Amnesty Report Irak 22. Mai 2009

Irak 2009

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Irak Staatsoberhaupt: Dschalal Talabani Regierungschef: Nuri al-Maliki Todesstrafe:nicht abgeschafft Einwohner: 29,5 Mio. Lebenserwartung: 57,7 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 105/98 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 74,1%

Während des Berichtsjahrs war ein deutlicher Rückgang der Gewalt zu verzeichnen. Dennoch machten sich alle Seiten des noch andauernden Konflikts schwerer Menschenrechtsverstöße schuldig. Tausende Zivilpersonen, darunter Kinder, wurden getötet oder verletzt, zumeist bei Selbstmord- oder anderen Bombenanschlägen von bewaffneten Gruppen, die gegen die irakische Regierung und die von den USA angeführten Multinationalen Truppen (Multi-National Force – MNF) kämpften. Auch die MNF und die irakischen Truppen waren für Tötungen von Zivilisten verantwortlich.

Sowohl die MNF als auch die irakischen Behörden hielten Tausende Menschen in ihrem Gewahrsam, die meisten ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Einige dieser Häftlinge waren seit bis zu fünf Jahren inhaftiert. Sicherheitskräfte der Regierung, unter ihnen auch Gefängnispersonal, waren nach vorliegenden Berichten für Folterungen wie Vergewaltigungen und ungesetzliche Tötungen verantwortlich. Die Todesstrafe wurde extensiv angewendet. Mehr als 4 Mio. Iraker waren aus ihren Wohnorten vertrieben worden, davon waren 2 Mio. ins Ausland geflüchtet. Die Übrigen lebten als Binnenflüchtlinge in anderen Landesteilen. Nach wie vor war die Region Kurdistan weniger von den Auswirkungen des Konflikts betroffen, doch auch von dort gingen anhaltend Berichte über Übergriffe durch die Sicherheitskräfte und Gewalt gegen Frauen ein.

Hintergrund

Im Februar 2008 kündigte der schiitische Religionsführer Moqtada al-Sadr an, die Mahdi-Armee werde den Waffenstillstand um sechs Monate verlängern. Im August folgte eine zeitlich unbegrenzte Verlängerung.

Im Oktober übernahmen die irakischen Behörden die Verantwortung für die finanzielle Ausstattung der vorwiegend sunnitischen Erweckungsräte, die mit Unterstützung des US-amerikanischen Militärs gebildet worden waren, um im Irak die bewaffnete Oppositionsgruppe Al-Qaida zu bekämpfen.

Im November bestätigte das Parlament die Statusvereinbarung für die Streitkräfte (Status of Forces Agreement – SOFA), die in Kraft treten soll, nachdem das UN-Mandat über die Präsenz der US-Truppen am 31. Dezember 2008 ausläuft. Auf der Grundlage des SOFA sollen sich die US-Truppen noch vor Juli 2009 aus den Stadtgebieten zurückziehen und bis Ende 2011 den Irak vollständig verlassen haben. Bis dahin müssen sie für alle von ihnen gestarteten militärischen Operationen eine Genehmigung der irakischen Regierung erhalten und alle in ihrem Gewahrsam befindlichen Gefangenen den irakischen Behörden übergeben. Die irakischen Behörden erhalten die Zuständigkeit für die Rechtsprechung gegen US-amerikanische Soldaten und Zivilisten, die außerhalb vereinbarter Einrichtungen und des "Dienststatus" "schwere vorsätzliche Tötungsdelikte" begehen, obwohl die Entscheidung darüber, wann diese Kriterien erfüllt sind, weiterhin bei den US-Behörden liegt. Angehörige der vom US-Verteidigungsministerium beauftragten Dienstleistungsunternehmen verlieren die Immunität vor einer Strafverfolgung im Irak. Das SOFA erwähnt dagegen nicht die übrigen Vertragsunternehmen wie private militärische und Sicherheitsfirmen, die im Auftrag des US-Außenministeriums handeln und denen ungesetzliche Tötungen von Zivilpersonen und andere Übergriffe zur Last gelegt werden.

