Gewerkschafter im Hungerstreik

Mitglieder der iranischen Lehrergewerkschaft ITTA bei einer Demonstration 2007

Mitglieder der iranischen Lehrergewerkschaft ITTA bei einer Demonstration 2007

Der inhaftierte iranische Gewerkschafter Ismail Abdi ist am 24. April in den Hungerstreik getreten. Er protestiert damit einerseits gegen den Umgang der iranischen Regierung mit Lehrer_innen und Arbeitnehmer_innen im Land und reagiert andererseits darauf, dass ihm der Hafturlaub verweigert wird. Ismail Abdi ist ein gewaltloser politischer Gefangener und verbüßt eine sechsjährige Haftstrafe im Teheraner Evin-Gefängnis.

Appell an

Oberste Justizautorität



Ayatollah Sadeghi Larijani



c/o Public Relations Office



Number 4, Dead end of 1 Azizi



Above Pasteur Intersection, Vali Asr Street



Tehran, IRAN

Sende eine Kopie an

Beauftragter für Menschenrechte und Internationale Angelegenheiten im Justizministerium

Mahmoud Abbasi

Number 1638, Below Vali Asr Square    

Vali Asr Avenue, Tehran, IRAN

Botschaft der Islamischen Republik Iran

S. E. Herrn Ali Majedi

Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin

Fax: 030-84 353 133

E-Mail: info@iranbotschaft.de

Amnesty fordert:

  • Ich bitte Sie, Ismail Abdi sofort und bedingungslos freizulassen, da er ein gewaltloser politischer Gefangener ist, der nur wegen seiner friedlichen Gewerkschaftsaktivitäten festgehalten wird. Bitte stellen Sie sicher, dass er bis dahin Zugang zu fachärztlicher Versorgung in Übereinstimmung mit der ärztlichen Ethik hat.
  • Bitte beenden Sie den Missbrauch des Strafjustizssystems gegen all diejenigen, die friedlich ihre Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit ausüben.
  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass der Iran Vertragsstaat des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist, welche das Recht jeder Person garantieren, Gewerkschaften ihrer Wahl zur Förderung und zum Schutz ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu gründen und diesen beizutreten.

Sachlage

Ismail Abdi ist Mathematiklehrer und gehört der Lehrergewerkschaft des Iran (ITTA) in Tehran an. In einem öffentlichen Brief vom 11. April kündigte er sein Vorhaben an, am 17. April mit einem Hungerstreik beginnen zu wollen. Der Beginn seines Hungerstreiks verschob sich um eine Woche, weil ihm Mitarbeiter vom Büro der Staatsanwaltschaft versprochen hatten, auf seine Forderungen einzugehen. Den Berichten seiner Frau zufolge trat er schließlich am 24. April in den Hungerstreik, nachdem die Staatsanwaltschaft keine Forderung erfüllt hatte.

In seinem Brief kritisierte Ismail Abdi die ungerechte Wohlstandsverteilung und den ebenso ungerecht verteilten Zugang zu Bildung im Land. Außerdem prangerte er die schlechte Bezahlung im Bildungssektor an, welche sich unterhalb der Armutsgrenze befinde, sowie die kontinuierliche Kürzung des Bildungsetats. Er äußerte zudem seine Sorge über die Strafverfolgung einiger Gewerkschafter_innen wegen Belangen der nationalen Sicherheit. Darüber hinaus hätten einige gesellschaftliche Institutionen "Druck auf die Justiz ausgeübt, damit Anklageschriften verfasst werden und Urteilssprüche ergehen, Gesuche um eine erneute gerichtliche Überprüfung am Obersten Gerichtshof abgelehnt werden, Anträge auf Hafturlaub abgelehnt und temporärer Hafturlaub für  Gefangene verhindert werden." Schließlich forderte er die Bewilligung für Hafturlaub für sich selbst.

Ismail Abdi wurde erstmalig am 27. Juni 2015 von Angehörigen der Revolutionsgarden festgenommen und 40 Tage lang in Einzelhaft gehalten. Im Februar 2016 verurteilte ihn die Abteilung 15 des Revolutionsgerichts in Teheran in einem unfairen Verfahren wegen der konstruierten Anklagen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und "Absprache und Planung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit" wegen seiner friedlichen Gewerkschaftsaktivitäten zu sechs Jahren Gefängnis. Nach einem zweiwöchigen Hungerstreik kam er am 14. Mai 2016 gegen Kaution frei. Das Urteil gegen Ismail Abdi wurde im Oktober 2016 bestätigt und er am 9. November 2016 erneut festgenommen, um seine Haftstrafe anzutreten. Zweimal ersuchte er den Obersten Gerichtshof um die erneute gerichtliche Überprüfung seines Falls. Sowohl im Februar als auch im Oktober 2017 lehnte dieser die Bitte ab.

