Pressemitteilung 01. Juni 2009

Amnesty-Jahresversammlung 2009: Die EU hat die Wahl - Für ein Europa frei von Diskriminierung!

Beunruhigender Anstieg von Angriffen auf Roma scharf verurteilt / Scheidende Generalsekretärin Barbara Lochbihler verabschiedet

BERLIN, 01.06.2209 - Knapp eine Woche vor den Wahlen zum Europäischen Parlament warten in der Europäischen Union immer noch viele Menschen darauf, als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger ihre Menschenrechte in vollem Umfang wahrnehmen zu können. Dies kritisierten die Delegierten der deutschen Sektion von Amnesty International auf ihrer diesjährigen Jahresversammlung in Saarbrücken.

Vor allem Angriffe auf Roma haben in mehreren europäischen Ländern stark zugenommen. Mitten in Europa werden Roma verfolgt und gejagt, sie werden in Ghettos abgeschoben, bekommen keine Arbeit, sind von Basisgesundheitsversorgung ausgeschlossen, viele Roma-Kinder können keine Schule besuchen", sagte Stefan Keßler, Vorstandsprecher der deutschen Amnesty-Sektion. "Hier werden EU-Bürger massiv diskriminiert. Das ist ein europäischer Skandal und beschämend für die EU", sagte Keßler.

Die Jahresversammlung forderte die Institutionen der Europäischen Union und die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten auf, Roma und andere Minderheiten wirksam gegen diskriminierende Übergriffe zu schützen und dafür zu sorgen, dass sie nicht länger Opfer von Hassreden und bewusst geschürten Vorurteilen werden. Außerdem müsse die EU umgehend eine Rahmenstrategie zur Integration der Roma erarbeiten. Die Jahresversammlung forderte die Innenminister der deutschen Bundesländer auf, Roma nicht nach Serbien (ohne Kosovo) abzuschieben, da Roma dort nach wie vor massiv diskriminiert würden und Abschiebungen in der Regel ein Leben in Hunger, Elend und Obdachlosigkeit bedeute.

Mit stehenden Ovationen verabschiedeten sich die Amnesty-Delegierten von Barbara Lochbihler, die nach zehn Jahren aus dem Amt als Generalsekretärin scheidet. Vorstandssprecher Keßler würdigte die "unglaubliche Energie" und den "scharfen politischen Verstand" Lochbihlers und resümierte: "Die Bewegung für Menschenrechte hat ihr viel zu verdanken."

Die Jahresversammlung zeigte sich besorgt, dass Deutschland und andere EU-Staaten auf der Basis rechtlich unverbindlicher "diplomatischer Zusicherungen" Terrorverdächtige in Länder abschieben wollen, in den ihnen Verfolgung und Folter drohen. In Staaten wie Tunesien oder Algerien sind schwere Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Die Gefahr, dort trotz solcher "diplomatischer Zusicherungen" gefoltert oder misshandelt zu werden, ist für Terrorverdächtige besonders groß. Zur Zeit versuchen die Bundesregierung und Regierungen anderer EU-Staaten, dies zu einer gängigen Praxis auszubauen. In jüngster Zeit haben jedoch deutsche und europäische Gerichte Abschiebungen aufgrund diplomatischer Zusicherungen untersagt. "Solche Abschiebungen verletzen das absolute Folterverbot und leisten der Folter Vorschub", sagte Keßler. "Die Behörden der EU-Staaten müssen diese Praxis sofort aufgeben."

Die Jahresversammlung zeigte sich besorgt, dass der laufende zweite Prozess gegen die früheren Yukos-Verantwortlichen Michail Chodorkowski und Platon Lebedew erneut rechtsstaatlichen Standards nicht genügen könnte. Schon der erste Prozess war nach Amnesty-Beobachtung unfair verlaufen und nach Meinung vieler Beobachter politisch motiviert gewesen. Beiden Angeklagten drohen langjährige Haftstrafen.

Die Jahresversammlung wählte den siebenköpfigen Vorstand der deutschen Amnesty-Sektion neu. Vorstandssprecher Stefan Keßler und sein Stellvertreter Alexander Hülle wurden in ihren Ämtern bestätigt.

Am Pfingstsamstag, 30.05.2009, demonstrierten die Amnesty-Delegierten in der Saarbrücker Innenstadt für die grenzüberschreitende Bedeutung von Menschenrechten. Mehrere Hundert Luftballons mit Postkarten gingen am Tbilisser Platz in die Luft. Oberbürgermeisterin Charlotte Britz begrüßte die Demonstranten und nahm für die Stadt Saarbrücken ein Kunstwerk der Saarbrücker Künstlerin Heike Puderbach entgegen. Das mannshohe Kettenglied aus Eichenholz wurde von den Demonstrationsteilnehmern mit Hammer und Meißel aufgestemmt. Die Stadtverwaltung wird das Kunstwerk in der Stadt öffentlich aufstellen.

Die Jahresversammlung 2009 von Amnesty International Deutschland fand vom 30.05.2009 bis 01.06.2009 in Saarbrücken statt. Es nahmen rund 500 Delegierte aus ganz Deutschland sowie internationale Gäste u. a. aus Bangladesch, China, Ukraine, Frankreich und Großbritannien teil.

Für Rückfragen und Interviewwünsche erreichen Sie Amnesty-Pressesprecher Dawid Bartelt mobil unter 0151 52702175.

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