Die humanitäre Lage war weiterhin besorgniserregend. Nach UN-Angaben hatten mindestens 4 Mio. Menschen nicht genug zu essen, rund 40% der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 30% keinen Zugang zu angemessener medizinischer Versorgung. Das Bildungssystem stand kurz vor dem Zusammenbruch. Schulen und Universitäten mangelte es an grundlegenden Materialien wie Büchern, und Lehrer wie Schüler sahen sich Gewaltakten ausgesetzt. Viele Schulen wurden bombardiert. Die Arbeitslosenrate war nach wie vor extrem hoch und lag bei 50% oder sogar noch höher. Im August ratifizierte der Irak das UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Im November verabschiedete das Parlament ein Gesetz, mit dem das Amt eines Hochkommissars für Menschenrechte geschaffen wurde.

Übergriffe durch bewaffnete Gruppen

Bewaffnete Gruppen, die gegen die irakische Regierung und die von den USA angeführten Truppen kämpften, sowie Milizen, die mit schiitischen religiösen Gruppen oder im Parlament vertretenen Parteien in Verbindung standen, waren für zahlreiche schwere Menschenrechtsverstöße verantwortlich, beispielsweise Entführungen, Folterungen und Morde. Diese Gruppen verübten auch Bombenattentate und andere willkürliche Anschläge gegen Zivilisten, die zahllose Tote und Verletzte zur Folge hatten. Viele dieser Anschläge wurden offenbar von Al-Qaida im Irak verübt. Zu den Opfern von Entführungen und Morden zählten Angehörige religiöser und ethnischer Minderheiten wie Christen und Palästinenser, Angehörige von Berufsverbänden, etwa Ärzte, Rechtsanwälte und Journalisten, sowie Frauen.

  • Am 1. Februar 2008 töteten zwei Frauen durch Sebstmordanschläge, bei denen sie sich auf belebten Marktplätzen in Bagdad in die Luft sprengten, mindestens 99 Zivilpersonen, darunter Kinder.

  • Am 23. Februar 2008 wurde Shihab al-Tamimi, Vorsitzender des irakischen Journalistenverbands, im Bagdader Bezirk al-Waziriya von zwei Unbekannten erschossen. Der Journalist hatte massive Kritik an der religiös motivierten Gewalt im Irak geübt.

  • Am 14. August 2008 töteten Selbstmordattentäter in Iskandariya mindestens 19 schiitische Pilger, die auf dem Weg zu religiösen Feierlichkeiten in Kerbala waren.

  • Am 10. November 2008 wurden in Al-Adhamiya, einem von Sunniten bewohnten Bezirk von Bagdad, durch Bombenanschläge mindestens 28 Menschen, darunter fünf Kinder, getötet; rund 70 weitere erlitten Verletzungen.

Todesstrafe

Im Berichtsjahr wurden mindestens 275 Männer und zehn Frauen zum Tode verurteilt. Mindestens 34 Menschen wurden hingerichtet, darunter mindestens drei in der Region Kurdistan (siehe unten). Die tatsächlichen Zahlen waren vermutlich höher. Die meisten Todesurteile verhängte das Zentrale Strafgericht des Irak, dessen Verfahren international anerkannten Standards für einen fairen Prozess nicht genügten. Die Angeklagten machten geltend, dass unter Folterungen oder anderen Zwangsmaßnahmen erpresste "Geständnisse" als Beweismittel vor Gericht gegen sie benutzt worden waren. Die Gerichte unterließen es, solchen Beschwerden hinreichend nachzugehen.

