Amnesty Report Kanada 23. Mai 2013

Kanada 2013

 

Amtliche Bezeichnung: Kanada Staatsoberhaupt: Königin Elizabeth II., vertreten durch Generalgouverneur David Johnston Regierungschef: Stephen Harper

In Kanada wurden die Rechte der indigenen Bevölkerungsgruppen weiterhin systematisch verletzt. Reformen der Einwanderungs- und Flüchtlingsgesetze verstießen gegen internationale Menschenrechtstandards.

Rechte indigener Bevölkerungsgruppen

Im Januar 2012 begannen vor einem von der Regierung ernannten Überprüfungsausschuss die Anhörungen zu einem Bauprojekt für eine Pipeline zwischen den Ölsanden in der Provinz Alberta und der Küste von British Columbia. Das umstrittene Northern-Gateway-Projekt würde durch traditionelle Gebiete zahlreicher Gemeinschaften der First Nations führen oder an diese grenzen. Viele der indigenen Gemeinschaften haben sich öffentlich gegen das Bauvorhaben ausgesprochen.

Im Februar erkannte die Regierung vor dem UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung die Rechtmäßigkeit der Anwendung der UN-Erklärung über die Rechte der Indigenen Völker bei der Auslegung kanadischer Gesetze an. Es wurden jedoch keine Maßnahmen ergriffen, um die Erklärung gemeinsam mit indigenen Völkern umzusetzen.

Im Februar verabschiedete die Regierung ein Gesetz zur Versorgung der First Nations mit sauberem Trinkwasser (Safe Drinking Water for First Nations Act). Das Gesetz sieht jedoch keine zusätzlichen Ressourcen für die Wasserinfrastruktur in den Gemeinschaften der First Nations vor.

Im April hob das Bundesgericht ein Urteil des kanadischen Gerichts für Menschenrechte (Canadian Human Rights Tribunal) aus dem Jahr 2011 auf. Darin war eine Diskriminierungsklage bezüglich der öffentlichen Ausgaben für den Schutz von Kindern in Gemeinden der First Nations im Vergleich zu Gemeinden mit überwiegend nicht indigener Bevölkerung abgewiesen worden. Der Fall war zum Jahresende vor dem Bundesberufungsgericht anhängig.

Gesetzesänderungen im Jahr 2012 führten zu drastischen Einschränkungen hinsichtlich der von der Regierung durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfungen. Die Regierung selbst erklärte jedoch, dass diese Prüfungen wesentlich seien, um ihren verfassungsrechtlichen Verpflichtungen gegenüber der indigenen Bevölkerung nachzukommen.

Frauenrechte

Im Februar und Juni 2012 forderten sowohl der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Rassendiskriminierung sowie der UN-Ausschuss gegen Folter Kanada auf, einen staatlichen Aktionsplan zu entwickeln, um gegen Gewalt an indigenen Frauen vorzugehen. Dem kam die Bundesregierung jedoch nicht nach.

Im Oktober wurde Videomaterial veröffentlicht, dass die Misshandlung der 19-jährigen Ashley Smith in Haft zeigt. Sie war 2007 im Provinzgefängnis von Ontario gestorben. Ein Verfahren zur Untersuchung der Todesursache war zum Jahresende noch anhängig.

Der Abschlussbericht zu einer in British Columbia durchgeführten Untersuchung zum Verhalten der Polizei in Fällen von verschwundenen oder ermordeten Frauen, von denen viele den indigenen Bevölkerungsgruppen angehörten, wurde im Dezember 2012 veröffentlicht. Amnesty International und andere Organisationen kritisierten jedoch, dass es versäumt wurde, die betroffenen Gemeinschaften umfassend und wirksam in die Untersuchung einzubinden.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

In einem im Juni 2012 veröffentlichten Bericht sprach der Beschwerdeausschuss der Militärpolizei einzelne Militärpolizisten von ihnen zur Last gelegtem Fehlverhalten frei, wies jedoch auf systematisches Versagen bei der Übergabe von Gefangenen in Afghanistan in den Gewahrsam afghanischer Funktionsträger hin.

