Amnesty Report Rumänien 14. Mai 2009

Rumänien 2009

 

Amtliche Bezeichnung: Rumänien Staatsoberhaupt: Traian Basescu Regierungschef: Emil Boc (löste im Dezember Calin Popescu-Tariceanu im Amt ab) Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 21,3 Mio. Lebenserwartung: 71,9 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 20/15 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 97,3%

Erneute Anschuldigungen, Rumänien sei am US-Programm geheimer Hafteinrichtungen und rechtswidriger Gefangenenüberstellungen beteiligt gewesen, dementierte die Regierung weiterhin, und eine Untersuchungskommission des Senats stützte die Aussagen der Regierung. Beamte mit Polizeibefugnissen waren Berichten zufolge für Misshandlungen, den exzessiven Einsatz von Gewalt und rechtswidrigen Schusswaffengebrauch verantwortlich. Angehörige der Gemeinschaft der Roma waren ebenso wie sexuelle Minderheiten nach wie vor Diskriminierungen ausgesetzt.

Hintergrund

Die Europäische Kommission veröffentlichte im Juli 2008 einen Fortschrittsbericht zu Rumänien. Darin wurden die Behörden aufgefordert, das Justizwesen zu verbessern und Maßnahmen zur Bekämpfung der Korruption zu stärken, insbesondere auf der Ebene der Kommunalverwaltung.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Die Behörden reagierten nicht zufriedenstellend auf wiederholte Aufforderungen der EU-Kommission, die Vorwürfe zu klären, im Rahmen des US-Programms geheimer rechtswidriger Gefangenenüberstellungen und geheimer Inhaftierungen sowie in Fällen von "Verschwindenlassen" sei rumänisches Hoheitsgebiet genutzt worden.

Im Februar 2008 erklärte ein hochrangiger Behördenvertreter in einem Interview, er habe 2004 und 2005 in einem abgelegenen Teil des gut bewachten Flughafens Mihail Kogalniceanu in der Nähe von Constanta (Konstanza) fünfmal einen schwarzen Bus beobachtet. Daraus seien Pakete, die wie zusammengeschnürte Menschen ausgesehen hätten, ausgeladen und in ein Flugzeug eingeladen worden, das dann in Begleitung zweier Angehöriger des US-Geheimdienstes CIA in Richtung Nordafrika geflogen sei. Nach Aussage des Behördenvertreters hätten die US-amerikanischen Piloten die Flugpläne mit falschen Angaben versehen bzw. gar nicht ausgefüllt und seien ohne Angabe des Zielorts abgeflogen.

Im Februar bemängelte die EU-Kommission die unzureichende Reaktion Rumäniens auf eine Aufforderung des EU-Kommissars für Justiz, Freiheit und Sicherheit zu gerichtlichen Untersuchungen hinsichtlich der Existenz geheimer CIA-Hafteinrichtungen auf rumänischem Hoheitsgebiet. Die EU-Kommission forderte Rumänien erneut auf, Informationen über den mutmaßlichen Transport oder die Inhaftierung von Personen, denen die Beteiligung an Terrordelikten zur Last gelegt wird, zur Verfügung zu stellen. Präsident Traian Basescu erklärte, er habe keine Kenntnis über verdächtige Pakete, die über den Flughafen Mihail Kogalniceanu ausgeflogen worden seien. Zudem wies er darauf hin, dass der Flughafen sowohl für rumänische als auch für ausländische Journalisten zugänglich sei.

Die Regierung bestritt wiederholt jegliche Beteiligung am US-Programm der geheimen Inhaftierungen und rechtswidrigen Gefangenenüberstellungen und verwies auf die Untersuchung einer Senatskommission zwischen 2006 und 2007, die keine Anhaltspunkte für eine solche Beteilung gefunden hatte. Der Untersuchungsbericht der Kommission, der in weiten Teilen unter Geheimhaltung stand, kam zu dem Schluss, dass "die Anschuldigungen gegen Rumänien gegenstandslos sind". Der Senat nahm den Bericht im April 2008 an.

Im August stellte die NGO Vereinigung zur Verteidigung der Menschenrechte in Rumänien – Helsinki-Komitee (APADOR-CH) mehrere Anfragen, u.a. an die Untersuchungskommission des Senats. Die Kommission antwortete im Oktober, dass es nicht in ihr Mandat falle, den Zweck der Flüge im rumänischen Luftraum zu überprüfen, vielmehr sei es ihre Aufgabe, die Berichte über CIA-Hafteinrichtungen in Rumänien oder Flüge mit von der CIA gecharterten Maschinen auf rumänischem Hoheitsgebiet zu untersuchen. Deshalb verfüge die Kommission über keinerlei Informationen über den Zweck der Flüge und habe auch keine darüber eingeholt. Die Kommission erklärte zudem, sie habe die zuständigen Behörden gebeten zu erwägen, bestimmte Informationen in ihrem Bericht freizugeben. Bis Ende 2008 lag darüber noch keine Entscheidung vor.