Gerichtsverfahren gegen ehemalige Regierungsvertreter

Das Oberste Irakische Strafgericht (Supreme Iraqi Criminal Tribunal – SICT) verhandelte weiterhin gegen ehemalige führende Regierungsvertreter, Mitglieder der Ba’ath-Partei, Militärangehörige und andere Personen, die der Regierung des ehemaligen Präsidenten Saddam Hussein nahegestanden hatten. Diese Prozesse wurden durch politische Einflussnahme behindert und untergruben auf diese Weise die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts. Im September hieß es in Berichten, die irakische Regierung habe 2006 kurz vor dem Ende des einjährigen Prozesses gegen den ehemaligen Präsidenten Saddam Hussein einen Richter entlassen und stattdessen einen Richter berufen, von dem sie annahm, dass er eher bereit sein würde, die Verhängung eines Todesurteils zu unterstützen.

Am 2. Dezember verurteilte das SICT ’Ali Hassan al-Majid und ’Abdul Ghani ’Abdul Ghafour zum Tode. Beide hatten unter Saddam Hussein Führungspositionen innegehabt und wurden der Beteiligung an Tausenden Morden während des Aufstands von 1991 für schuldig befunden. Das Gericht verurteilte zehn weitere Angeklagte zu 15-jährigen bis lebenslangen Freiheitsstrafen und sprach weitere drei von den Vorwürfen frei. ’Ali Hassan al-Majid und zwei zu Haftstrafen verurteilte weitere Angeklagte waren bereits 2007 nach einem früheren Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt worden. Im Februar bestätigte der Präsidentschaftsrat das Todesurteil gegen ’Ali Hassan al-Majid, entschied aber nach vorliegenden Meldungen, dass die beiden anderen nicht hinzurichten seien, weil sie zur Tatzeit im militärischen Dienst gestanden und somit Befehle befolgt hätten. Alle drei zum Tode Verurteilten befanden sich bei Jahresende noch in Gewahrsam des US-amerikanischen Militärs.

Verstöße durch private Militär- und Sicherheitsdienste

Die Angestellten ausländischer Sicherheitsfirmen genossen weiterhin für im Irak begangene Verbrechen Immunität vor Strafverfolgung. Im Oktober 2007 legte die Regierung einen Gesetzentwurf vor, auf dessen Grundlage diese Immunität aufgehoben werden sollte, doch das Parlament lehnte eine Verabschiedung ab. Im April erneuerten die US-Behörden ihren Vertrag mit der amerikanischen Firma Blackwater zur Bewachung von US-amerikanischen Diplomaten, obwohl die Tötung von irakischen Zivilisten durch Blackwater-Sicherheitskräfte im September 2007 weiterhin kontrovers diskutiert wurde.

Am 15. Januar wurden in al-Salihiya, Bagdad, fünf Schulkinder getötet, als sie vom Wagen einer privaten Sicherheitsfirma erfasst wurden, der sich in einem Konvoi zur Begleitung eines führenden Vertreters der irakischen Justiz befand. Wie es hieß, hatte der Konvoi an einer Straßensperre nicht angehalten, was einen Schusswechsel zwischen privaten Sicherheitsleuten und der Polizei auslöste.

Am 7. Dezember wurden fünf Sicherheitsleute der Firma Blackwater in den USA angeklagt, im September 2007 14 irakische Zivilisten getötet und 18 weitere verwundet zu haben.

Willkürliche Inhaftierungen

Tausende Personen waren nach wie vor ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren inhaftiert. Die US-amerikanischen Truppen hielten in Camp Bucca, unweit von Basra, dem am Bagdader Flughafen gelegenen Camp Cropper sowie an anderen Orten etwa 15500 Häftlinge in ihrem Gewahrsam, von denen die meisten weder angeklagt waren noch vor Gericht gestanden hatten. Einige der Häftlinge waren bereits bis zu fünf Jahre interniert. In Gewahrsam der irakischen Behörden befanden sich nach vorliegenden Meldungen mindestens 26000 Häftlinge, viele von ihnen ebenfalls ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. In geheimen Hafteinrichtungen befanden sich vermutlich ebenfalls Gefangene, die ohne Kontakt zur Außenwelt waren.

