Fall eines Fotojournalisten an Strafgericht verwiesen

Ägypten - Streetart

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Der Fall des Fotojournalisten Mahmoud Abu Zeid, auch bekannt als Shawkan, wurde an ein Strafgericht verwiesen. Shawkan befindet sich bereits seit mehr als zwei Jahren in Untersuchungshaft, was gegen geltendes ägyptisches Recht verstößt. Der Gesundheitszustand des Fotojournalisten verschlechtert sich zunehmend, da ihm der Zugang zu Medikamenten verweigert wird.

Appell an

STELLVERTRETENDER STAATSANWALT
Ali Omran
Office of the Public Prosecutor
Supreme Court House, 1 "26 July" Road
Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Dear Counsellor / Sehr geehrter Herr Staatsanwalt)
Fax: (00 202) 2 577 4716 (nur während der Bürozeiten, MEZ+2)

INNENMINISTER
Magdi Abdel Ghaffar, Ministry of the Interior
25 El Sheikh Rihan Street, ab al-Louk,
Cairo, ÄGYPTEN
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 202) 2 794 5529

Sende eine Kopie an

STELLVERTRETENDE BEAUFTRAGE FÜR MENSCHENRECHTE IM AUSSENMINISTERIUM
Mahy Hassan Abdel Latif
Ministry of Foreign Affairs
Corniche al-Nil, Cairo
ÄGYPTEN
Fax: (00 202) 2 574 9713
E-Mail: Contact.Us@mfa.gov.eg

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK ÄGYPTEN
S. E. Herrn Mohamed Abdelhamid Ibrahim Higazy
Stauffenbergstraße 6-7
10785 Berlin
Fax: 030-477 1049
E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 2. Oktober 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie, alle Anschuldigungen gegen Mahmoud Abu Zeid fallenzulassen und ihn unverzüglich und bedingungslos freizulassen, da er lediglich aufgrund der friedlichen Wahrnehmung seines Rechts auf Meinungsfreiheit festgehalten wird.

  • Bitte sorgen Sie dafür, dass er bis zu seiner Freilassung Zugang zu jeglicher notwendiger medizinischer Versorgung erhält.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass sein Rechtsbeistand unverzüglich Zugang zu der Fallakte erhält, darunter auch die Verweisungsentscheidung des Staatsanwalts, damit er seine Verteidigung vorbereiten kann.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the authorities to release Mahmoud Abu Zeid immediately and unconditionally, as he has been detained solely for peacefully exercising his right to freedom of expression. All charges against him must be dropped.

  • Urging them to ensure that Mahmoud Abu Zeid has access to any medical attention he may require, pending his release.

  • Calling on them to grant his lawyers access to the casefile immediately, including the Prosecutor Referral Decision, so they can prepare his defence.

Sachlage

Der Fall von Shawkan wurde am 11. August 2015 an ein Strafgericht verwiesen. Der Fotojournalist war am 14. August 2013 festgenommen worden, als er gerade die gewaltsame Auflösung des Sitzstreiks auf dem Rabaa-al-Adawiya-Platz in Kairo fotografisch dokumentierte. An diesem Tag sind in Ägypten bis zu 1.000 Menschen getötet worden. Der Fotojournalist befindet sich bereits länger in Untersuchungshaft, als es gemäß ägyptischem Strafgesetz erlaubt ist. Dort ist eine Frist von zwei Jahren vorgesehen. Die Rechtsbeistände von Shawkan haben vor dem Berufungsgericht ein Rechtsmittel eingelegt und seine sofortige Freilassung gefordert, da er sich länger als gesetzlich erlaubt in Untersuchungshaft befindet.

Rechtsbeistände haben Amnesty International darüber informiert, dass der Staatsanwalt am 11. August 2015 die Fälle von Shawkan und weiteren 400 Betroffenen an das Strafgericht verwiesen hat. Das Gericht hat noch kein Datum für die erste Anhörung festgelegt. Die Rechtsbeistände haben zudem angegeben, dass der Staatsanwalt zunächst abgestritten hatte, dass sich der Fall von Shawkan unter den Fällen befinde, die am 11. August zur Verhandlung an das Strafgericht verwiesen wurden. Erst am 17. August seien sie darauf aufmerksam geworden. Den Rechtsbeiständen von Shawkan wurde der Zugang zu wichtigen Dokumenten im Zusammenhang mit diesem Fall verwehrt, darunter auch die Verweisungsentscheidung des Staatsanwalts, die eine Reihe von Anklagepunkten, die Anzahl der Angeklagten sowie für den Fall relevante strafrechtliche Bestimmungen, enthält. Dies habe die Rechtsbeistände darin gehindert, die Verteidigung von Shawkan angemessen vorzubereiten.

