Aktuell Europa und Zentralasien 01. August 2014

EU muss Gesetzeslücken beim Handel mit Folterinstrumenten schließen

Fixierstuhl: "Es verbleiben nach wie vor Gesetzeslücken"

Fixierstuhl: "Es verbleiben nach wie vor Gesetzeslücken"

29. Juli 2014 - Anlässlich eines am 28./29. Juli in Brüssel abgehaltenen Expertentreffens der Europäischen Union (EU) forderten Amnesty International und die Omega Research Foundation eine verbesserte Regelung, um den Handel mit Folterinstrumenten in den einzelnen Mitgliedstaaten wirksam zu bekämpfen.

Erforderlich ist eine Schließung bestehender Gesetzeslücken, aufgrund derer der Umgang mit Geräten und Technologien, die von Vollstreckungsorganen ohne Weiteres für Folter oder andere grausame, unmenschliche Behandlungen und Bestrafungen eingesetzt werden können, beworben, vermittelt und ermöglicht werden kann.

"Die kürzlich überprüften europäischen Regelungen gegen den Handel mit Folterwerkzeugen sind bahnbrechend und weltweit einzigartig, jedoch verbleiben nach wie vor Gesetzeslücken" so Brian Woods, Experte für Waffenkontrolle, Sicherheit, Handel und Menschenrechte bei Amnesty International.

"Die Reichweite bereits verbotener Artikel umfasst eine regelrechte Folterkammer: Daumenschrauben, Fixierstühle, Schlagstöcke aus Metall und sogar Systeme zur Verabreichung tödlicher Injektionen. Auf neue Foltertechniken und -instrumente muss sofort reagiert werden. Die Ausweitung der Liste kontrollierter Gegenstände im Abstand einiger Jahre alleine reicht hierfür nicht aus."

"Der gerade stattfindende Überprüfungsprozess ist der wichtige erste Schritt einer bereits lange ausstehenden Überarbeitung der EU-Handelskontrollen. Die heute zusammentreffenden Experten haben die Möglichkeit, bessere Schutzmaßnahmen gegen Folter und Todesstrafe für Menschen auf der ganzen Welt zu schaffen, indem sie Gesetzeslücken im Unionsrecht schließen und eine Beteiligung europäischer Unternehmen am Missbrauch dieser Werkzeuge unterbinden," so Dr. Michael Crowley, Mitarbeiter der Omega Research Foundation.

Eine am 16. Juli angenommene Regelung erweitert sowohl die Liste der zu verbietenden Folterinstrumente als auch diejenige streng zu kontrollierender Sicherheitsausrüstung. Zwar wird die bereits im Juni 2005 eingeführte Verordnung hierdurch bereits gestärkt, jedoch müssen weitere Ergänzungen der Kontrollmechanismen diskutiert werden. Bisher unterliegen Gegenstände wie Galgen, Guillotinen, elektrische Stühle und luftdichte Gaskammern und bestimmte Fesselungsvorrichtungen einem Exportverbot, das sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen betrifft. Einer strengen Kontrolle des Exports unterliegt eine nun erweiterte Liste von Polizeiausrüstungsgegenständen, die zwar zur Rechtsdurchsetzung bestimmt sind, jedoch ohne Weiteres auch zu Folter- und Misshandlungszwecken eingesetzt werden können. Dazu gehören neben Elektroschockern, die zur Betäubung von einzelnen Personen eingesetzt werden, inzwischen auch solche, die zum Einsatz gegen ganze Personengruppen vorgesehen sind, ebenso Geräte zum Einsatz von Lähmungs- oder Reizgasen und Fesseln, die gegen ganze Personengruppen und nicht nur gegen Einzelne eingesetzt werden können.

Weitere Regelungen zur Beeinflussung der Marktmechanismen werden Geprüft und dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat zur Abstimmung unterbreitet.

Die von Amnesty International und der Omega Stiftung identifizierten Gesetzeslücken machen es Konzernen zudem möglich, Folterinstrumente an Drittstaaten außerhalb der EU zu verkaufen, so lange die Güter selbst das Gebiet der Europäischen Union nicht passieren sowie diese auf Messen und Ausstellungen zu bewerben. Darüber hinaus macht es die bisherige Gesetzeslage möglich, technische Unterstützung sowie Trainings anzubieten, die zu Folter und Misshandlungen genutzt werden. Bisher bestehen keine Hindernisse bei der Einführung und dem Angebot neuer Technologien und Geräte direkt an staatliche Vollstreckungsorgane. Ein derartiges Angebot könnte selbst dann gemacht werden, wenn eine große Wahrscheinlichkeit für den Einsatz dieser Geräte zu Folter, Misshandlung und Todesstrafe besteht.

Hintergrundinformationen

Am 28. und 29. Juli kommt der EU Ausschuss für Handelsfragen zusammen, um unter anderem über Ergänzungen der existierenden Antifolter-Verordnung (1236/2005) zu beraten.

Mit der Einführung dieser Verordnung Juni 2005 führte die EU eine vollkommen neue verbindliche Regelunge ein, um den Handel gewisser Gegenstände, die häufig zur Vollstreckung von Todesstrafen, Folter und Misshandlung ("Tools of Torture") eingesetzt werden, zu kontrollieren. Jedoch führen nicht alle Mitgliedstaaten eine zuverlässige Exportkontrolle all dieser Gegenstände durch.

Amnesty International veröffentliche zusammen mit der Omega Research Foundation in den Jahren 2007, 2010 und 212 Berichte, die die bestehenden Gesetzeslücken auf EU-Ebene und notwenige Ergänzungen der Listen verbotener wie zu kontrollierender Artikel aufzeigen:

NO MORE DELAYS: PUTTING AN END TO THE EU TRADE IN "TOOLS OF TORTURE

FROM WORDS TO DEEDS: MAKING THE EU BAN ON THE TRADE IN 'TOOLS OF TORTURE’ A REALITY

EUROPEAN UNION: STOPPING THE TRADE IN "TOOLS OF TORTURE"

Der Einsatz auf EU-Ebene um den Bericht von 2010 führte 2011 zu einer Erweiterung der Listen verbotener Instrumente durch die Europäische Kommission. Dennoch sind Experten der Meinung, dies reiche für eine wirksame Eindämmung des Handels nicht aus, sodass seitens der Kommission noch einmal eine umfassende Überprüfung eingeleitet wurde.

Am 16. Juli 2013 führte die Europäische Kommission die Durchführungsverordnung 775/2014 ein, die die von der Regelung erfassten und kontrollierten Güter erweiterte.

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