Vorläufig frei

Karte des Iran

Karte des Iran

Die iranische Todesstrafengegnerin Atena Daemi ist am 15. Februar 2016 gegen Kaution aus der Haft entlassen worden. Die Entscheidung über das Rechtsmittel, das sie gegen ihre Haftstrafe eingereicht hat, steht noch aus. Sie war wegen ihres friedlichen Engagements zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. Sollte sie erneut ins Gefängnis müssen, würde Amnesty International sie als gewaltlose politische Gefangene betrachten.

Appell an

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
ÜBER
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
ÜBER
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Sende eine Kopie an

PRÄSIDENT
Hassan Rouhani

ÜBER
BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S. E. Herrn Ali Majedi
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 17. Mai 2016 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

LUFTPOSTBRIEFE, FAXE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie höflich auf, den Schuldspruch und das Urteil gegen Atena Daemi aufzuheben, da sich die gegen sie erhobenen Anklagen ausschließlich auf Handlungen beziehen, mit denen sie friedlich ihre Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hat.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass eine Untersuchung zu ihrer langanhaltenden Einzelhaft und der mutmaßlichen Verweigerung einer medizinischen Betreuung durchgeführt wird, welche Folter und anderweitiger Misshandlung gleichkommen können.

  • Ich möchte Sie daran erinnern, dass der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Artikel 19, 21 und 22) festschreibt und der Iran Vertragsstaat dieses Pakts ist.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Iranian authorities to quash Atena Daemi’s conviction and sentence as they arise solely from the peaceful exercise of her rights to freedom of expression, association and peaceful assembly.

  • Calling on them to investigate her subjection to prolonged solitary confinement and the alleged denial of medical care, which may amount to torture and other ill-treatment.

  • Reminding them that Articles 19, 21 and 22 of the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), to which Iran is a state party, protect the right to freedom of expression, association, and peaceful assembly.

Sachlage

Atena Daemi setzt sich für die Menschenrechte und gegen die Todesstrafe ein. Am 15. Februar wurde sie gegen eine Kaution in Höhe von 6 Milliarden Rial (etwa 146.000 Euro) bis zur Entscheidung über das von ihr eingelegte Rechtsmittel aus dem Evin-Gefängnis in Teheran entlassen. Sie hatte in Haft über mehrere gesundheitliche Probleme berichtet. Unter anderem litt sie an Schmerzen in der Nierengegend, Herzproblemen, einem Schwächegefühl in den Händen und Füßen, Zahn- und Zahnfleischproblemen und zeitweiligen Sehstörungen. Eine angemessene medizinische Behandlung erhielt sie im Gefängnis nicht. Ihre Familie hatte eine Freilassung aus medizinischen Gründen beantragt, die Behörden erklärten offenbar jedoch, dass dies bis zur Entscheidung über das eingelegte Rechtsmittel nicht möglich sei. Sollte das gegen sie ergangene Urteil im Rechtsmittelverfahren bestätigt werden, könnte sie wieder inhaftiert werden.

Atena Daemi wurde am 12. Mai 2015 darüber informiert, dass sie von der Abteilung 28 des Revolutionsgerichts in Teheran zu 14 Jahren Haft verurteilt worden war. Das Verfahren, das im März 2015 stattgefunden hatte, war grob unfair und dauerte lediglich etwa 15 Minuten. Atena Daemi wurde wegen "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit" und "Verbreitung von Propaganda gegen das System" zu sieben Jahren Haft verurteilt. Dabei wurde nicht aufgeschlüsselt, wie viele Jahre sie für welchen der beiden Anklagepunkte erhalten hatte. Darüber hinaus verurteilte man sie zu drei Jahren Haft wegen "Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des Religionsführers" und zu vier Jahren wegen "Zurückhaltung von Beweisen". Die Anklagen stehen mit ihrer auf Facebook und Twitter geäußerten Kritik an Hinrichtungen und Menschenrechtsverletzungen im Iran in Zusammenhang. Zudem beziehen die Anklagen sich auf die Teilnahme von Atena Daemi an Versammlungen vor Gefängnissen, um sich mit den Familienangehörigen von zum Tode Verurteilten solidarisch zu zeigen, und auf die Verteilung von Flugblättern gegen die Todesstrafe. Die Anklagen gegen die Aktivistin hängen auch mit ihrer Verbindung zu Menschenrechtsverteidiger_innen und Familienangehörigen von nach den Wahlen 2009 getöteten Personen zusammen. Atena Daemi wurde im Oktober 2014 festgenommen. Sie durfte ihre Familie erst nach einer Woche in Haft anrufen und erst nach 25 Tagen durften ihre Angehörigen sie in Haft besuchen. Man hielt die Menschenrechtsverteidigerin 86 Tage im Trakt 2A des Evin-Gefängnisses fest, der unter der Kontrolle der Revolutionsgarden steht. 51 Tage davon musste sie in Einzelhaft verbringen. Obwohl sie in dieser Zeit mehrfach verhört wurde, hatte sie keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Atena Daemi wurde am 21. Oktober 2014 von elf Angehörigen der iranischen Revolutionsgarden festgenommen, die ihr Haus drei Stunden lang durchsuchten und Handys von ihr und ihren Angehörigen beschlagnahmten. Die Beamt_innen durchsuchten auch das Haus eines Angehörigen von Atena Daemi und ihren Arbeitsplatz, ohne dass ein Durchsuchungsbeschluss vorlag. Atena Daemi wurden die Augen verbunden und man brachte sie in den Trakt 2A des Evin-Gefängnisses in Teheran. Am nächsten Tag führte man sie der Staatsanwaltschaft vor, wo sie wegen "Versammlung und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit", "Verbreitung von Propaganda gegen das System", "Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des Religionsführers", "Beleidigung von islamischen Heiligkeiten", "Beleidigung der Revolutionsgarden", "Verbindung zur Volksmudschaheddin" und "Zurückhaltung von Beweisen" angeklagt wurde.

