Aktuell Libyen 19. März 2012

Libyen: Die vergessenen zivilen Opfer

Mustafa Naji al-Morabit vor den Trümmern seines am 4. August 2011 zerstörten Hauses in Zlitan, Libyen, Februar 2012.

Mustafa Naji al-Morabit vor den Trümmern seines am 4. August 2011 zerstörten Hauses in Zlitan, Libyen, Februar 2012.

19. März 2012 – Vier Monate nach dem Ende der Militärkampagne in Libyen hat die NATO immer noch keine Anstrengungen unternommen, um den Tod zahlreicher Zivilisten aufzuklären, die während der NATO-Luftangriffe ums Leben gekommen sind. Genau ein Jahr nach den ersten Luftangriffen der NATO dokumentiert Amnesty International in dem Bericht "Libya: The forgotten victims of NATO Strikes" 55 Fälle, in denen Zivilpersonen bei Luftangriffen in Tripolis, Zlitan, Majer, Sirte und Brega getötet wurden.

Im Januar und Februar war eine Delegation von Amnesty International in Libyen, um mit Überlebenden, Angehörigen und Augenzeugen zu sprechen und Orte zu besichtigen, die durch die NATO-Luftangriffe zerstört wurden. Das Ergebnis: Opfer und Angehörige werden noch immer im Dunkeln darüber gelassen, was geschehen ist und wer verantwortlich ist.

Die meisten durch die NATO verursachten zivilen Todesopfer - darunter 16 Kinder und 14 Frauen - wurden in Privathäusern getötet. Keines davon wurde nach Erkenntnissen von Amnesty für militärische Zwecke genutzt. Bis heute hat die NATO die Fälle weder untersucht noch Kontakt mit Überlebenden oder Familienangehörigen der Opfer aufgenommen.

"Die NATO übernimmt nicht die nötige Verantwortung. Die Opfer und ihre Familien fühlen sich vergessen. NATO-Offizielle hatten mehrfach Bemühungen um Aufklärung der Umstände beteuert. Doch bisher gab es nur ein paar vage Äußerungen des Bedauerns", sagt Carsten Jürgensen, Mitglied der Amnesty-Delegation in Libyen.

Die NATO scheint während der Angriffe zwar erhebliche Anstrengungen unternommen zu haben, um zivile Opfer zu vermeiden. Das entbindet sie jedoch nicht von der Verantwortung, jene Vorfälle genauer zu untersuchen, bei denen Zivilpersonen ums Leben kamen oder verletztwurden und die Opfer und ihre Angehörigen zu entschädigen. Es muss außerdem geprüft werden, ob bei den Angriffen Völkerrecht verletzt wurde, damit gegebenenfalls die Verantwortlichen vor Gericht gebracht werden können. Amnesty International fordert die NATO auf, umgehend eine unabhängige und gründliche Untersuchung einzuleiten und die Opfer und ihre Familien zu entschädigen.

Weitere Informationen

Amnesty-Bericht "Libya: The forgotten victims of NATO Strikes" (PDF, Englisch)

Sonderseite: "Der Arabische Frühling darf nicht verblühen"

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