Krimtatar verurteilt

Diese Urgent Action ist beendet.

Ilmi Umerov und Akhtem Chiygoz sind frei: Die beiden Aktivisten und Krimtataren wurden am 25. Oktober in die Türkei ausgeflogen und dort freigelassen. Zuvor waren sie von einem De-facto-Gericht der von Russland besetzten Krim zu Haftstrafen verurteilt worden. Am 27. Oktober reisten sie in die ukrainische Hauptstadt Kiew, von wo sie auf die Krim zurückkehren wollen.

Zhen Jianghua ist hinter Gittern, seine Hände an den Gitterstäben. An der Außenwand ein Schild: Polizeiwache.

Der chinesische Menschenrechtsverteidiger Zhen Jianghua hinter Gittern auf einer Polizeiwache

Der bekannte Aktivist und Krimtatar Ilmi Umerov wurde am 27. September zu zwei Jahren Gefängnis in einer Strafkolonie verurteilt, weil er die russische Besetzung der Krim kritisiert hatte. Das Gericht verhängte zudem ein zweijähriges Verbot seiner öffentlichen Aktivitäten. Der Schuldspruch gegen Ilmi Umerov sollte umgehend aufgehoben und alle Anklagen gegen ihn fallengelassen werden.

Appell an

De-facto Staatsanwalt der Krim

Oleg Anatolyevich Kamshylov

Fax: (00 7) 365 255 03 10

Sende eine Kopie an

De-facto Menschenrechtsbeauftragte der Krim

Lyudmila Lyubina

E-Mail: upchvrk@mail.ru

Amnesty fordert:

  • Bitte stellen Sie alle Strafverfahren gegen Ilmi Umerov ein und sorgen Sie bitte dafür, dass der Schuldspruch gegen ihn aufgehoben wird und alle Anklagen gegen ihn fallengelassen werden, da seine Strafverfolgung allein mit der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung begründet wird.
  • Beenden Sie bitte die Verfolgung und Schikanierung abweichender Meinungen von Angehörigen der Gemeinschaft der Krimtatar_innen und respektieren Sie in vollem Umfang die Rechte jedes Menschen auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit.

Sachlage

Am 27. September befand ein De-facto-Gericht in Simferopol Ilmi Umerov, einen bekannten Kritiker der russischen Besetzung und stellvertretender Sprecher der Medschlis (der Vertretung) des Krimtatarischen Volkes für schuldig, "öffentlich dazu aufgerufen zu haben, die territoriale Integrität der Russischen Föderation zu verletzen" (Paragraf 280.1 des Russischen Strafgesetzbuchs). Obwohl die Staatsanwaltschaft eine Bewährungsstrafe gefordert hatte, verurteilte ihn das Gericht zu zwei Jahren Haft in einer Strafkolonie und einem zweijährigen Verbot öffentlicher Aktivitäten. In seiner Abschlusserklärung vor Gericht sagte Ilmi Umerov, dass die Anklagen gegen ihn nur dazu dienen, "diejenigen zu bestrafen, die die Annektierung der Krimhalbinsel durch Russland im Jahr 2014 kritisieren". Die Rechtsbeistände von Ilmi Umerov haben bereits Rechtsmittel gegen den Schuldspruch eingelegt. Er befindet sich bis zur Anhörung des Rechtsmittels auf freiem Fuß. Bisher steht jedoch noch kein Datum für eine Anhörung fest. Bei Zurückweisung der Rechtsmittel wird Ilmi Umerov im russischen Strafvollzugssystem inhaftiert und somit ein gewaltloser politischer Gefangener.

Die Rechtsbeistände und die Familie von Ilmi Umerov sind zudem besorgt, dass Ilmi Umerov in einer russischen Hafteinrichtung nicht die medizinische Behandlung erhalten würde, die der 60-jährige Aktivist aufgrund seiner Parkinson-, Diabetes- und Herzerkrankungen benötigt.