In den ersten 28 Tagen nach ihrer Festnahme wurde Atena Daemi eigenen Angaben zufolge in einer von Insekten befallenen Zelle ohne Toilette festgehalten. Die Beamt_innen sicherten ihr während des Verhörs einen einfacheren Zugang zu einer Toilette zu, wenn sie sich "kooperativ" zeige. Eineinhalb Monate lang verhörte man sie bis auf die Wochenenden jeden Tag und das oftmals Stunden lang. Während dieser Vernehmungen musste sie meist mit verbundenen Augen mit dem Gesicht zur Wand gedreht sitzen.

Die Anklage "Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des Religionsführers" bezieht sich offenbar auf die Facebook-Beiträge von Atena Daemi, in denen sie aus einer berühmten Aussage von Ayatollah Khomeini ein Wortspiel machte, um die hohe Zahl der Hinrichtungen im Iran in den vergangenen 30 Jahren zu verurteilen. In einem anderen Beitrag sagte sie, der Nachfolger von Ayatollah Khomeini, Ayatollah Khamenei, werde von vielen Iraner_innen als Diktator betrachtet. Die Anklage "Zurückhaltung von Beweisen" bezieht sich laut der Urteilsschrift darauf, dass sie die Passwörter der Facebook- und E-Mail-Konten eines anderen Aktivisten geändert habe. Das Verfahren gegen Atena Daemi im März 2015 fand zeitgleich mit dem Prozess gegen drei weitere Menschenrechtsaktivist_innen statt.

Wenn das gegen Atena Daemi verhängte Urteil bestätigt wird, muss sie die längste der ihr auferlegten Haftstrafen verbüßen. Grund dafür sind neue Richtlinien bezüglich der Strafzumessung im iranischen Strafgesetzbuch von 2013. Diese sehen vor, dass Personen, die wegen mehrerer Straftaten verurteilt worden sind, lediglich die längste der ihnen auferlegten Haftstrafen ableisten müssen.

Das 2013 in Kraft getretene islamische Strafgesetzbuch des Iran beinhaltet vage formulierte "Straftaten" wie zum Beispiel "Verbreitung von Propaganda gegen das System", "Schüren öffentlicher Unruhe", "Beleidigung von islamischen Heiligkeiten" und "Diffamierung von Staatsbeamt_innen". Diese unklar definierten Bestimmungen werden regelmäßig genutzt, um die friedliche Wahrnehmung der Meinungsfreiheit einzuschränken. Mit derartigen Gesetzen und Praktiken verletzt der Iran seine Pflichten unter den Artikeln 19, 21, und 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), in denen die Rechte auf Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit garantiert werden. Der Iran ist Vertragsstaat des IPbpR. In Artikel 19 heißt es: "Jedermann hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere Mittel eigener Wahl sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben". Artikel 21 besagt: "Das Recht sich friedlich zu versammeln, wird anerkannt". Und Artikel 22 schreibt fest: "Jedermann hat das Recht, sich mit anderen zusammenzuschließen …".