Freilassungen

Nachdem am 27. Februar ein Amnestiegesetz in Kraft getreten war, wurde erwartet, dass die meisten ohne Anklage einsitzenden Häftlinge und die weniger schwerer Straftaten Verdächtigten freikommen würden. Tatsächlich ließen MNF und irakische Behörden 2008 Tausende Häftlinge frei, doch waren es weit weniger als 23000, wie der Oberste Gerichtshof empfohlen hatte.

[Menschenrechtsverletzungen durch irakische Sicherh]eitskräfte

Regierungskräfte waren für schwere Menschenrechtsverletzungen wie Folterungen und außergerichtliche Hinrichtungen verantwortlich. Berichten zufolge haben Gefängniswachen und Sicherheitskräfte Häftlinge, darunter Jugendliche, gefoltert und in anderer Weise misshandelt. Zu den berichteten Methoden zählten Schläge mit Kabeln und Schläuchen, das Aufhängen an den Gelenken über lange Zeiträume hinweg, Elektroschockfolter, das Brechen von Gelenken, das Entfernen der Zehennägel mit Zangen sowie der Einsatz von Bohrmaschinen. Insbesondere in Gewahrsam von Mitarbeitern des Innenministeriums waren Häftlinge der Gefahr von Folterungen ausgesetzt.

  • In der Tobchi-Jugendhaftanstalt im Westen von Bagdad wurden nach vorliegenden Berichten männliche Jugendliche von Angehörigen des Wachpersonals physisch und sexuell misshandelt. US-amerikanische Ermittler fanden deutliche Beweise, dass Anfang 2008 zwei sunnitische Jugendliche von Gefängniswachen getötet wurden.

  • Männliche Jugendliche erhoben den Vorwurf, im al-Karkh-Jugendgefängnis in Bagdad vergewaltigt und in anderer Weise gefoltert worden zu sein.

Menschenrechtsverletzungen durch die Multinationalen Truppen

Angehörige der US-amerikanischen Streitkräfte waren für schwere Menschenrechtsverletzungen, darunter ungesetzliche Tötungen von Zivilisten und willkürliche Festnahmen verantwortlich. Mehrere US-Soldaten mussten sich in den USA für im Irak begangene Verbrechen vor Militärgerichten verantworten. Die Verurteilten erhielten allerdings meist nur milde Strafen, die in keinem angemessenen Verhältnis zur Schwere ihrer Verbrechen standen.

  • Am 4. Februar 2008 tötete eine von einem US-Helikopter abgefeuerte Rakete neun irakische Zivilpersonen, darunter ein Kind, und verletzte drei weitere. Berichten zufolge war die Rakete versehentlich in eine Menschenmenge gefeuert worden, die sich unweit eines mit Regierungsanhängern und MNF-Truppen bemannten Kontrollpunkts aufhielt. Die US-amerikanische Armee erklärte, der Vorfall werde untersucht.

  • Am 19. September 2008 starben bei einem Luftangriff der US-Truppen auf das nahe Tikrit gelegene Dorf al-Dawr drei Frauen und fünf Männer einer Familie. Die US-Behörden bestätigten den Angriff und erklärten, bei vier der Getöteten habe es sich um "Terrorismusverdächtige" gehandelt.

  • Der US-amerikanische Soldat Michael C. Behenna, der am 16. Mai in der nördlich von Bagdad gelegenen Ortschaft Baiji den in Gewahrsam befindlichen ’Ali Mansour Mohammad erschossen haben soll, wurde des Mordes angeklagt. Michael Behanna soll ’Ali Mansour Mohammad elf Tage zuvor in Haft genommen und tätlich angegriffen haben.