Hintergrundinformation

Hintergrund

In einem Brief, der am 11. April 2018 veröffentlicht wurde, schrieb Ismail Abdi: "Ich erkläre hiermit meine Solidarität mit allen Lehrer_innen und Arbeitnehmer_innen weltweit. Als Lehrer und Vorstandsmitglied der iranischen Lehrergewerkschaft in Tehran warne ich vor den verhängnisvollen Konsequenzen, die rechtswidrige und willkürliche Praktiken des Gerichtswesens nach sich ziehen." Der ausführliche Text von Ismail Abdis Brief ist unter folgendem Link zu finden: https://www.workers-iran.org/imprisoned-iranian-teacher-email-abdi-to-b….

Ismail Abdi wurde am 27. Juni 2015 festgenommen, nachdem er das Büro der Staatsanwaltschaft aufgesucht hatte, um Auskunft über sein Reiseverbot zu erhalten. Ihm war die Ausreise nach Armenien verweigert worden, wo er ein Visum für Kanada beantragen wollte, um dort am 7. Weltkongress der Bildungsinternationale im Juli 2015 teilzunehmen. Vor seiner Festnahme hatten Angehörige des Geheimdienstes Ismail Abdi bereits einige Mal zu Befragungen vorgeladen. Während dieser Befragungen warnten ihn die Angehörigen des Geheimdienstes zudem davor, sich mit anderen internationalen Gewerkschaften von Lehrer_innen zusammenzuschließen und teilten ihm mit, dass er mit seiner Teilnahme an internationalen Veranstaltungen eine "rote Linie" überschreite. Seine sechsjährige Haftstrafe muss er wegen "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und "Absprache und Planung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit" verbüßen. Diese Anklagen beziehen sich allein auf seine friedlichen Gewerkschaftsaktivitäten, einschließlich Kontakte zur Bildungsinternationale, dem internationalen Dachverband von Bildungsgewerkschaften, und der Organisation friedlicher Demonstrationen, die im April 2015 vor dem iranischen Parlament von Lehrer_innen als Ausdruck ihres Protests gegen schlechte Bezahlung und dem niedrigen Bildungsetat sowie gegen die Inhaftierungen von gewerkschaftlich organisierten Lehrer_innen veranstaltet worden waren.

Für ihre rechtmäßigen Gewerkschaftsaktivitäten, werden Verteidiger_innen der Rechte von Arbeitnehmer_innen immer wieder grundlos entlassen oder in den vorzeitigen Ruhestand gezwungen. Sie werden Opfer von Vergeltungsmaßnahmen, weil sie friedlich demonstrieren, um ausstehende Löhne einzufordern. Sie werden willkürlich festgenommen und inhaftiert. Und nicht zuletzt werden sie aufgrund falscher Beschuldigungen wegen der Gefährdung der nationalen Sicherheit zu langen Gefängnisstrafen verurteilt. Mahmoud Beheshti Langroodi, Sprecher der iranischen Lehrergewerkschaft in Teheran, ist ein weiterer Lehrer, der derzeit im Iran für seine Gewerkschaftsaktivitäten eine Haftstrafe verbüßt. Gewerkschafter_innen sind durch die UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen geschützt. Darin wird die Verpflichtung der Staaten hervorgehoben, das Recht auf die Verteidigung der Menschenrechte, zu denen auch Gewerkschaftsrechte gehören, zu respektieren und Menschenrechtsverteidiger_innen vor Drangsalierung, willkürlicher Festnahme und Inhaftierung sowie Folter und anderen Misshandlungen zu schützen.

Recherchen von Amnesty International zeigen immer wieder, dass Irans Rechtswesen nicht unabhängig und besonders anfällig für den Druck vonseiten der Sicherheits- und Geheimdienste ist. So sind sie in der Lage, Menschenrechtsverteidiger_innen und Andersdenkende mit harten Urteilen zu bestrafen. Die fehlende Unabhängigkeit iranischer Gerichte erlaubt es den Beamt_innen von Sicherheits- und Geheimdiensten außerdem, unerlaubten Machteinfluss auf Entscheidungsprozesse auszuüben. Darin geht es häufig um den Zugang von Gefangenen zu angemessener medizinischer Versorgung, Entlassung aus dem Gefängnis oder eine bedingte Entlassung. Mitarbeiter von Geheim- und Sicherheitsdiensten üben regelmäßig auch Vergeltungsmaßnahmen an Gefangene, wenn diese sich in Haft gegen Menschenrechtsverstöße aussprechen.

Gemäß dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) und dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR), zu deren Vertragsstaaten der Iran gehört, sind die iranischen Behörden verpflichtet, die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung sowie das Recht, Gewerkschaften eigener Wahl zu gründen und diesen beizutreten, zu schützen. Obwohl die iranische Lehrergewerkschaft von Teheran rechtmäßig registriert ist, verbietet der Iran im Allgemeinen die Bildung unabhängiger Gewerkschaften. (Für weitere Informationen siehe Gefangen im Netz der Unterdrückung: Irans Menschenrechtsverteidiger im Visier der Behörden.) In Artikel 22 (1) des IPbpR heißt es: "Jedermann hat das Recht, sich frei mit anderen zusammenzuschließen sowie zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu bilden und ihnen beizutreten."  Artikel 8 des IPwskR garantiert "das Recht eines jeden, Gewerkschaften zu bilden und einer Gewerkschaft eigener Wahl beizutreten".