Ilmi Umerov wurde im Zusammenhang mit einem Fernsehinterview im März 2016 schuldig gesprochen. Darin hatte er darauf bestanden, dass Russland "gezwungen werden sollte, die Krim, Donezk und Luhansk wieder zu verlassen". Die Städte Donezk und Luhansk in der Ostukraine befinden sich unter der Kontrolle bewaffneter, von Russland unterstützter Gruppen. Der Schuldspruch gegen Ilmi Umerov kennzeichnet eine weitere Eskalationsstufe bei der schon lange währenden Verfolgung von Ilmi Umerov durch die De-facto-Regierung.

Seiner Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe gehen eine Reihe von politisch motivierten Verfahren, willkürlichen Festnahmen und Einschüchterungen gegen Kritiker_innen der russischen Besetzung der Krim voraus, die einen klaren Verstoß der Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit darstellen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ilmi Umerov wurde in Usbekistan als Sohn krimtatarischer Eltern geboren, die von den Behörden der Sowjetunion 1944 von der Krim vertrieben worden waren. Nachdem die Krimtatar_innen ab Ende der 1980er auf die Halbinsel zurückkehrten, wurde Ilmi Umerov ein bekanntes Mitglied der kulturellen Bewegung der Krimtatar_innen und Lokalpolitiker. Nach der Besetzung und Annexion der Halbinsel durch Russland trat Ilmi Umerov im August 2014 aus Protest von seinem Amt als Vorsitzendem der lokalen Verwaltung des Bezirks Bachtschyssaraj zurück und ernannte einen stellvertretenden Vorsitzenden der Medschlis, der Vertretung der Krimtatar_innen. Hochrangige Mitglieder der Medschlis des Krimtatarischen Volkes sind im Zusammenhang mit ihrem offenen Widerstand gegen die Besetzung und Annexion der Krim Opfer von Vergeltungsmaßnahmen wie Drangsalierungen, Zwangsexil und Strafverfolgungen geworden. Am 26. April 2016 erklärte der Oberste Gerichtshof der Krim, dass die Medschlis nach russischem Recht eine "extremistische Organisation" sei und somit die Mitgliedschaft und jede weitere Aktivität im Namen der Organisation eine Straftat darstelle.

Das Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist noch nicht angehört worden. Weitere Informationen hierzu finden Sie in einer englischsprachigen Presseerklärung unter: https://www.amnesty.org/en/press-releases/2016/04/ban-on-ethnic-crimean….

Seit der Annexion durch Russland im März 2014 hat Amnesty International einen alarmierenden Anstieg von Verstößen gegen die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit auf der Krim dokumentiert. Weitere Informationen finden Sie im englischsprachigen Bericht: Crimea in the Dark: the Silencing of Dissent, https://www.amnesty.org/en/documents/eur50/5330/2016/en/. Zudem sind mehrere Krimtatar_innen sowie weitere pro-ukrainische Aktivist_innen Opfer des Verschwindenlassens geworden. Am 24. Mai 2016 "verschwand" Ervin Ibragimov, ein Aktivist und Krimtatar, in der Nähe seines Hauses (siehe UA-130/2016, unter: http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-130-2016/verschwindenlassen-auf-der-krim). Filmaufnahmen einer Kamera zeigen, wie Ervin Ibragimov von einer Gruppe von Männern in einen Lieferwagen gezwungen und weggebracht wurde. Keiner dieser Fälle des Verschwindenlassens ist bisher wirksam untersucht worden.

Im September 2017 wurden zwei weitere Kritiker_innen der russischen Annektierung der Krim von De-facto-Gerichten schuldig gesprochen, weil sie sich gewaltfrei gegen die De-facto-Behörden gewehrt hatten. Am 22. September wurde der ukrainische Journalist und Krimbewohner Mykola Semena des "Separatismus" schuldig befunden. Elf Tage zuvor wurde Akhtem Chiygoz, ein anderer stellvertretender Sprecher der Medschlis, in einem Scheinverfahren zu acht Jahren Gefängnis in einer Strafkolonie verurteilt.