  • Der US-amerikanische Soldat Christopher Shore, der im Juni 2007 unweit von Tikrit einen unbewaffneten Iraker getötet haben soll, wurde im Februar 2008 von einem US-Militärgericht vom Vorwurf des Mordes freigesprochen, erhielt jedoch wegen schwerer Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von 120 Tagen. Später wurde die Anklage auf das minderschwere Vergehen der Körperverletzung heruntergestuft, die Haftstrafe auf 70 Tage reduziert.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Frauen wurden bedroht und tätlich angegriffen, wenn sie den Verhaltensmaßregeln, etwa hinsichtlich ihrer Bekleidung, nicht Folge leisteten. Die Behörden gewährten Frauen keinen hinreichenden Schutz vor Gewaltakten, die u.a. von Angehörigen der eigenen Familie ausgingen. Einige Frauen wurden offenbar von männlichen Angehörigen getötet, ohne dass die Behörden die Täter vor Gericht stellten.

  • Leila Hussein war am 17. Mai 2008 zu Fuß in Basra unterwegs, als sie erschossen wurde. Zwei Frauen in ihrer Begleitung wurden bei dem Vorfall verletzt. Es war bekannt, dass Leila Husseins Leben bedroht war, weil sie ihren Ehemann verlassen und angezeigt hatte, nachdem er mutmaßlich ihre Tochter, Rand Abd al-Qader, ermordet hatte, da diese mit einem britischen Soldaten befreundet war. Offenbar wurde in keinem der Mordfälle ein strafrechtliches Verfahren eingeleitet.

Flüchtlinge und Binnenvertriebene

Mehrere Millionen Iraker waren weiterhin aus ihren Heimatorten vertrieben. Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) waren ca. 2 Mio. nach Syrien, Jordanien oder in andere Länder geflüchtet, während rund 2,77 Mio. weitere innerhalb des Irak als Vertriebene lebten. Hunderte Flüchtlinge kehrten 2008 in den Irak zurück, davon viele mit Unterstützung der Regierung. Einige von ihnen erklärten, sie seien zurückgekehrt, weil sich die Sicherheitslage verbessert habe, andere begründeten es damit, dass sich die Lebensbedingungen in dem Land, in das sie geflüchtet waren, verschlechtert hätten.

  • Nach Gewaltakten gegen die christliche Minderheit in Mosul flüchteten im Oktober 2008 rund 13000 Christen aus der Stadt. Die meisten suchten in nahe gelegenen Ortschaften beziehungsweise in Dohuk, Erbil oder Kirkuk Zuflucht, während rund 400 nach Syrien flüchteten. Ein Drittel dieser Vertriebenen war bis Ende des Jahres wieder nach Mosul zurückgekehrt.

Kurdistan

Der irakische Teil Kurdistans, der von der halbautonomen Regionalregierung Kurdistans (Kurdistan Regional Government – KRG) verwaltet wird, war nach wie vor weniger von dem andauernden Konflikt betroffen als die übrigen Landesteile des Irak. Dort waren auch einige positive Entwicklungen erkennbar. Hunderte politische Gefangene, von denen viele seit Jahren ohne Gerichtsverfahren inhaftiert gewesen waren, kamen 2008 frei. Mit einem im September verabschiedeten neuen Pressegesetz wurde die Inhaftierung als Strafe für den Tatbestand der Verleumdung abgeschafft. Im Oktober verabschiedete das Parlament eine Novelle zum Personenstandsgesetz, mit der die Möglichkeit der Polygamie eingeschränkt wird.

Dennoch gab es Berichte über Menschenrechtsverletzungen. Die Asayish, die Sicherheitspolizei der KRG, konnte weitgehend straffrei operieren. Berichten zufolge wurden erneut Personen willkürlich festgenommen, und die Behörden brachten keine Klarheit in das Schicksal von Menschen, die dem "Verschwindenlassen" zum Opfer gefallen waren.

