Aktuell Afghanistan 11. August 2010

Afghanistan: Taliban müssen für Kriegsverbrechen belangt werden

Taliban greifen vermehrt auch die Zivilbevölkerung an

Taliban greifen vermehrt auch die Zivilbevölkerung an

11. August 2010 - Die Kriegsverbrechen der Taliban und anderer aufständischer Gruppierungen müssen untersucht und verfolgt werden", forderte Amnesty International und bezog sich dabei auf die Veröffentlichung eines UN-Berichts. Das Dokument belegt den Anstieg gezielter Tötungen von Zivilisten in Afghanistan durch regierungsfeindliche Gruppierungen.

Die Zahl ziviler Opfer in Afghanistan erhöhte sich in der ersten Hälfte des Jahres 2010 um 31% im Vergleich zum Vorjahr. Dafür ist hauptsächlich der von den Taliban und anderen Aufständischen verstärkte Einsatz unkonventioneller Sprengsätze verantwortlich. Es ist dabei laut der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) eine zunehmende Fokussierung auf die gezielte Tötung von Zivilisten erkennbar. Angriffe durch die Taliban und andere aufständische Gruppierungen forderten mehr als 76% der Opfer unter der Zivilbevölkerung und 72% der Todesfälle.

Auch die von den Taliban und Aufständischen verübten Hinrichtungen und Morde an Zivilisten nahmen im Vergleich zur ersten Hälfte des letzten Jahres zu. 95% von den 183 verzeichneten Todesfällen sind auf sie zurückzuführen. Den Opfern wurde in der Regel vorgeworfen, die Regierung unterstützt zu haben.

"Die Taliban und andere Aufständische führen immer systematischer Tötungen von Zivilisten durch. Der gezielte Angriff auf Zivilisten ist schlicht und einfach ein Kriegsverbrechen, ", sagte Sam Zarifi, Direktor des Asien-Pazifik-Programms von Amnesty International. "Das afghanische Volk schreit nach Gerechtigkeit. Die Menschen haben ein Recht auf Aufklärung der Verbrechen und Entschädigung."

"Zurzeit gibt es kein funktionierendes Justizsystem in Afghanistan. Deswegen sollte die afghanische Regierung bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von allen Konfliktparteien begangen worden sein könnten, den Internationalen Strafgerichtshof hinzuziehen."
Afghanistan ist ein Unterzeichnerstaat des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs.

Amnesty |nternational hat Informationen darüber erhalten, dass Stammesälteste verschiedener Dörfer aus den Provinzen Kandahar, Zabul und Khost geflohen sind, weil sie Angst vor gezielten Angriffen der Taliban hatten.

"Den Ältesten wird damit gedroht, sie umzubringen, sollten sie nicht mit den Taliban kooperieren", erzählte ein Journalist aus Kandahar. "Die Taliban erklären den Dorfbewohnern dann einfach , dass der Älteste getötet werden musste, weil er ein amerikanischer Spion war." Der Journalist wollte aus Angst vor Vergeltung durch die Taliban nicht namentlich genannt werden.

Amnesty International fordert die internationalen und afghanischen Streitkräfte dringend auf, ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung nachzukommen, Zivilisten vor Schaden zu schützen. Insbesondere ist die Sicherheit derjenigen zu gewährleisten, die der Regierung Informationen über regierungsfeindliche Gruppen liefern, oder mit ihnen während militärischer Operationen kooperieren.

Laut des Berichtes der UNAMA verschuldeten die NATO- und Regierungstruppen 29% weniger zivile Todesfälle als im Vorjahr. Das ist auf eine Änderung der Einsatzregeln zurückzuführen, nach denen höhere Priorität auf den Schutz der Zivilbevölkerung gelegt wird. Daher gab es auch einen 64%-igen Rückgang von zivilen Opfern, die bei militärischen Luftangriffen ums Leben kamen.

Amnesty International begrüßt den gemeldeten Rückgang der Todesfälle, die durch die von der NATO angeführten Truppen verursacht wurden, gab aber zu bedenken, dass "regierungsfreundliche Truppen für mindestens 223 Todesfälle in sechs Monaten verantwortlich waren, und die NATO immer noch keinen kohärenten Weg gefunden hat, für die durch sie verschuldeten Todesfälle Verantwortung zu übernehmen", sagte Sam Zarifi. "Die Sondereinheiten in Afghanistan geben immer noch nicht genug Informationen über ihre Aktivitäten preis, wenn es darum geht, Rechenschaft über die Zahl der zivilen Opfer abzulegen."

Der UNAMA Bericht zeigt auf, dass die Sondereinheiten in Afghanistan keine Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und fordert mehr Transparenz über ihre Aktivitäten, sowie mehr Informationen über die Streitkräfte, die unter der neuen integrierten Kommandostruktur operieren. So könnten in Zukunft Fälle, in denen Zivilisten zu Tode kamen, ordnungsgemäß untersucht werden und den Opfern Gerechtigkeit widerfahren.

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