Vor seiner Festnahme wurde bei Shawkan Hepatitis C diagnostiziert. Die Familie des Fotojournalisten gab gegenüber Amnesty International an, dass ihm der Zugang zu Medikamenten verweigert werde und sich sein Gesundheitszustand verschlechtere. Die Familie hat bei dem zuständigen Staatsanwalt zudem zahlreiche Anträge eingereicht, um die Freilassung von Shawkan aus medizinischen Gründen zu erwirken, bisher jedoch erfolglos.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der Fall von Shawkan ist von Beginn an von Verstößen gekennzeichnet. Der Fotojournalist wurde in Abwesenheit eines Rechtsbeistandes von einem Staatsanwalt verhört. Er wurde zudem in einer überfüllten Zelle in einer Polizeistation in Kairo gefoltert und anderweitig misshandelt. Später wurde Shawkan in das Abu Zabaal-Gefängnis verlegt, wo er sieben Stunden in der glühenden Augusthitze in einem Polizeiwagen vor dem Gefängnis warten musste, bevor er aufgenommen wurde. Im Gefängnis wurde er erneut geschlagen.

Shawkan befindet sich derzeit im berüchtigten Tora-Gefängnis, wo unter äußerst schlechten Bedingungen festgehalten wird. In einem Brief an Amnesty International, der im April 2015 veröffentlicht wurde, beschreibt er seine katastrophalen Haftbedingungen und gab an, "in ägyptischen Gefängnissen wie ein Tier" behandelt zu werden. Seine Inhaftierung auf unbestimmte Zeit bezeichnete der Fotojournalist als "psychisch unerträglich".

Shawkan wurde, wie auch 400 weitere Inhaftierte, im Zusammenhang mit einer Reihe identischer, konstruierter Anklagen verhört, ungeachtet der individuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Dem Fotojournalisten werden unter anderem "Mitgliedschaft in einer verbotenen Gruppe" (die Muslimbruderschaft, die die Behörden später als "terroristische" Organisation einstuften), "Waffenbesitz" und Mord vorgeworfen. Während der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft 2013 wies Shawkan sämtliche Vorwürfe gegen sich zurück und gab an, keine Verbindungen zur Muslimbruderschaft zu haben.

Zum Zeitpunkt seiner Festnahme arbeitete Shawkan für die Fotoagentur Demotix. Diese bestätigte gegenüber der Staatsanwaltschaft, dass der Fotojournalist für sie gearbeitet hatte. Derzeit befinden sich in Ägypten mindestens 18 Journalist_innen aufgrund ihrer Arbeit und der Ausübung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung im Gefängnis.

Die Inhaftierung von Shawkan, die inzwischen mehr als zwei Jahre andauert, ist nach ägyptischem Recht rechtswidrig. Gemäß Paragraf 143 der ägyptischen Strafprozessordnung beträgt die Höchstdauer für Untersuchungshaft zwei Jahre, es sei denn der betroffene Person werden Straftaten zur Last gelegt, die mit lebenslanger Haft oder der Todesstrafe geahndet werden können. Nach zwei Jahren muss der oder die Inhaftierte freigelassen werden. Auf Grundlage dieses Paragrafen ist die mehr als zwei Jahre andauernde Inhaftierung von Shawkan rechtswidrig und jegliche richterliche Entscheidungen, seine Haft zu verlängern, sind nichtig.

Das Völkerrecht betont, dass Untersuchungshaft nur als letztes Mittel angeordnet und nur in bestimmten Fällen angewendet werden darf, sofern bewiesen wurde, dass ein erhebliches Risiko für Flucht, Schaden für andere oder Eingriffe in die Beweise und Ermittlungen besteht. In jedem Fall bedarf es einer kontinuierlichen Überprüfung der anhaltenden Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit der Inhaftierung.

Die Verweisung des Falls von Shawkan an das Strafgericht erfolgte zur gleichen Zeit wie die Unterzeichnung eines neuen "Antiterrorgesetzes" durch den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi. In dem Gesetz wird der Straftatbestand des Terroraktes sehr weit gefasst. Es ermöglicht den Behörden, friedliche Regierungskritiker_innen, darunter auch Journalist_innen, aufgrund vager Begründungen festzunehmen. Journalist_innen, die Informationen oder Statistiken über Terroranschläge veröffentlichen, die nicht den offiziellen Darstellungen der Regierung entsprechen, können nun mit hohen Geldstrafen belegt werden. Dadurch wird durch das neue Gesetz unabhängige Berichterstattung faktisch verboten.