Amnesty Journal Indonesien 06. Februar 2009

Mit dem Koran für Frauenrechte

Indonesien
Das Land mit der weltweit größten muslimischen Bevölkerung war lange Zeit bekannt dafür, gegenüber anderen Religionen traditionell offen und tolerant zu sein. Doch besonders seit dem 11. September 2001 gewannen auch hier fundamentalistische Kräfte immer mehr Einfluss und setzten eine strengere Auslegung des Korans durch. Auf kommunaler Ebene gelten mittlerweile vielerorts Teile der Scharia. Die meisten dieser Regelungen zielen auf Frauen ab. Sie werden in einigen Regionen wegen angeblich zu freizügiger Kleidung von so genannten Sittenwächtern schikaniert.

Der wachsende konservative Einfluss bleibt aber nicht unwidersprochen. Moderate Muslime und Menschenrechtsgruppen formierten sich zu einer neuen Opposition, zu der auch die Frauenorganisation Rahima gehört. Die im Jahr 2000 gegründete NGO kämpft gegen patriarchale Strukturen, gegen Polygamie und Gewalt in der Ehe. Die Mitglieder der Initiative protestieren dabei nicht gegen den Islam als Religion, sondern kritisieren, dass Fundamentalisten den Koran falsch auslegen und instrumentalisieren.

Sie bauten in den ländlichen Gebieten ein Netzwerk von Islamschulen auf, in denen sie Gleichberechtigung und demokratische Ideen lehren. Die frauendiskriminierenden Forderungen der Islamisten entkräftigt Rahima mit Suren aus dem Koran, die die Frauenrechte betonen. Unterstützung bekommt die Organisation auch aus dem akademischen Umfeld. Die Islamgelehrte Musdah Mulia der Syarif Hidayatullah Universität in Jakarta kritisiert z.B. das 2008 erlassene Anti-Pornografie-Gesetz, das auf der Scharia fußt. Es beruhe auf einem frauenfeindlichen Verständnis der religiösen Lehren, da es den weiblichen Körper als "böse" und die Frauen als "Rückgrat der Moral" Indonesiens ansehe.

Schon 2004 legte Mulia zusammen mit Kollegen eine eigene Auslegung des islamischen Rechts vor. Ein Jahr später verbot ihr das Religionsministerium, "ihre Gedanken zu verbreiten". Die Dozentin setzt sich jedoch nicht nur für Frauenrechte ein, sondern auch für die Rechte von Homosexuellen oder Angehörigen religiöser Minderheiten. Für ihren Einsatz wurde sie im Dezember 2008 mit dem Yap Thiam Hien Award, dem Menschenrechts­preis der NGO Human Rights Study Center, geehrt.

Von Esther Hoffmann

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