Haftstrafe für Gewerkschafter

Ismail Abdi, Vorsitzender der Lehrergewerkschaft im Iran (ITTA), der seit dem 27. Juni 2015 als gewaltloser politischer Gefangener in Haft ist, wurde im Februar zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Die Anklagen bezogen sich auf seine friedlichen gewerkschaftlichen Aktivitäten. Ismail Abdi hat Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt, der Termin des Berufungsverfahrens steht allerdings noch nicht fest. Er hat angekündigt, am 1. Mai, dem internationalen Tag der Arbeit, in den Hungerstreik zu treten, um gegen die Unterdrückung von Gewerkschafter_innen zu protestieren.

Appell an

(bitte senden Sie Ihre Appelle über die Botschaft)
RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67,14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
über
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030–8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 31. Mai 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie, Ismail Abdi sofort und bedingungslos freizulassen, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der nur wegen seiner friedlichen Gewerkschaftsaktivitäten festgehalten wird. Stellen Sie bitte sicher, dass sein Urteil aufgehoben wird.

  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass der Iran Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist, welche das Recht jeder Person garantieren, Gewerkschaften ihrer Wahl zur Förderung und zum Schutz ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu gründen und diesen beizutreten.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Iranian authorities to release Ismail Abdi immediately and unconditionally, as he is a prisoner of conscience held solely for his peaceful trade union activities, and to ensure his conviction and sentence are quashed.

  • Reminding them that Iran has ratified the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights (ICESCR) and the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), both of which place an obligation on Iran to respect and protect the right of everyone to form and join trade unions for the protection of their interests.

Sachlage

Ismail (Esmail) Abdi wurde im Februar darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran ihn wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und "Absprache und Planung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit" zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt hat. Die Anklagen beziehen sich auf seine Gewerkschaftsaktivitäten, einschließlich friedlicher Demonstrationen, die in den vergangenen Monaten von Lehrer_innen und Mitgliedern der ITTA als Ausdruck ihres Protests gegen schlechte Bezahlung und den niedrigen Bildungsetat sowie gegen die Inhaftierungen von Lehrer_innen, die Gewerkschaftsmitglieder sind, veranstaltet wurden. Ismail Abdi hat gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt und wartet nun auf den Termin der Anhörung. Sein Prozess verstieß gegen internationale Standards für faire Gerichtsverfahren, u.a. hatte er während des gesamten Ermittlungsverfahrens keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl. Zudem durfte sein Anwalt vor dem Gerichtsverfahren keine Einsicht in die Akte seines Mandanten nehmen. Amnesty International geht davon aus, dass die Behörden Ismail Abdi den Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl auf Grundlage einer Bestimmung in der neuen Strafprozessordnung von 2015 verweigerten. Darin ist festgeschrieben, dass für Personen, denen bestimmte Straftaten, darunter auch Straftaten gegen die nationale Sicherheit, zur Last gelegt werden, in der Ermittlungsphase der Zugang zu einem Rechtsbeistand eingeschränkt werden kann. Auf Grundlage dieser Bestimmung können Sie nur einen Rechtsbeistand aus einer zuvor von der Obersten Justizautorität genehmigten Liste auswählen.

Im April schrieb Ismail Abdi einen Offenen Brief, in dem er ankündigte, am 1. Mai in den Hungerstreik zu treten, und erklärte: "nach den Beweisen, die zu dem Urteil gegen mich geführt haben, könnte man sagen, dass jede Bemühung … das Leben und die Lebensumstände von Lehrer_innen und Arbeiter_innen im Iran zu verbessern, als Handlungen gegen die nationale Sicherheit gewertet werden".

Ismail Abdi wurde am 27. Juni 2015 festgenommen und in den Trakt 2A des Evin-Gefängnisses verlegt, welcher der Revolutionsgarde untersteht. Dort hielt man den Gewerkschafter in Einzelhaft und verhörte ihn mindestens 17 Tage ohne Zugang zu seinem Rechtsbeistand oder seiner Familie. Ihm drohen nun insgesamt 16 Jahre Haft, weil er zuvor zu einer zehnjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war, nachdem man ihn 2011 aufgrund konstruierter Anklagen wegen Verstößen gegen die Staatssicherheit, die in Zusammenhang mit seinen gewerkschaftlichen Aktivitäten standen, schuldig gesprochen hatte.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ismail Abdi hat im April zusammen mit dem Gewerkschafter J’afar Azimzadeh einen Offenen Brief geschrieben, in dem sie ihre Absicht ankündigten, am 1. Mai in den Hungerstreik zu treten. Sie wollen damit gegen die repressiven Reaktionen der Behörden auf Demonstrationen von Lehrer_innen und Gewerkschafter_innen protestieren. Die Männer fordern zudem, dass die Behörden die Anklagen "Absprache und Planung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit" und andere gegen sie erhobene Anklagen im Zusammenhang mit der Gefährdung der nationalen Sicherheit fallenlassen.

