministério de Urbanismo e Habitação) umbenannt. Im Oktober fanden in Luanda die Feierlichkeiten zum Welt-Habitat-Tag der Vereinten Nationen statt. Dabei verpflichtete sich die Regierung, mehr als 10% der Erdöleinnahmen in den sozialen Wohnungsbau zu investieren.

2008 trafen weniger Berichte über Zwangsräumungen ein als in den Vorjahren, und einige der Vertriebenen sollen neuen Wohnraum erhalten haben. Es gab außerdem Meldungen, wonach die Regierung plante, allen Familien eine neue Wohnung zuzuteilen, die in den vergangenen Jahren in den Stadtvierteln Cambamba I, Cambamba II und Cidadania Opfer von Zwangsräumungen geworden waren. Bis Ende 2008 waren jedoch noch keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen worden.

  • Im Oktober wurden in Luanda-Iraque mindestens 17 Familien vertrieben und ihre Häuser von dem Bauunternehmen Jardim do Éden (Garten Eden) abgerissen. Die Bewohner machten geltend, sie hätten seit 1989 von der Gemeinde Kilamba Kiaxi erteilte Besitztitel auf das Land. Einige der Betroffenen sollen Entschädigungen in Höhe von 500 – 2500 US-Dollar erhalten haben. Die Behörden boten denjenigen, die nicht anderweitig unterkommen konnten, keinen Ersatzwohnraum an.

Polizei

Bei der Vorgehensweise der Polizei waren im Jahr 2008 Verbesserungen zu verzeichnen. So wurde u.a. ein Konzept beschlossen, das die Anwendung von Gewalt regelt. Die Polizei schien unparteiisch zu agieren, und auch im Zusammenhang mit den Wahlen gab es keine Berichte über Gewaltanwendung oder Menschenrechtsverletzungen. Es wurden jedoch einige ungesetzliche Tötungen durch Polizeibeamte gemeldet.

  • Im Juli fuhren etwa sieben Polizisten in einem weißen Zivilfahrzeug in die Gegend von Largo da Frescura, eröffneten das Feuer auf acht Jugendliche und töteten sie. Die Beamten erklärten, sie seien gerufen worden, weil sich in der Gegend Jugendliche aufhielten, die einen bewaffneten Raubüberfall begangen hätten. Die Jugendlichen hätten zuerst geschossen, der Angriff der Polizei sei nur zur Selbstverteidigung erfolgt. Keiner der Polizisten wurde verletzt. Augenzeugen zufolge hatten die Beamten die Jugendlichen aufgefordert, sich flach auf den Bauch zu legen, und sie in dieser Position erschossen. Dann seien sie davongefahren. Sieben Polizeibeamte wurden festgenommen, doch hatte Ende 2008 noch kein Verfahren stattgefunden.

Menschenrechtsverteidiger

Für Menschenrechtsverteidiger war die Lage nach wie vor angespannt. Im Mai 2008 wurde auf Ersuchen der Regierung das UN-Menschenrechtsbüro in Angola geschlossen. Nach Ansicht der angolanischen Behörden gab es keine rechtliche Grundlage mehr für das Büro. Es sei lediglich, so hieß es, ein Überbleibsel der UN-Mission in Angola (MONUA), das nach Beendigung der Friedensmission 2002 im Land hatte verbleiben dürfen.

Im September beantragte der Generalstaatsanwalt beim Verfassungsgericht die Auflösung der Vereinigung für Justiz, Frieden und Demokratie (Associação de Justiça, Paz e Democracia), weil ihre Satzung Bestimmungen enthalte, die gegen angolanisches Recht verstießen. Ein Urteil war Ende 2008 noch nicht ergangen.

Recht auf freie Meinungsäußerung für Journalisten

Das Recht auf freie Meinungsäußerung war für Journalisten weiterhin eingeschränkt. Einige Journalisten wurden mit Verleumdungsklagen überzogen. Im Juli wurde aufgrund einer gemeinsamen Anordnung des Medienministeriums und des Ministeriums für Post und Telekommunikation der Sendebetrieb der privaten Rundfunkstation Rádio Despertar für 180 Tage eingestellt, weil die Programmausstrahlung angeblich die dem Sender erteilte Lizenz überschritt.

Willkürliche Festnahmen

2008 kam es wiederholt zu willkürlichen Festnahmen von Personen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung bzw. auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hatten.

  • Im März verhinderte die Polizei mit Unterstützung der Kriminalpolizei die alljährliche Wallfahrtsfeier in Cabinda und hielt mehr als 3000 Angehörige der katholischen Kirche von der Fortsetzung der Wallfahrt ab. Die Gläubigen mussten ohne Nahrung und Wasser in der prallen Sonne ausharren, während Xavier Soca Tati und eine weitere Person auf die Polizeiwache gebracht und mehrere Stunden lang verhört wurden. Die beiden erklärten, sie hätten vor Beginn der Wallfahrt alle erforderlichen Formalitäten erfüllt, was die Polizei jedoch bestritt. Gegen keinen der katholischen Gläubigen wurde Anklage erhoben.

  • Im Oktober inhaftierte die Polizei in Caxito in der Provinz Bengo mehrere Mitglieder der angolanischen Lehrergewerkschaft, die sich an einem Streik für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen beteiligt hatten. Manuel Bento Azevedo, Gonçalves Ismael Lopes, Moniz Mujinga, César Gomes António und Almério Augusto Cristóvão wurden in der Missionsschule 307 festgenommen, wo sie angeblich Kollegen für die Beteiligung am Streik gewinnen wollten. In derselben Woche wurden in verschiedenen Schulen in der Provinz Bengo fünf weitere Lehrer festgenommen. In einem Fall erklärten die Polizisten, die keinen Haftbefehl vorweisen konnten, sie würden lediglich Befehle ausführen. Alle zehn Lehrer wurden zwei Tage nach ihrer Festnahme ohne Anklageerhebung wieder auf freien Fuß gesetzt. Manuel Bento Azevede und zwei weitere Gewerkschaftsmitglieder wurden etwa fünf Tage später jedoch erneut inhaftiert. Ende Oktober sprach das Provinzgericht Bento alle drei frei.

Gewaltlose politische Gefangene

Im September wurde der ehemalige Voice-of-America-Korrespondent für Cabinda, José Fernando Lelo, in einem unfairen Verfahren vor einem Militärgericht wegen staatsfeindlicher Aktivitäten und Aufwiegelung zur Rebellion in Cabinda zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Er war im November 2007 festgenommen und bis März 2008 ohne Anklageerhebung in Haft gehalten worden. Im selben Verfahren wurden fünf Soldaten wegen des Versuchs, einen bewaffneten Aufstand zu organisieren, und anderer Militärstraftaten zu 13 Jahren Haft verurteilt. Ein sechster Soldat wurde freigesprochen.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Im Oktober beantragten mehrere Delegierte von Amnesty International ein Visum für Angola. Bis zum Jahresende waren die Visa jedoch noch nicht erteilt worden. Die Behörden gaben weder eine Begründung für die Verzögerung an, noch machten sie Angaben darüber, wann die Visa ausgestellt werden würden. Der letzte Besuch einer Delegation von Amnesty International hatte im Februar 2007 stattgefunden.

Angola: Briefing for election monitors (AFR 12/002/2008) Angola: Briefing for the UN Committee on Economic, Social and Cultural Rights: 41st session, 3 – 21 November 2008 (AFR 12/010/2008)

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