Hungerstreik

Der palästinensische Verwaltungshäftling Samer al-Barq ist am 14. Oktober, nur drei Wochen, nachdem er seinen letzten viermonatigen Hungerstreik beendet hatte, erneut in den Hungerstreik getreten. Zuvor hatten die israelischen Behörden ihn nicht, wie zugesichert, nach Ägypten überstellt. Samer al-Barq und Hassan Safadi, der ebenfalls ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten wird und bis vor Kurzem die Nahrungsaufnahme verweigert hatte, erhalten nach wie vor nicht die benötigte medizinische Versorgung.

Appell an

LEITER DER GEFÄNGNISVERWALTUNG
Lieutenant-General Aharon Franco
Israel Prison Service
P.O. Box 81, Ramleh 72100, ISRAEL
(Anrede: Dear Lieutenant-General / Sehr geehrter Herr Generalleutnant)
Fax: (00 972) 8 919 3800
LEITENDER BEAMTER IM GESUNDHEITSMINISTERIUM
Dr. Roni Gamzo
Director General, Ministry of Health
2 Ben Tabai Street
Jerusalem 93591, ISRAEL
(Anrede: Dear Director General / Sehr geehrter Herr Generaldirektor)
Fax: (00 972) 2 565 5966

Sende eine Kopie an

MINISTER FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Yitzhak Aharonovitch
Ministry of Public Security
Kiryat Hamemshala
Jerusalem 91181
ISRAEL
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 972) 2 584 7872
E-Mail: sar@mops.gov.il

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Jaakov Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74–76
14193 Berlin
Fax: 030 8904-5555 oder -5309
E-Mail: botschaft@israel.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. November 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, Samer al-Barq und Hassan Safadi sowie alle weiteren hungerstreikenden Gefangenen in israelischer Haft in einem zivilen Krankenhaus behandeln zu lassen, in dem sie die erforderliche fachärztliche Betreuung erhalten. Gestatten Sie ihnen Zugang zu unabhängigen ÄrztInnen ihres Vertrauens und stellen Sie sicher, dass sie keiner grausamen und unmenschlichen Behandlung – wie dem Anketten am Krankenbett – ausgesetzt sind.

  • Ich fordere nachdrücklich die unverzügliche Freilassung aller Verwaltungshäftlinge, sofern sie nicht umgehend einer international als Straftat anerkannten Handlung angeklagt und in Übereinstimmung mit internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht gestellt werden. Bis zu ihrer Freilassung müssen den Gefangenen regelmäßige Besuche ihrer Familien gewährt werden.

Sachlage

Am 11. Oktober kündigte Samer al-Barq gegenüber Familianangehörigen, die ihn an diesem Tag zum ersten Mal seit einem Jahr besuchten, an, erneut in den Hungerstreik zu treten, um gegen seine andauernde Verwaltungshaft und das Fehlen angemessener medizinischer Betreuung zu protestieren. Die israelischen Behörden halten Personen in Verwaltungshaft routinemäßig ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren fest. Samer al-Barq sagte seiner Familie, er werde seinen Hungerstreik solange fortsetzen, bis er entweder entlassen wird und in seine Heimatstadt Jayyus im Westjordanland zurückkehren kann, oder ein Gerichtsverfahren erhält. Seinen Familienangehörigen zufolge hat er etwa die Hälfte seines Körpergewichts verloren und leidet unter starken Bauchschmerzen.

Ein Rechtsanwalt der israelischen NGO Physicians for Human Rights – Israel (PHR) besuchte Samer al-Barq am 17. Oktober und stellte fest, dass er schwächer ist als jemals zuvor. Es liegen widersprüchliche Informationen darüber vor, ob er noch Wasser zu sich nimmt oder nicht.