Ismail Abdi wurde am 27. Juni 2015 festgenommen, nachdem er das Büro der Staatsanwaltschaft aufgesucht hatte, um Auskunft über sein Reiseverbot zu erhalten. Ihm war die Ausreise nach Armenien verweigert worden, wo er ein Visum für Kanada beantragen wollte, um am 7. Weltkongress der Bildungsinternationale in Ottawa teilzunehmen. Vor seiner Festnahme hatten Angehörige des Geheimdienstes Ismail Abdi bereits einige Mal zu Befragungen vorgeladen. Zudem hatten sie ihn dazu gedrängt, sein Amt als Vorsitzender der iranischen Lehrergewerkschaft ITTA aufzugeben und landesweite Proteste abzusagen, die die ITTA mitorganisiert hatte. Während dieser Befragungen, in denen Ismail Abdi Beleidigungen und Beschimpfungen ausgesetzt war, warnten ihn die Angehörigen des Geheimdienstes zudem davor, sich mit anderen internationalen Gewerkschaften von Lehrer_innen zusammenzuschließen und teilten ihm mit, dass er mit seiner Teilnahme an internationalen Veranstaltungen eine "rote Linie" überschreite.

Einen Tag nach dem nationalen Tag der Lehrer_innen im Iran am 3. Mai 2015 und vier Tage vor geplanten landesweiten Protesten, luden Angehörige des Geheimdienstes den Gewerkschafter vor und drohten, dass eine zur Bewährung ausgesetzte zehnjährige Haftstrafe aus dem Jahr 2010 sofort vollstreckt werden würde, sollte er bei Facebook in einer offiziellen Stellungnahme nicht verkünden, seinen Posten als Vorsitzender der ITTA aufzugeben und an keinen anstehenden Demonstrationen teilzunehmen. Ismail Abdi gab dies unter großem Druck bekannt, doch die ITTA akzeptierte den Rücktritt nicht. Die Demonstration fand ebenfalls wie geplant statt. Tausende Lehrer_innen versammelten sich vor dem Parlament in Teheran und vor den Büros des Bildungsministeriums in verschiedenen Städten im Iran.

Am 22. Juli 2015 wollten sich Tausende Lehrer_innen vor dem Parlament in Teheran versammeln, um gegen Drangsalierungen und Verstöße gegen Lehrer_innen in Gewerkschaften zu protestieren und die Freilassung von Ismail Abdi zu fordern. Sicherheitskräfte, die seit dem frühen Morgen um das Parlament herum positioniert waren, lösten die Versammlung allerdings auf und nahmen zahlreiche Protestierende fest. Laut einer Meldung des iranischen Bildungs- und Entwicklungsministers vom 27. Juli wurden alle festgenommenen Lehrer_innen wieder freigelassen. Derzeit verbüßen im Iran mindestens drei weitere Lehrer_innen aufgrund legaler Gewerkschaftsaktivitäten Haftstrafen, unter ihnen Ali Akbar Baghani, Alireza Hashemi und Rasoul Bodaghi.

Der Iran ist Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte. Darin heißt es in Artikel 22 (1): "Jedermann hat das Recht, sich frei mit anderen zusammenzuschließen sowie zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und ihnen beizutreten." Außerdem ist der Iran Vertragsstaat des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Artikel 8 dieses Paktes garantiert sowohl "das Recht eines jeden, zur Förderung und zum Schutz seiner wirtschaftlichen und sozialen Interessen Gewerkschaften zu bilden oder einer Gewerkschaft eigener Wahl allein nach Maßgabe ihrer Vorschriften beizutreten" sowie "das Recht der Gewerkschaften, sich frei zu betätigen, wobei nur solche Einschränkungen zulässig sind, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer erforderlich sind".

Bei einem Treffen mit dem Bildungsminister und mehreren Lehrer_innen hatte Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei am 6. Mai 2015 erklärt: "Lehrerinnen und Lehrer sind gottesfürchtige, noble und kluge Menschen, die aufpassen, wo Pläne von Feinden und anderen geschmiedet werden, die der Islamischen Führung feindlich gegenüber stehen, und die aufwieglerische, spaltende und politische Slogans entwickeln unter dem Vorwand, die Lebensumstände von Lehrer_innen im Auge zu haben, und damit gegen die islamische Führung vorgehen."