[Folterungen und andere Misshandlungen

] In Berichten war von Folterungen und anderen Misshandlungen durch die Asayish die Rede.

  • Im März 2008 wurden Melko ’Abbas Mohammad und seine 60-jährige Mutter Akthar Ahmad Mostafa unter dem Verdacht, einen Bombenanschlag verübt zu haben, festgenommen und 19 Tage lang in Einzelhaft gehalten. Melko ’Abbas Mohammad wurde nach vorliegenden Berichten im Asayish-Gishti-Gefängnis gefoltert, indem man ihn an den Gelenken aufhängte, ihn mit einem Kabel schlug und ihm Elektroschocks verabreichte. Im November sprach ein Gericht ihn und seine Mutter von allen Anklagen frei und ordnete ihre Freilassung an, doch die Asayish hielten die beiden weiter in Gewahrsam.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

In Berichten war von familiärer Gewalt gegen Frauen die Rede. Frauen sollen in Brand gesetzt und getötet worden sein, u.a. von männlichen Familienangehörigen. Weibliche Menschenrechtsverteidigerinnen wurden wegen ihres Engagements bedroht, etwa durch männliche Angehörige von Frauen, denen sie geholfen hatten. In einigen Fällen unterließen es die Behörden, die für Gewalt gegen Frauen Verantwortlichen zu identifizieren oder festzunehmen.

  • Am 11. Mai 2008 eröffneten in Sulaimaniya mehrere Männer das Feuer auf ein Frauenhaus der Frauenrechtsorganisation Asuda. Bei den Schützen handelte es sich vermutlich um Angehörige einer Frau, die durch die Schüsse schwer verletzt wurde.

Todesstrafe

2008 wurden mindestens neun Personen zum Tode verurteilt und drei Menschen hingerichtet. Mindestens 84 Menschen befanden sich in Todeszellen, darunter 33 in Erbil und 47 in Sulaimaniya. Im Juni verlängerte das Parlament die Anwendung des Antiterrorgesetzes von 2006, mit dem die Zahl der von der Todesstrafe bedrohten Verbrechen gestiegen war, für weitere zwei Jahre.

  • Im April wurden zwei Männer hingerichtet, die im Zusammenhang mit der Detonation einer Autobombe verurteilt worden waren. Bei dem Anschlag waren im Mai 2005 in Erbil 48 Menschen getötet worden.

Freie Meinungsäußerung

Mehrere Journalisten und Autoren, die über Korruption berichtet und die Politik von KRG und den beiden führenden kurdischen Parteien kritisiert hatten, erhielten Morddrohungen oder mussten mit strafrechtlicher Verfolgung rechnen. Ein Journalist wurde 2008 ermordet.

  • Souran Mama Hama wurde am 21. Juli in Kirkuk vor dem Haus seiner Eltern von zivil gekleideten Männern aus einem Auto heraus erschossen. Der Journalist hatte aus Sicherheitsgründen faktisch unter der Kontrolle der KRG gestanden. In den von ihm veröffentlichten Artikeln hatte er sich kritisch über Korruption und Nespotismus innerhalb der beiden größten kurdischen Parteien geäußert.

  • Der Arzt Adil Hussain wurde im November zu sechs Monaten Haft und einer Geldstrafe verurteilt, nachdem er sich in einem in der Tageszeitung Hawlati veröffentlichten Artikel aus medizinischer Sicht zu den Themen Sex und Homosexualität geäußert hatte. Nach internationalen Protesten ließ man ihn am 7. Dezember wieder frei.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Im Mai und Juni besuchten Vertreter von Amnesty International die kurdischen Gebiete im Irak.

Carnage and despair – Iraq five years on (MDE 14/008/2008) Iraqi refugees in Syria (MDE 14/010/2008) Rhetoric and reality – the Iraqi refugee crisis (MDE 14/011/2008) Al-Tanf camp – Trauma continues for Palestinians fleeing Iraq (MDE 14/012/2008)

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