Amnesty Report Nepal 27. Mai 2013

Nepal 2013

 

Amtliche Bezeichnung:
 Demokratische Bundesrepublik Nepal Staatsoberhaupt: Ram Baran Yadav Regierungschef: Baburam Bhattarai

Die Straflosigkeit wurde von der Regierung weiter gefördert, indem sie Strafverfahren gegen mutmaßliche Verantwortliche für Menschenrechtsverletzungen einstellte und sie in führende öffentliche Ämter beförderte. Außerdem versuchte die Regierung eine Instanz zu schaffen, die die Befugnis hat, Amnestieempfehlungen für Völkerrechtsverbrechen auszusprechen. Föderalismusdebatten führten in mehreren Teilen des Landes zu politischer Gewalt. Im gesamten Berichtsjahr wurden willkürliche Inhaftierungen, Folter und außergerichtliche Hinrichtungen gemeldet.

Hintergrund

Die Verfassunggebende Versammlung wurde am 27. Mai 2012 aufgelöst, bevor eine neue Verfassung fertiggestellt werden konnte. Trotz vierjähriger Verhandlungen hatten sich die politischen Parteien in mehreren wichtigen Fragen nicht einigen können. Die politische Auseinandersetzung um ein geeignetes Föderalismusmodell und die Forderungen nach mehr Autonomie für ethnische Minderheiten und indigene Bevölkerungsgruppen verschärften sich und führten zu gewalttätigen Zusammenstößen sowie zu Zerwürfnissen zwischen und innerhalb der Parteien. Im Oktober gab die Regierung bekannt, dass der Prozess zur Integration ehemaliger maoistischer Kämpfer in die nepalesische Armee gemäß dem Friedensabkommen und der Übergangsverfassung von 2007 abgeschlossen sei. Im Januar verabschiedete die Regierung ein Gesetz, das eine stärkere staatliche Kontrolle der Arbeit der nepalesischen Menschenrechtskommission vorsieht.

Übergangsjustiz

Am 28. August 2012 schlug der Ministerrat eine Verordnung zur Einrichtung einer Kommission für die Untersuchung von Fällen "verschwundener" Personen sowie für Wahrheit und Versöhnung vor und kippte damit das Vorhaben, zwei separate Kommissionen für diese Belange zu schaffen. Die neue Kommission würde die Befugnis haben, Amnestien für schwere Menschenrechtsverletzungen zu empfehlen, nicht jedoch eine strafrechtliche Verfolgung für mutmaßliche Verbrechen. Damit würden Nepals rechtliche Verpflichtungen zur Strafverfolgung von Verbrechen gemäß dem Völkerrecht ignoriert. Im Oktober veröffentlichte das Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte einen Bericht zu den Verstößen gegen internationale Menschenrechtsstandards und das humanitäre Völkerrecht, die während des bewaffneten Konflikts in Nepal begangen wurden. Zusammen mit dem Bericht wurde eine Sammlung von etwa 30000 Dokumenten und Fällen vorgelegt.

Straflosigkeit

Bemühungen, die strafrechtliche Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen sowie die Rechte der Opfer auf Gerechtigkeit, Wahrheit und Entschädigung zu gewährleisten, wurden 2012 durch die Regierung unterlaufen, die mutmaßliche Verantwortliche von Menschenrechtsverletzungen in gehobene Staatsämter beförderte.

  • Im September wurde Kuber Singh Rana, gegen den wegen des Verschwindenlassens und der außergerichtlichen Hinrichtung von fünf Studenten im Jahr 2003 im Bezirk Dhanusha ermittelt wurde, zum Generalinspektor der Polizei befördert.

  • Die Beförderung von Raju Basnet, einem der Mitschuld an Kriegsverbrechen verdächtigten Oberst, zum Brigadegeneral im Oktober wurde von Menschenrechtsverteidigern nachdrücklich verurteilt. Nach einem Beschluss des Obersten Gerichtshofs wurde die Beförderung noch im gleichen Monat ausgesetzt.

Die Regierung forderte auch weiterhin eine Rücknahme von Strafanklagen gegen Mitglieder politischer Parteien und bezog sich dabei auf eine im Friedensabkommen enthaltene Verpflichtung sowie auf nachfolgende Vereinbarungen, denen zufolge Fälle "politischer" Natur zurückgezogen werden sollten. Die genaue Definition eines "politischen Falls" blieb jedoch aus. Es wurden zahlreiche Rücknahmeempfehlungen für Fälle von Mord, Entführung und anderen Schwerverbrechen ausgesprochen.

Rechte von Arbeitsmigranten

Nach wie vor wurden Arbeitsmigranten zum Zweck der Ausbeutung und Zwangsarbeit vermittelt. Die Arbeitsvermittlungen erhoben dabei Vermittlungsgebühren, die über den staatlich festgelegten Höchstsätzen lagen. Dadurch waren Arbeiter gezwungen, große Darlehen zu hohen Zinssätzen aufzunehmen. Anwerber täuschten zahlreiche Arbeiter hinsichtlich der Entlohnung und Arbeitsbedingungen. Nur selten wurden Arbeitsvermittlungen, die gegen das nepalesische Gesetz verstoßen hatten, zur Verantwortung gezogen. Ausgleichs- und Entschädigungsmechanismen wurden kaum gefördert, waren zentral verwaltet und schwer zugänglich.