Im August wurde eine ministerielle Anweisung aus dem Jahr 2011 veröffentlicht, nach der die Polizeieinheit Royal Canadian Mounted Police und die kanadische Grenzbehörde (Canadian Border Services Agency) angehalten sind, in Fällen ernsthafter Bedrohung der öffentlichen Sicherheit ausländische Geheimdienstinformationen zu nutzen, auch wenn diese möglicherweise durch Folter erlangt wurden, und diese Informationen an ausländische Regierungen weiterzugeben, selbst wenn dadurch ein beträchtliches Folterrisiko entstünde.

Im September 2012 wurde Omar Khadr, ein kanadischer Staatsbürger, der 2002 in Afghanistan im Alter von 15 Jahren von US-Streitkräften festgenommen wurde und seither in Guantánamo Bay inhaftiert war, in ein kanadisches Gefängnis überführt. Er hatte aufgrund einer strafmildernden Vereinbarung (plea deal) mit den US-Behörden 2011 seit elf Monaten Anspruch auf eine Überführung.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Im Juni 2012 wurde ein Gesetz verabschiedet, das die obligatorische Inhaftierung von Asylsuchenden vorsieht, die auf nicht regulärem Wege nach Kanada eingereist sind. Das Gesetz verweigert diesen Personen sowie Asylsuchenden aus anerkannten "sicheren Herkunftsländern" die Möglichkeit, ein Rechtsmittel bei der zuständigen Berufungsinstanz (Refugee Appeal Division) einzulegen.

Im Juni verabschiedete die Regierung ein neues Gesetz, das zahlreichen straffällig gewordenen Personen mit Daueraufenthaltsgenehmigung die Möglichkeit verweigert, Rechtsmittel gegen Ausweisungsbeschlüsse einzulegen oder diesbezüglich um humanitäre Hilfe zu ersuchen.

Außerdem nahm die Regierung im Juni drastische Kürzungen am Programm für die begrenzte medizinische Versorgung (Interim Federal Health Program) von Flüchtlingen vor. Damit haben beispielsweise Asylsuchende aus anerkannten "sicheren Herkunftsländern" nur noch dann Anspruch auf medizinische Leistungen, wenn sie die Gesundheit anderer gefährden.

  • Im September 2012 wurde die US-amerikanische Bürgerin Kimberly Rivera in die USA ausgewiesen und dort festgenommen. Ihr Antrag auf Anerkennung als Flüchtling, in dem sie geltend machte, aus Gewissensgründen aus der US-Armee desertiert zu sein, war in Kanada abgelehnt worden. Sie wird am Militärstützpunkt Fort Carson festgehalten, wo sie bei Jahresende auf ihren Prozess vor dem Kriegsgericht wartete.

Polizei und Sicherheitskräfte

Im Mai 2012 führte in der Provinz Quebec die Verabschiedung eines Notstandsgesetzes nach Massendemonstrationen von Studierenden zur Einschränkung der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit. Nach einem Regierungswechsel im September wurde das Notstandsgesetz wieder aufgehoben. Die Regierung ging nicht auf Forderungen nach einer öffentlichen Untersuchung von Verstößen durch die Polizei während der Demonstrationen ein.

Im Mai sprach sich das Amt für die unabhängige Überprüfung der Polizei (Office of the Independent Police Review Director) in der Provinz Ontario für die Einleitung von Disziplinarverfahren gegen 36 Polizeibeamte aus. Den Beamten werden Vergehen im Zusammenhang mit dem polizeilichen Vorgehen bei den Demonstrationen während des G20-Gipfels 2010 in Toronto vorgeworfen. Die Disziplinar- und Rechtsmittelverfahren dauerten zum Jahresende noch an.

Unternehmensverantwortung

Im Mai 2012 wurde ein obligatorischer Bericht zur Bewertung der Auswirkungen des im August 2011 in Kraft getretenen Freihandelsabkommens zwischen Kanada und Kolumbien auf die Menschenrechte veröffentlicht. Die Regierung war der Ansicht, es sei noch zu früh, um die Auswirkungen zu bewerten.

Im November lehnte der Oberste Gerichtshof die Verhandlung eines Rechtsmittels in einem Fall ab, bei dem eine kanadische Bergbaugesellschaft für Menschenrechtsverletzungen in der Demokratischen Republik Kongo verantwortlich gemacht wird. Die Vorinstanzen waren zu dem Urteil gekommen, dass Kanada nicht der richtige Gerichtsstand für eine Verhandlung des Falls sei.

Schlagworte

Kanada Amnesty Report

Weitere Artikel