Amnesty Journal 20. September 2010

Der Hass gegen die Liebe

In Malawi hat der Präsident im Mai ein schwules Paar ­begnadigt, das zu 14 Jahren Gefängnis mit Arbeitslager ­verurteilt worden war.

Von Pamo Roth

"Ich verhänge gegen Sie ein abschreckendes Strafmaß, damit die Öffentlichkeit vor Menschen wie Ihnen geschützt wird und wir nicht in Versuchung kommen, dieses abscheuliche Beispiel nachzuahmen", sagte der malawische Richter Nyakwawa Usiwa-Usiwa zur Begründung der Höchststrafe zu den Verurteilten. Sie hätten gegen die "natürliche Ordnung" verstoßen.

Steven Monjeza, 26, und Tiwonge Chimbalanga, 20, wurden am 27. Dezember 2009 verhaftet, einen Tag, nachdem sie öffentlich ihre Verlobung gefeiert hatten – die erste zwischen Schwulen in Malawi. Die Vorwürfe lauteten "Erregung öffentlichen ­Ärgernisses" und "unnatürliche Akte". Am 20. Mai 2010 wurde Monjeza wegen Analverkehr verurteilt, Chimbalanga, weil er ihn zugelassen habe.

Obwohl vor allem der Präsident von Malawi, Bingu wa Mutharika, nicht müde wird zu betonen, dass Homosexualität ein nicht-malawisches, sondern ein ausländisches Phänomen sei, teuflisch und von den Kolonialmächten eingeführt – ist gleichgeschlechtliche Liebe in der afrikanischen Geschichte gut dokumentiert. Kolonialistisch ist hingegen Homophobie. In 38 von 53 afrikanischen Staaten steht Homosexualität unter Strafe, teilweise droht sogar die Todesstrafe – nur in Südafrika sind gleichgeschlechtliche Zivilehen erlaubt.

Das Gesetz, das diese brutale Rechtsprechung in Malawi möglich macht, stammt aus der Zeit der Kolonisation durch die Briten. Seit der Missionierung, angestoßen durch den bis heute verehrten David Livingstone 1859 und der Gründung der englischen Kolonie Njassaland 1907, ist Malawi ein extrem christliches und konservatives Land.

Den Prozess gegen Chimbalanga und Monjeza verfolgten Tausende aufgebrachte Malawier, die noch härtere Strafen forderten. Auch die Medien beteiligten sich an der Schwulenhetze. Die konservativen Zeitungen in Malawi titelten am Tag nach dem Urteil: "Schuldig im Sinne der Anklage" ("The Nation") und "Schwule schuldig" ("Daily Times"). Auch die Kirche ist ein wichtiger Katalysator homo­pho­ber Bestrebungen, wie die Ausführungen von Pastor Mario Manyozo von der Word of Life Tabernacle Church in Malawi offenbaren: "Homosexualität ist gegen Gottes Schöpfung und ein teuflischer Akt, weil Schwule von Dämonen besessen sind."

Menschenrechtler auf der ganzen Welt kritisierten das Urteil. Amnesty International nannte es eine "Schande", erklärte die beiden Verurteilten zu gewaltlosen politischen Gefangenen und setzte sich für ihre Freilassung ein. Ein weiteres Druckmittel kam hinzu: Malawi ist eines der ärmsten Länder der Welt: 40 Prozent seines Staatshaushalts bestehen aus Entwicklungshilfe.

Bingu wa Mutharika – derselbe Präsident übrigens, der 2005 aus Angst vor Geistern aus seinem Präsidentenpalast floh – beugte sich dem internationalen Druck. Als UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon nach Malawi reiste und dessen Agrarpolitik lobte, begnadigte Mutharika die beiden Verurteilten am 29. Mai "aus humanitären Gründen" – nicht ohne zu betonen, dass sich dadurch an der juristischen und gesellschaftlichen Situation nichts ändere: Chimbalanga und Monjeza hätten "ein Verbrechen gegen unsere Kultur, gegen unsere Religion und gegen unsere Gesetze" begangen.

Die beiden wurden in der darauf folgenden Nacht freigelassen und von Gefängniswärtern getrennt in ihre Heimatdörfer gebracht. Weil ihre ursprüngliche Festnahme durch die Hetzjagd eines aufgebrachten Mobs verursacht war, ist die Situation heikel. Aktivisten sorgen sich nun um die Sicherheit der beiden Freigelassenen. Grünen-Politiker Volker Beck forderte die Bundesregierung auf, Monjeza und Chimbalanga Asyl anzubieten. Der Malawi-Länderexperte der deutschen Amnesty-Sektion, Stefan Berger, erklärte: "Amnesty fordert Malawis Regierung auf, das Paar vor Diskriminierung und Gewalt zu schützen." ­Sicher sind Chimbalanga und Monjeza noch lange nicht. Ihre Liebe bringt sie weiter in Gefahr, auch in Freiheit.

Dem öffentlichen Druck hielt ihre Liebe nicht stand: Sie trennten sich. Laut Chimbalanga ist Monjeza von Verwandten gezwungen worden, ihn zu verlassen und mit einer Frau zusammen zu sein.

Die Autorin ist freie Journalistin und arbeitete unter anderem für einen ­Radiosender in Malawi. Sie lebt in Berlin.

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