  • Im August 2012 erließ die Regierung ein Verbot, das Frauen unter 30 Jahren untersagte, als Hausangestellte nach Kuwait, Katar, Saudi-Arabien oder in die Vereinigten Arabischen Emirate zu migrieren, nachdem es in diesen Ländern wiederholt Beschwerden wegen sexuellen und anderen physischen Missbrauchs gegeben hatte. Das Verbot erhöhte möglicherweise die Risiken für Frauen, die nun gezwungen waren, auf anderen Wegen Arbeit zu finden. Zwei Arbeitsminister wurden wegen Korruptionsverdachts vom Premierminister zum Rücktritt gezwungen. Dennoch standen Vermittlungsagenturen weiter über dem Gesetz, und nur wenige verloren wegen illegaler Praktiken ihre Zulassungen.

Folter und andere Misshandlungen

Obwohl Nepal seit 1991 Vertragsstaat des UN-Übereinkommens gegen Folter ist, war Folter nach nepalesischem Recht noch immer keine Straftat. Im April 2012 gab der Ministerrat Pläne bekannt, Folter per Gesetz unter Strafe zu stellen. Zum Zeitpunkt der Auflösung der Verfassunggebenden Versammlung war jedoch noch keine entsprechende Gesetzesvorlage eingereicht worden. Im Juli erinnerte der UN-Menschenrechtsausschuss Nepal an seine Verpflichtungen, ein Gesetz zu erlassen, mit dem Folter definiert und unter Strafe gestellt wird, sowie alle Gesetze aufzuheben, die mutmaßlichen Verantwortlichen von Folter und Verschwindenlassen Straffreiheit gewähren. Nach wie vor waren Folter und anderweitige Misshandlungen in Polizeigewahrsam weit verbreitet. Der UN-Ausschuss gegen Folter kam in seinem jährlichen Bericht zu dem Schluss, dass Folter in Nepal gewohnheitsmäßig, weit verbreitet sowie vorsätzlich und somit letztendlich systematisch angewandt wurde.

Misshandlungen in der Terai-Region

Berichten zufolge nahmen die Aktivitäten bewaffneter Gruppen in der Terai-Region ab. Aufgrund der fehlenden Verantwortungsübernahme für vergangene Verstöße und einer langjährigen Kultur der Straflosigkeit wurden jedoch weiterhin Verletzungen und Verstöße seitens der Bewaffneten Polizei und der Polizei Nepals sowie durch bewaffnete Gruppen gemeldet. Zu den Verstößen gehörten willkürliche Inhaftierungen, Folter und außergerichtliche Hinrichtungen. Ein hohes Maß an Verunsicherung und Angst vor Vergeltungsmaßnahmen stellten für Opfer und Menschenrechtsverteidiger in der Region ein großes Hindernis auf dem Weg zu Gerechtigkeit dar.

Diskriminierung

Es kam weiterhin zu Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit, aus ethnischen und religiösen Gründen, aufgrund des Geschlechts, der wirtschaftlichen Situation und aufgrund von Behinderungen.

  • Im Oktober 2012 wurde Bhim Bahadur, ein Angehöriger der Dalit aus dem Distrikt Dailekh, Berichten zufolge mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Er war mit einer Sichel attackiert worden, weil er die Haupteingangstür eines Hauses berührt hatte, das einem Angehörigen einer herrschenden Kaste gehörte. Dalits und in Armut lebende Frauen und Mädchen aus ländlichen Gebieten wurden diskriminiert, was ihren Zugang zu Gerechtigkeit, Bildung und Gesundheitsleistungen betraf.

Müttergesundheit

Das hohe Vorkommen von Gebärmuttersenkungen in Nepal war im Wesentlichen auf Faktoren wie Armut, Geschlechterdiskriminierung, Mangelernährung, das Fehlen erfahrener Geburtshelfer und einer gynäkologischen Ambulanz sowie auf eine hohe Arbeitsbelastung in und nach der Schwangerschaft zurückzuführen. Insgesamt erlitten etwa 600 000 Frauen in Nepal eine Gebärmuttersenkung, von denen 200 000 sofort operativ behandelt werden mussten. Die Regierung organisierte OP-Camps zur Behandlung der betroffenen Frauen, vielen war dies jedoch nicht bekannt. Nepal hatte nicht ausreichend in Präventivmaßnahmen, Alternativen zu chirurgischen Eingriffen und Nachsorge investiert. Berichten zufolge unterzogen sich 24 498 Frauen zwischen 2008 und 2011 einem Uteruseingriff. Über ihren Gesundheitszustand lagen jedoch meist keine weiteren Informationen vor.

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