Pressemitteilung Aktuell Deutschland 10. April 2024

Deutschland: Politischer Handlungsbedarf bei Schwangerschaftsabbrüchen offensichtlich

Das Bild zeigt im Hintergrund viele Menschen, im Vordergrund ein Protestschild mit Aufschrift "§218 ersatzlos streichen"

Demonstration in Augsburg für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen anlässlich des Weltfrauentags am 8. März 2024

Die Bundesregierung muss Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren – das fordert Amnesty International anlässlich der gestern bekannt gewordenen Empfehlungen der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung als auch der heute vorgestellten Ergebnisse des Forschungsprojekts "Erfahrungen und Lebenslagen ungewollt Schwangerer – Angebote der Beratung und Versorgung" (ELSA).

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse beider Gremien unterstreichen nach Einschätzung von Amnesty International die menschenrechtliche Notwendigkeit, den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu erleichtern und Abtreibungen nicht weiter im Strafrecht zu regeln. Noch vor der offiziellen Veröffentlichung des Abschlussberichts am kommenden Montag haben Medien über die relevanten Empfehlungen der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung berichtet. 

Katharina Masoud, Expertin für Geschlechtergerechtigkeit bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "Die Bundesregierung muss endlich handeln und die deutsche Gesetzgebung zu Schwangerschaftsabbrüchen mit internationalen menschenrechtlichen Standards in Einklang bringen. Der UN-Frauenrechtsausschuss hat Deutschland bereits vor einem Jahr dazu aufgerufen, Schwangerschaftsabbrüche in Übereinstimmung mit den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation vollständig zu entkriminalisieren. Die Empfehlungen der von der Bundesregierung selbst eingesetzten Expertinnen-Kommission für reproduktive Selbstbestimmung müssen beachtet werden. Schwangerschaftsabbrüche sollten schnellstmöglich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden.

Wir begrüßen die Empfehlung der Kommission, Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuchs zu regeln. Aus menschenrechtlicher Sicht sollte eine neue Regelung jedoch nicht auf eine bestimmte Frist innerhalb der Schwangerschaft beschränkt werden. Darüber hinaus fordern wir – im Einklang mit den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation und menschenrechtlicher Gremien – die Pflichtberatung und die verpflichtende Wartezeit abzuschaffen."

Wenn Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr ein Fall fürs Strafgesetzbuch sind, reduziert dies nach Einschätzung von Amnesty International auch das gesellschaftliche Stigma, das mit Abtreibungen verbunden ist und von dem ungewollt Schwangere sowie Ärzt*innen in der ELSA-Studie berichten. Die Studie zeigt auf, dass die ungleiche Versorgungslage dringend verbessert werden muss.

Masoud sagt: "Es darf nicht sein, dass – wie von der ELSA-Studie ermittelt – 4,5 Millionen Menschen in Deutschland kein Angebot für einen Schwangerschaftsabbruch in erreichbarer Umgebung haben. Es ist erschreckend, dass jede fünfte Frau von mehr als einer Barriere in der Verfügbarkeit und/oder Erreichbarkeit berichtet. Wie vom UN-Frauenrechtsausschuss gefordert, müssen insbesondere regionale Unterschiede abgebaut werden, die Frauen aus Regionen mit einem geringeren Versorgungsgrad benachteiligen. Auch Benachteiligungen aufgrund finanzieller Möglichkeiten müssen abgeschafft werden und daher sollten – wie von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen – Abtreibungen durch die Krankenkassen erstattet werden."

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