Amnesty Report Lettland 29. März 2022

Lettland 2021

Aufnahme eines Impfzentrums von Innen. Das Bild zeigt viele Tische und einige Kabinen.

Lettland öffnete am 3. April 2021 in acht Städten und Gemeinden Massenimpfzentren, wie dieses in Riga, um die Impfungen gegen COVID-19 zu verstärken.

Berichtszeitraum: 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Flüchtlinge und Migrant_innen wurden von Grenzschützer_innen mit Gewalt über die Grenze nach Belarus zurückgedrängt. Frauen und Mädchen hatten Schwierigkeiten beim Zugang zu Diensten der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Es gab noch immer kein Gesetz zum Verbot von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität. Die Zahl der Staatenlosen war nach wie vor hoch. Manche Kinder wurden beim Zugang zu Bildung diskriminiert.

Hintergrund

Der als Reaktion auf die Coronapandemie verhängte Ausnahmezustand endete im April 2021, aber viele Einschränkungen blieben bestehen.

Lettland trat im Dezember 2021 dem Fakultativprotokoll zur Antifolterkonvention der Vereinten Nationen bei.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant_innen

Während eines Notstands, der im August 2021 verhängt wurde, wandten lettische Grenzschützer_innen Gewalt an, um Menschen, die an der lettischen Grenze mit Belarus ankamen und in Lettland Asyl beantragen wollten, umgehend zurückzuschieben. In Übereinstimmung mit den vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angeordneten Maßnahmen war im Notstandsgesetz zwar die Bereitstellung von Lebensmitteln und medizinischer Versorgung vorgesehen, doch wurden Bedenken laut, dass den Bedürfnissen der Asylsuchenden nicht ausreichend Rechnung getragen wurde. Im November 2021 errichtete Lettland provisorisch einen 37 Kilometer langen Zaun an der Grenze zu Belarus. Im Dezember schlug die EU-Kommission vor, Lettland, Litauen und Polen großzügigere Fristen für die Registrierung und Bearbeitung von Asylanträgen sowie vereinfachte und schnellere Rückführungsverfahren zu gewähren. All dies würde zu einer Schwächung der EU-Asylverfahren führen.

Bis zum Jahresende wurden etwa 4.045 Personen an der Grenze aufgegriffen und nach Belarus zurückgeschoben; etwa 446 Menschen wurden inhaftiert, weil sie ohne gültige Papiere eingereist waren.

Frauenrechte

Im Juni 2021 stellte das Verfassungsgericht fest, dass das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) mit der lettischen Verfassung vereinbar sei. Allerdings wurden im Hinblick auf die Ratifizierung der Konvention keine weiteren Fortschritte erzielt.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Frauen und Mädchen hatten Probleme, Zugang zu Informationen und Dienstleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit sowie zu anderen wichtigen gesundheitlichen Versorgungsleistungen zu erhalten. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) äußerte sich vor allem besorgt über den begrenzten Zugang zu kostenlosen Verhütungsmitteln für Mädchen im Teenageralter und junge Frauen.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Die Baltic-Pride-Parade war im Jahr 2020 wegen der Coronapandemie abgesagt worden; im August 2021 fand sie wieder statt. Im März äußerte der CESCR Besorgnis darüber, dass die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität nach wie vor nicht als Diskriminierungsgründe in der lettischen Gesetzgebung aufgeführt waren. Obwohl das lettische Verfassungsgericht in mehreren Entscheidungen klargestellt hat, dass das Parlament laut Verfassung dazu verpflichtet ist, ein Gesetz zur Anerkennung und zum Schutz der Rechte gleichgeschlechtlicher Paare zu erlassen, ist das Parlament dieser Verpflichtung bislang noch nicht nachgekommen. Im Dezember entschied der Oberste Gerichtshof, dass bis zur Verabschiedung entsprechender Gesetze die Verwaltungsgerichte ermächtigt seien, diese Art der Anerkennung und des Schutzes zu gewährleisten.

Der Index des LGBTI-Verbands ILGA-Europe listet Lettland als das zweitschlimmste EU-Land für LGBTI+ und berichtet über vorurteilsmotivierte Rhetorik, gewalttätige Übergriffe und andere Formen von Diskriminierung.

Recht auf Staatsbürgerschaft

Trotz gesetzlicher Änderungen im Jahr 2020 lebten in Lettland auch 2021 noch immer zahlreiche Staatenlose. Knapp 200.000 Menschen hatten den Status von "Nicht-Staatsangehörigen", der mit eingeschränktem Zugang zu wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und anderen Rechten einhergeht.

Recht auf Bildung

Der CESCR stellte einen Anstieg der Zahl von Rom_nja-Kindern fest, die die obligatorische Grundschule absolvierten. Der Ausschuss äußerte jedoch Besorgnis über die Diskriminierung von Kindern aus Minderheitengruppen und Kindern von Migrant_innen ohne Papiere. Er kritisierte zudem den Ausschluss von Menschen mit Behinderungen aus dem allgemeinen Bildungssystem sowie die unverhältnismäßig hohe Zahl von Rom_nja-Kindern in Sonder- und Förderschulen.

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