Der israelische Gefängnisdienst (Israel Prison Services – IPS) hat zahlreiche Anträge der Organisation PHR zurückgewiesen, Samer al-Barq, Hassan Safadi und andere Häftlinge im Hungerstreik von einem unabhängigen Arzt untersuchen zu lassen. Hassan Safadi beendete seinen dreimonatigen Hungerstreik um den 21. September herum. Am 18. Oktober fand vor dem zuständigen Gericht (High Court of Justice) eine Anhörung zum Berufungsverfahren gegen die Verwaltungshaft von Hassan Safadi statt, eine Entscheidung fiel jedoch nicht. Am 10. Oktober wurde Hassan Safadi aus der medizinischen Einrichtung des IPS im Ramleh-Gefängnis in das Hadarim-Gefängnis verlegt, obwohl sein Gesundheitszustand stark angegriffen war. Während ihres Hungerstreiks wurden Hassan Safadi und Samer al-Barq gelegentlich in ein öffentliches Krankenhaus verlegt, wo man sie oftmals an ihren Betten festkettete und sie nach kurzer Zeit wieder in das Gefängniskrankenhaus zurückbrachte. Die beiden Männer erhielten während ihres gesamten Hungerstreiks keine fachärztliche Betreuung oder Behandlung in einem entsprechend ausgestattetem Krankenhaus und wurden wiederholt misshandelt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Der 37-jährige Samer al-Barq wurde am 11. Juli 2010 von den jordanischen Behörden an die Militärbehörden in Israel überstellt und wird seitdem ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten. Zuvor war er bis 2008 viereinhalb Jahre lang ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren in Jordanien inhaftiert gewesen. Sein Rechtsbeistand hat gegenüber Amnesty International erklärt, dass die israelischen Behörden Samer al-Barq während seiner Inhaftierung nicht verhört haben. Nach 30 Tagen beendete er am 14. Mai 2012 seinen ersten Hungerstreik. Ab dem 22. Mai verweigerte er erneut die Nahrungsaufnahme, nachdem seine Haftanordnung um weitere drei Monate verlängert worden war. Die Haftordnung wurde am 22. August erneut verlängert. Während des Hungerstreiks war er zeitweise an das Krankenhausbett gekettet. AnwältInnen gegenüber gab er an, vom Gefängnispersonal geschlagen und beschimpft worden zu sein. Amnesty International geht aufgrund der Angaben der AnwältInnen von Samer al-Barq, die an den Verhandlungen über seine Freilassung und mögliche Aufnahme in Ägypten beteiligt waren, davon aus, dass der Gefangene seine freiwillige Zustimmung zu diesen Verhandlungen gegeben hat. Amnesty International konnte jedoch nicht mit Samer al-Barq persönlich sprechen, um sich dies bestätigen zu lassen. Derzeit scheinen die Behörden nicht vorzuhaben, ihn nach Ägypten zu überstellen. Am 11. Oktober durfte seine Familie ihn zum ersten Mal seit einem Jahr besuchen. Seine Angehörigen sagten Amnesty International, dass er äußerst schwach und deprimiert sei. Er habe zudem Blut im Stuhl und leide unter starken Bauschschmerzen.

Der 33-jährige Hassan Safadi wird seit dem 29. Juni 2011 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft gehalten. Seine Haftanordnung wäre regulär im Juni ausgelau¬fen, wurde jedoch zunächst um weitere sechs Monate verlängert, bevor sie dann bei einer gerichtlichen Überprüfung im September 2012 auf vier Monate verkürzt wurde. Hassan Safadi hatte im Mai nach 70 Tagen seinen ersten Hungerstreik beendet, verweigerte jedoch ab dem 21. Juni wegen der Verlängerung seiner Haftanordnung erneut die Nahrungsaufnahme. Er beendete den Hungerstreik erst, als das Militärische Berufungsgericht entschied, seine derzeitige Verwaltungshaftanordnung – die am 29. Oktober ausläuft – nicht weiter zu verlängern. Ein PHR-Arzt, der Hassan Safadi zuletzt am 10. September untersuchte, stellte fest, dass er 24 Prozent seines Körpergewichts verloren hat und an Muskelatrophie, vermindertem Sehvermögen, Schwindel, extrem niedrigem Blutdruck, Nierensteinen, Gelenkschmerzen sowie eingeschränktem Empfinden und Zyanose in den Händen und Füßen leidet, was auf eine dauerhafte Nervenschädigung hindeuten könnte. Da seitdem keine PHR-ÄrztInnen mehr zu Hassan Safadi vorgelassen wurden, liegen keine Informationen über seinen aktuellen Gesundheitszustand vor und es ist unklar, ob er die erforderliche medizinische Versorgung und Betreuung erhält, die während der langsamen Wiederaufnahme von Nahrung nach einem Hungerstreik nötig sind. Auch Hassan Safadi hat angegeben, vom Gefängnispersonal während seines Hungerstreiks geschlagen und beschimpft worden zu sein.

