Aktuell Taiwan 07. Dezember 2011

Taiwan: Chiou Ho-shun

Mit über 23 Jahren in Haft ist Chiou Ho-shun der am längsten inhaftierte Angeklagte in dem am längsten währenden Kriminalfall des Landes. Der Fall wurde kürzlich von seinen Anwälten als ein "Schandfleck der Rechtsgeschichte unseres Landes" bezeichnet.

Dezember 2011 - Chiou Ho-shun und zehn seiner Mitangeklagten sagen, dass sie gefoltert wurden, um Geständnisse abzulegen, und dass ihnen das Recht verweigert wurde, in den ersten vier Monaten ihrer Haft mit irgendjemandem zu kommunizieren. Auch wurde ihnen während der Untersuchung und der Verhöre ein Anwalt verweigert.

Chiou Ho-shun und seine Mitangeklagten zogen später ihre Geständnisse zurück. Sie wurden zuerst vor das Bezirksgericht gestellt im Zusammenhang mit zwei getrennten Verbrechen, die sich 1987 ereigneten: der Entführung und Ermordung des neun Jahre alten Jungen Lu Cheng und der Ermordung von Ko Hung Yu-lan.

Der Hohe Gerichtshof erkannte an, dass während der polizeilichen Untersuchung Gewalt und Einschüchterung angewandt wurden. Das Gericht wies aber nicht das volle Geständnis aus dem Beweismaterial zurück, sondern nur Teile der Verhörmitschnitte, bei denen die Misshandlung der Verdächtigen klar zu hören war. Die Geständnisse waren auch zum Teil widersprüchlich und wichen bezüglich der Schlüsseldaten voneinander ab.

1989 wurde Chiou Ho-shun wegen Raub, Entführung und Mord zum Tode verurteilt. Von den zwölf Angeklagten wurde allein er zum Tode verurteilt.

Chiou Ho-shuns Fall wurde zwischen dem Hohen und Obersten Gerichtshof elfmal zur Wiederverhandlung hin und her verwiesen. Alle Todesstrafenfälle in Taiwan müssen vom Obersten Gerichtshof bestätigt werden, der problematische Fälle an den Hohen Gerichtshof für ein Wiederaufnahmeverfahren zurückverweisen kann, bei dem die Verteidigung neues Beweismaterial vorlegen kann (wie oft solche Verweisungen vorgenommen werden können, ist nicht begrenzt).

1994 wurden zwei Staatsanwälte und zehn Polizeioffiziere, die mit dem Fall von Lu Cheng befasst waren, wegen der Erlangung eines Geständnisses durch Folter verurteilt. Auch räumte die Polizei 2003 ein, dass sie zuvor die Tatsache vertuscht und nicht untersucht hatte, dass ein anderer Todeszelleninsasse kurz vor seiner Hinrichtung die Morde gestanden hatte.

Nachdem Chiou Ho-shun und die Mitangeklagten beim zehnten Wiederaufnahmeverfahren vor dem Hohen Gerichtshof 2009 wiederum verurteilt worden waren, entschied der Oberste Gerichtshof erneut, dass das Verfahren Mängel hatte, und führte unter anderem Behauptungen an, dass die Urteile auf erzwungenen Geständnissen beruhten.

Das Gericht verwies dann den Fall zum elften Mal an den Hohen Gerichtshof zur Wiederaufnahme zurück. Dieser bestätigte jedoch im Mai 2011 erneut Chiou Ho-shuns Todesurteil. Nach dieser Entscheidung sagte Chiou Ho-shun dem Gericht: "Ich habe niemanden getötet. Warum haben die Richter nicht den Mut, mich für unschuldig zu erklären?" Am 28. Juli 2011 verlor Chiou Ho-shun sein letztes Berufungsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof, und am 25. August 2011 wies der Generalstaatsanwalt eine Bitte zurück, eine außerordentliche Berufung für ein Wiederaufnahmeverfahren einzureichen. Chiou Ho-shun könnte jederzeit hingerichtet werden.

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Appellieren Sie an den Justizminister

  • die Hinrichtung von Chiou Ho-shun durch juristische oder andere Maßnahmen zu verhindern,

  • die Berichte über Folter und andere Misshandlung zu untersuchen und sicherzustellen, dass alle Aussagen, die aus solchem Zwang resultieren, vollständig aus jedem Wiederaufnahmeverfahren ausgeschlossen werden,

  • sicherzustellen, dass Chiou Ho-shun in Wiederaufnahmeverfahren vor Gericht gestellt wird, die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen,

  • alle Hinrichtungen und Verhängungen der Todesstrafe auszusetzen als einen Schritt hin zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe,

  • die Gesetze zu revidieren und die Politik und Praxis zu verändern, um faire Verfahren sicherzustellen, die in Übereinstimmung mit internationalen Standards stehen,

  • sicherzustellen, dass die zum Tode Verurteilten eine wirksame Möglichkeit haben, ihr Recht auszuüben, eine Begnadigung oder Umwandlung ihres Urteils zu ersuchen, die in Übereinstimmung mit internationalen Standards steht.

Schreiben Sie an:

Minister of Justice
Ministry of Justice
No. 130, Sec. 1, Chungqing S. Rd.
Chungcheng Dist.
Taipei City 100
Taiwan
email: tyftp@mail.moj.gov.tw

Hintergrund

Obwohl Taiwan kein Mitglied der Vereinten Nationen ist, ratifizierte die Regierung 2009 den Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte und verabschiedete Gesetze, um seine Bestimmungen in nationales Recht, Politik und Praxis umzusetzen. Revisionen des Strafprozessrechts von 2003 setzen fest, dass Geständnisse nicht als alleiniges Beweismittel für Schuld dienen können. Das Recht verbietet auch Gerichten, Informationen, die durch Folter erlangt wurden, als Beweismaterial zu verwenden. Wie der vorliegende Fall zeigt, verlässt man sich jedoch immer noch auf solche Beweise. Das Recht, um Begnadigung und Umwandlung des Urteils zu bitten, ist im Amnestiegesetz festgehalten, aber es existieren keine Regeln für seine Anwendung. Gefangene sind hingerichtet worden, während sie noch auf Entscheidung über ihre Begnadigungsgesuche warteten. Im April 2010 richtete Taiwan vier Gefangene hin, ohne die Anwälte oder Angehörigen zu benachrichtigen, und beendete damit ein Hinrichtungsmoratorium, das seit Dezember 2005 galt. Seit 2000 hat die Regierung mehrfach die Absicht angekündigt, die Todesstrafe abzuschaffen.

Schlagworte

Taiwan Aktuell Todesstrafe

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