Exzessive Gewaltanwendung, Folter und andere Misshandlungen

Nach wie vor gingen Berichte über Misshandlungen und den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt durch Beamte mit Polizeibefugnissen ein. Viele der Opfer waren Angehörige der Gemeinschaft der Roma.

  • Ion Boaca, ein Angehöriger der Roma, und sein 15-jähriger Sohn haben ausgesagt, Verletzungen erlitten zu haben, als im August 2008 Angehörige der örtlichen Polizei und der Gendarmerie in ihr Haus im Dorf Clejani im Bezirk Giurgiu eindrangen. Die Sicherheitskräfte schlugen Ion Boaca mit einem Gewehr ins Gesicht und feuerten ein Gummigeschoss auf seinen Sohn. Zwei Kinder, zwei bzw. vier Jahre alt, verloren das Bewusstsein, als die Polizei mit Tränengas in das Haus schoss.

  • Am 4. März 2008 urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Rumänien keine angemessene Untersuchung der Vorwürfe eingeleitet hatte, denen zufolge Polizisten Constantin Stoica misshandelt haben. Der 14-jährige Roma-Junge, der von den NGOs European Roma Rights Centre und Romani CRISS vertreten wurde, war im April 2001 bei einem Zusammenstoß zwischen Polizisten und Roma vor einer Bar in Guilia verletzt worden. Die Beamten stießen ihn zu Boden, schlugen und traten ihn vor den Kopf, obwohl er ihnen gesagt hatte, dass er vor kurzem am Kopf operiert worden war. Die nach dem Angriff erstellten medizinischen Gutachten ergaben, dass der Jugendliche aufgrund der Misshandlungen nun schwerbehindert ist. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass das Verhalten der Polizisten eindeutig rassistisch motiviert war.

Im Dezember 2008 legte das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) einen Bericht über seinen Besuch in Rumänien im Juni 2006 vor. Darin hieß es, ein erheblicher Teil der befragten Gefangenen habe von exzessiver Gewaltanwendung der Polizei bei der Festnahme sowie tätlichen Angriffen bei den darauffolgenden Verhören gesprochen.

Die Regierung passte die Gesetze über den Einsatz von Schusswaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen nicht den entsprechenden internationalen Standards an.

  • Außerdem reagierten die Behörden nicht auf die Erkenntnisse einer Untersuchung der UN-Übergangsverwaltungsmission im Kosovo (UNMIK) zum Tod von zwei Männern und zur schweren Verletzung eines weiteren bei einer Demonstration am 10. Februar 2007 in Pristina, Kosovo. Die UNMIK-Ermittlung hatte ergeben, dass der Tod der beiden Männer und die Verletzung des dritten Mannes darauf zurückzuführen waren, dass Angehörige der dort stationierten rumänischen Polizeieinheit unsachgemäß nicht mehr zu verwendende Gummigeschosse eingesetzt hatten. Bis Ende 2008 war noch kein für die Todesfälle Verantwortlicher ermittelt worden. Die Ermittlungen wurden fortgesetzt.

Psychiatrische Einrichtungen

Mehrere rumänische und internationale Nichtregierungsorganisationen, darunter Amnesty International, die rumänische Organisation Centrul de Resurse Juridice und Save the Children in Rumänien, zeigten sich weiterhin besorgt darüber, dass die Unterbringung, die Lebensbedingungen und die Behandlung von Patienten in psychiatrischen Einrichtungen nach wie vor gegen internationale Menschenrechtsstandards verstoßen.

Die rumänischen Behörden räumten im Mai ein, dass die Maßnahmen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen immer noch unzureichend seien und dass Institutionen und Organisationen zur Pflege viel zu wenig Personal hätten und dieses nicht über die erforderliche Spezialausbildung verfüge.

In seinem Bericht vom Dezember äußerte sich das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) besorgt über die Vorgehensweise bei der Einweisung und den rechtlichen Status der Menschen in psychiatrischen Krankenhäusern und ambulanten Pflegeeinrichtungen. Das CPT betonte, dass diese Einrichtungen oftmals mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln arbeiteten und über unangemessene Bedingungen und nur begrenzte Möglichkeiten der Betätigung innerhalb der Häuser und im Freien für Patienten berichtet werde. Das Komitee verwies auch auf Todesfälle aus den Jahren 2004 und 2005, die auf schwere Unterernährung in einer Klinik in der Stadt Nucet zurückzuführen waren. Das CPT forderte die Behörden auf, sicherzustellen, dass alle Todesfälle in psychiatrischen Einrichtungen und anderen sozialen Stätten angemessen untersucht werden, wenn die Betroffenen unter 40 Jahre alt waren und keine tödliche Krankheit festgestellt wurde.