Ein weiterer palästinensischer Gefangener, Ayman Sharawna, der am 31. Januar festgenommen wurde – drei Monate, nachdem er im Oktober 2011 im Rahmen eines Gefangenenaustausch freigekommen war –, befindet sich seit dem 1. Juli 2012 im Hungerstreik. Er protestiert damit gegen die Weigerung eines israelischen Militärausschusses, ihm oder seinen Rechtsbeiständen ihre Vorwürfe zu begründen, er habe gegen Auflagen für seine Freilassung verstoßen. Der Ausschuss könnte seine vorherige Strafe wieder in Kraft setzen, hat dies jedoch bisher nicht getan. Ein PHR-Arzt, der Ayman Sharawna am 10. September untersuchte, empfahl seine Einweisung in ein Krankenhaus und gab an, er leide an sehr niedrigem Blutdruck, Unterkühlung, Schmerzen in der Nierenregion, im Rücken und dem rechten Bein und Sehverlust im rechten Auge. Zudem habe er kein Empfinden im linken Bein und spucke Blut. Im September wurde Ayman Sharawna kurz in das Krankenhaus von Tel Hashomer verlegt, nachdem er vier Tage lang die Aufnahme von Wasser verweigert hatte. Abgesehen davon ist dem PHR-Personal jedoch nicht bekannt, ob er noch einmal in ein Krankenhaus verlegt wurde, um die dringend benötigte fachärztliche Betreuung und Behandlung zu erhalten. Ayman Sharawna befindet sich gegenwärtig in der medizinischen Einrichtung des Ramleh-Gefängnisses, wo er offenbar in Einzelhaft gehalten wird. Berichten zufolge nimmt er seit dem 14. Oktober keine Vitaminpräparate mehr zu sich und hat damit gedroht, auch kein Wasser mehr zu trinken, sollte der Militärausschuss keine Entscheidung bezüglich seiner Haftstrafe fällen.

Verwaltungshaft ist die Inhaftierung von Personen ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren. Die Haftanordnung kann auf der Grundlage von Beweisen, die weder den Gefangenen selbst noch ihren Rechtsbeiständen mitgeteilt werden, immer wieder verlängert werden. Aus Protest gegen schlechte Haftbedingungen, wie z. B. Einzelhaft, die Verweigerung von Familienbesuchen und Inhaftierung ohne Anklage traten am 17. April Schätzungen zufolge rund 2.000 palästinensische Gefangene in den Hungerstreik. Am 14. Mai kam es unter ägyptischer Vermittlung zu einer Vereinbarung, die den Hungerstreik beendete. Trotz Medienberichten, laut denen die israelischen Behörden derzeit anhängige Verwaltungshaftanordnungen nicht erneuern wollen, sofern die Nachrichtendienste keine neuen belastenden Erkenntnisse zutage fördern, scheinen auch weiterhin Verwaltungshaftanordnungen ausgestellt worden zu sein. Die Gesamtzahl der Verwaltungshäftlinge soll derzeit 212 betragen, über 100 weniger als im März 2012. Tatsächlich sind bereits einige Verwaltungshäftlinge freigekommen, nachdem sie zugesichert hatten, die Besetzten Palästinensischen Gebieten dauerhaft zu verlassen und ins Exil zu gehen. Die Vierte Genfer Konvention untersagt es Besatzungsmächten, Menschen gegen ihren Willen aus einem besetzten Gebiet auszuweisen. Weitere Informationen finden Sie in dem im Juni 2012 veröffentlichten englischen Bericht Starved of justice: Palestinians detained without trial by Israel, unter: http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE15/026/2012/en.