Aktivistin in Haft

Evin-Gefängnis, Teheran

Evin-Gefängnis, Teheran

Die iranische Todesstrafengegnerin Atena Daemi ist am 26. November unter Einsatz von Gewalt festgenommen und ins Teheraner Evin-Gefängnis gebracht worden. Dort soll sie eine siebenjährige Haftstrafe antreten. Amnesty International betrachtet sie als gewaltlose politische Gefangene, die allein wegen ihres menschenrechtlichen Engagements in Haft genommen wurde.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
ÜBER
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535 – E-Mail: info@iranbotschaft.de

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
ÜBER
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535 - E-Mail: info@iranbotschaft.de

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT
Hassan Rouhani
ÜBER
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 23. Januar 2017 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, FAXE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte veranlassen Sie die sofortige Freilassung von Atena Daemi, da sie eine gewaltlose politische Gefangene ist, die lediglich ihre Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hat.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass eine Untersuchung ihrer Folter- und Misshandlungsvorwürfe eingeleitet wird, einschließlich ihrer langanhaltenden Einzelhaft und dem Einsatz von Gewalt während ihrer Festnahme.

  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass Ihre Regierung auf der Grundlage der UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen von 1998 dazu verpflichtet ist, die Arbeit von Menschenrechtler_innen anzuerkennen, ihr friedliches Engagement nicht zu kriminalisieren und alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, sie vor Einschüchterungen, Drangsalierungen, Vergeltungsmaßnahmen, willkürlichen Festnahmen sowie Folter und anderen Misshandlungen zu schützen.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Iranian authorities to release Atena Daemi immediately and unconditionally, as she is a prisoner of conscience targeted solely for peacefully exercising her rights to freedom of expression, association and assembly.

  • Calling on them to investigate her allegations of torture or other ill-treatment, including being subjected to prolonged solitary confinement and to violence during her arrest, and ensure that those suspected of responsibility are brought to justice in fair trials.

  • Urging them to publicly recognize the work of human rights defenders, stop criminalizing their peaceful human rights activities, and take all measures to protect them from intimidation, harassment, retaliation, arbitrary arrest and detention, torture and other ill-treatment, as set out in the 1998 UN Declaration on Human Rights Defenders.

Sachlage

Atena Daemi, Todesstrafengegnerin und Menschenrechtsverteidigerin, wurde am 26. November in Haft genommen, als drei Angehörige der Revolutionsgarden das Haus ihrer Eltern durchsuchten und sie ins Teheraner Evin-Gefängnis brachten. Sie soll dort eine siebenjährige Haftstrafe ableisten. In einem Brief, den Atena Daemi am 1. Dezember aus dem Gefängnis schmuggeln konnte, beschreibt sie, dass sie von den Angehörigen der Revolutionsgarden geschlagen und mit Pfefferspray angesprüht wurde, nachdem sie nach dem Haftbefehl gefragt hatte. Ihren Angaben zufolge wurde ihre Schwester gegen die Brust gestoßen, als sie die Beamt_innen von ihrem Handeln abhalten wollte. Atena Daemi beschreibt in dem Brief außerdem, wie die Revolutionsgarden ihr die Augen verbanden und ihr drohten, weitere Verfahren gegen sie anzustrengen. Sie hätten zudem einen Plan ausgeheckt, so dass "sie nicht glauben solle, dass sie jemals wieder das Gefängnis verlassen würde".

Atena Daemi wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil sie sich mit friedlichen Mitteln für die Menschenrechte eingesetzt hat. Unter anderem hat sie auf Facebook Kritik an den hohen Hinrichtungszahlen im Iran geübt, Anti-Todesstrafen-Slogans an Wände gemalt, Flugblätter gegen die Todesstrafe verteilt, an einer Protestaktion gegen die Hinrichtung der jungen Iranerin Reyhaneh Jabbari im Jahr 2014 teilgenommen. Weiter hat sie die Gräber von Personen besucht, die während der Proteste nach den Präsidentschaftswahlen 2009 getötet wurden und Informationen über Menschenrechtsverletzungen an politischen Gefangenen an ausländische Menschenrechtsgruppen verschickt. In dem im April 2015 erlassenen Gerichtsurteil wurden diese Aktivitäten von der Abteilung 28 des Revolutionsgerichts in Teheran als Beweise für "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit", "Verbreitung von Propaganda gegen das System" und "Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des Religionsführers" gewertet.

Atena Daemi wurde im Oktober 2014 festgenommen. Man hielt die Menschenrechtsverteidigerin 86 Tage im Trakt 2A des Evin-Gefängnisses fest, der unter der Kontrolle der Revolutionsgarden steht. 51 Tage davon musste sie in Einzelhaft verbringen. Obwohl sie in dieser Zeit mehrfach verhört wurde, hatte sie keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Im März 2015 wurde sie vor der Abteilung 28 des Revolutionsgerichts in Teheran zu 14 Jahren Haft verurteilt. Das Verfahren war grob unfair und dauerte lediglich etwa 15 Minuten. Im September 2016 reduzierte die Abteilung 36 des Berufungsgerichts von Teheran das Strafmaß auf sieben Jahre Freiheitsentzug.