Diskriminierung

Roma

Angehörige der Roma waren nach wie vor weit verbreiteten und tief verwurzelten Diskriminierungen sowohl seitens der Behörden als auch der Gesamtgesellschaft ausgesetzt. Die rumänischen Behörden leiteten keine angemessenen Maßnahmen ein, um gegen Diskriminierung und Gewalt gegen Roma vorzugehen.

Im September hat das Oberste Kassationsgericht Rumäniens geurteilt, dass der von Präsident Traian Basescu im Mai 2007 benutzte Ausdruck "dreckige Zigeunerin" in Bezug auf eine Journalistin eine Diskriminierung darstellt. Das Gericht verhängte jedoch keine Strafe, weil der Ausdruck in einem Privatgespräch gefallen war.

Angehörige der Roma hatten weiterhin keinen gleichberechtigten Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt oder zu Gesundheits- und Bildungsleistungen. In ihrem Bericht an den UN-Menschenrechtsrat im Rahmen der universellen regelmäßigen Überprüfung (UPR) räumte Rumänien im Mai ein, dass die Roma-Gemeinschaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgesetzt und besonders gefährdet sind, auf verschiedene Weise diskriminiert zu werden. Der Bericht verwies außerdem darauf, dass Roma von politischen Maßnahmen betroffen sind, die – vor allem im Bildungsbereich – zu ihrer Ausgrenzung führen könnten.

  • Am 2. Oktober 2008 begann Istvan Haller, Mitglied des Staatlichen Rats für Diskriminierungsbekämpfung (Consiliul National pentru Combaterea Discriminarii), einen Hungerstreik. Damit protestierte er gegen die fortgesetzte Weigerung der Regierung, die Maßnahmen umzusetzen, die sie nach den schweren Angriffen auf Roma-Gemeinden in Hãdãreni, Plaieşii de Sus und Casinul Nou in den frühen 1990er Jahren zugesagt hatte. Damals waren bei gewaltsamen Ausschreitungen einer aufgebrachten Menschenmenge mindestens fünf Roma getötet und 45 Häuser zerstört worden. Hunderte Menschen wurden dadurch obdachlos, während die örtlichen Behörden nicht einschritten bzw. sich sogar aktiv an den Gewalttaten beteiligten.

Nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in den Jahren 2005 und 2007 zu diesen Fällen verpflichtete sich die rumänische Regierung, Entwicklungsprojekte auf Gemeindeebene einzuleiten, um die Lebensbedingungen der Roma und die Beziehungen zwischen den ethnischen Gruppen zu verbessern. Zu den versprochenen Maßnahmen gehörten Infrastrukturprojekte, darunter der Bau von Häusern für diejenigen, die durch die Zerstörungen obdachlos geworden waren, sowie Antidiskriminierungs-, Bildungs- und andere Maßnahmen. Die Regierung kam ihren Zusagen jedoch nicht nach. Istvan Haller beendete seinen Hungerstreik am 9. Oktober, nachdem die Regierung zugesichert hatte, die Finanzierung des Projekts in Hãdãreni nicht zu behindern. Zudem hatten die Behörden entschieden, die geplanten Projekte in Plaieşii de Sus und Casinul Nou zu beginnen.

Sexuelle Minderheiten

In ihrem UPR-Bericht an den UN-Menschenrechtsrat bestätigte Rumänien im Mai, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen weiterhin Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt seien.

Im Februar wurde durch einen vom Senat initiierten Zusatz zur rechtlichen Definition der Familie die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern gewissermaßen verboten. Der Zusatz novellierte ein Gesetz von 1953 und definierte die Ehe nun als Verbindung "zwischen einem Mann und einer Frau". Am 24. Mai marschierten rund 200 Menschen, die sich für die Rechte sexueller Minderheiten einsetzen, unter erheblichem Polizeischutz in einer Gay-Parade durch Bukarest. Sie stellten sich damit Bemühungen religiöser und rechtsextremer Gruppen entgegen, diese jährliche Veranstaltung verbieten zu lassen.

Amnesty International: Mission und Bericht

Vertreter von Amnesty International besuchten Rumänien im Oktober. Eastern Europe: Eighth session of the UN Human Rights Council, 2 – 20 June 2008: Review of the Czech Republic, Poland and Romania under the Universal Periodic Review: Amnesty International’s reflections on the outcome (EUR 02/001/2008)

Weitere Artikel