Hintergrundinformation

Hintergrund

In einem Brief aus dem Gefängnis schrieb Atena Daemi: "Ich, Atena Daemi, schreibe aus dem Evin-Gefängnis. Das Evin-Gefängnis hat sich in ein Gefängnis voller liebevoller Menschen verwandelt, deren einziges Anliegen andere Menschen und die Menschlichkeit sind … Meine Stimme kann durch eure grausamen und ungerechten Handlungen nicht zum Schweigen gebracht werden … Atena Daemi ist ein einzelner Mensch, aber außerhalb des Gefängnisses gibt es Tausende Atena Daemis, die ihre Stimme gegen das Unrecht erheben werden, das politischen Gefangenen [angetan wird]".

Gegen die Menschenrechtsverteidigerin wurden mehrere konstruierte Anklagen erhoben, darunter "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit", "Verbreitung von Propaganda gegen das System", "Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des Religionsführers" und "Zurückhaltung von Beweisen". Die Anklage "Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des Religionsführers" bezieht sich offenbar auf die Facebook-Beiträge von Atena Daemi, in denen sie aus einer berühmten Aussage von Ayatollah Khomeini ein Wortspiel machte, um die hohe Zahl der Hinrichtungen im Iran in den vergangenen 30 Jahren zu verurteilen. In einem anderen Beitrag sagte sie, der Nachfolger von Ayatollah Khomeini, Ayatollah Khamenei, werde von vielen Iraner_innen als Diktator betrachtet. Die Anklage "Zurückhaltung von Beweisen" bezieht sich laut der Urteilsschrift darauf, dass sie die Passwörter der Facebook- und E-Mail-Konten eines anderen Aktivisten geändert habe. Sie wurde zunächst in diesem Anklagepunkt für schuldig befunden und zu vier Jahren Haft verurteilt, im Berufungsverfahren erfolgte dann aber ein Freispruch in diesem Anklagepunkt. Das Verfahren gegen Atena Daemi im März 2015 fand zeitgleich mit dem Prozess gegen drei weitere Menschenrechtsaktivist_innen statt. Zu ihnen gehörte Omid Alishenas (s. UA-222/2015, http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-222-2015/aktivisten-haft). Er wurde am 10. Dezember von den Revolutionsgarden festgenommen und ins Evin-Gefängnis gebracht, um seine Haftstrafe anzutreten.

Atena Daemi wurde am 21. Oktober 2014 von elf Angehörigen der iranischen Revolutionsgarden festgenommen. In den ersten 28 Tagen nach ihrer Festnahme wurde Atena Daemi eigenen Angaben zufolge in einer von Insekten befallenen Zelle ohne Toilette festgehalten. Die Beamt_innen sicherten ihr während des Verhörs einen einfacheren Zugang zu einer Toilette zu, wenn sie sich "kooperativ" zeige. Eineinhalb Monate lang verhörte man sie bis auf die Wochenenden jeden Tag und das oftmals stundenlang. Während dieser Vernehmungen musste sie meist mit verbundenen Augen mit dem Gesicht zur Wand gedreht sitzen.

Amnesty International ist angesichts der Situation von Menschenrechtsverteidiger_innen im Iran in großer Sorge. Die iranischen Behörden gehen zunehmend gegen Menschenrechtler_innen vor, beschatten sie, schüchtern sie ein, nehmen sie willkürlich fest und verurteilen sie zu langen Haftstrafen. Friedliche menschenrechtliche Aktivitäten, wie die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen, die Berichterstattung darüber, der Einsatz gegen die Todesstrafe im Iran, Verbindungen zu Familien von politischen Gefangenen, Kritik an staatlich geförderter geschlechtspezifischer Diskriminierung, das Eintreten für Arbeitsrechte und die Kommunikation mit internationalen Menschenrechtsorganisationen, wie Amnesty International, sowie dem UN-Sonderberichterstatter über die Menschenrechtssituation im Iran werden immer wieder als Beweise für "kriminelle" Aktivitäten herangezogen, die eine Bedrohung für die nationale Sicherheit darstellen. Auf dieser Grundlage werden Menschenrechtsverteidiger_innen zu langen Haftstrafen verurteilt.

Die UN-Erklärung zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen verweist auf die Verpflichtung der Staaten, auf sozialer, wirtschaftlicher, politischer und anderer Ebene Bedingungen zu schaffen, sowie rechtliche Garantien, gesetzliche und administrative Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass alle Personen in ihrem Zuständigkeitsbereich ihre Rechte und Freiheiten, einschließlich des Rechts, die Menschenrechte zu verteidigen, wahrnehmen können. Staaten haben die Pflicht, das Recht zur Verteidigung der Menschenrechte weder zu behindern, einzuschränken noch zu verletzen und dieses Recht gegenüber anderen – staatlichen Stellen oder anderen Personen oder Gruppen – zu verteidigen. Staaten sind außerdem verantwortlich dafür, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Menschen, die sich für die Menschenrechte einsetzen, vor Gewalt, Drohungen, Vergeltung, Diskriminierung, Druck oder anderen willkürlichen Handlungen zu schützen.