Palästinenserin in Verwaltungshaft

Karte Israel

Karte Israel

Gegen die palästinensische Parlamentarierin Khalida Jarrar ist eine sechsmonatige Verwaltungshaftstrafe erlassen worden. Weil sie sich einer israelischen Anordnung wiedersetzt hat, droht ihr nun eine Inhaftierung auf unbestimmte Zeit ohne Anklageerhebung oder Verfahren. Die Parlamentarierin leidet unter chronischen Gesundheitsproblemen.

Appell an

MILITÄRSTAATSANWALT Brigadier General Danny Efroni 6 David Elazar Street Hakirya, Tel Aviv ISRAEL (Anrede: Dear Judge Advocate General / Sehr geehrter Herr Generalanwalt) Fax: (00 972) 3 569 4526 E-Mail: avi_n@idf.gov.il

KOMMANDANT DER ISRAELISCHEN VERTEIDIGUNGSSTREITKRÄFTE – WESTJORDANLAND Major-General Roni Numa GOC Central Command Military Post 01149

Battalion 877 Israel Defense Forces, ISRAEL (Anrede: Dear Major-General Roni Numa / Sehr geehrter Herr Generalmajor) Fax: (00 972) 2 530 5741 oder (00 972) 2 530 5724

Sende eine Kopie an

VERTEIDIGUNGSMINISTER Moshe Ya'alon Ministry of Defence 37 Kaplan Street Hakirya Tel Aviv 61909 ISRAEL Fax: (00 972) 3 691 6940

 

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL S.E. Herrn Yacov-David Hadas-Handelsman Auguste-Viktoria-Straße 74-76 14193 Berlin Fax: (030) 8904 5555 oder (030) 8904 5309 E-Mail: botschaft@israel.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. Mai 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie Khalida Jarrar und alle weiteren Verwaltungshäftlinge entweder frei oder klagen Sie sie unverzüglich international als Straftat anerkannter Handlungen an und stellen Sie sie in Übereinstimmung mit den internationalen Standards für faire Verfahren vor Gericht. Ich bitte Sie zudem, die Verwaltungshaft ganz abzuschaffen, da sie gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstößt.

  • Stellen Sie bitte zudem sicher, dass Khalida Jarrar sofort jegliche nötige medizinische Behandlung erhält.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on the Israeli authorities to release Khalida Jarrar and all other administrative detainees unless they are promptly charged with internationally recognizable criminal offences and brought to trial in conformity with international fair trial standards, and to end the use of administrative detention, which violates the right to fair trial.

  • Calling on them to ensure that Khalida Jarrar promptly receives any medical treatment she may require.

Sachlage

Israelische Sicherheitskräfte haben Khalida Jarrar am 2. April um 1.30 Uhr in ihrem Haus in Ramallah im besetzten Westjordanland festgenommen. Man verhörte sie mehr als vier Stunden lang in der israelischen Haftanstalt Ofer in den besetzten palästinensischen Gebieten und brachte sie anschließend in das HaSharon-Gefängnis in Israel. Der Rechtsbeistand von Khalida Jarrar gab der israelischen Zeitung Ha’aretz gegenüber an, dass die Haftanordnung gegen seine Mandantin am Tag ihrer Festnahme unterzeichnet worden war. Seiner Ansicht nach deutet dies darauf hin, dass die Anordnung bereits im Voraus vorbereitet worden war. Khalida Jarrar hat mehrere Schlaganfälle erlitten und leidet unter einem hohen Cholesterinspiegel. Ihr Gesundheitszustand macht es erforderlich, dass sie mehrmals wöchentlich Medikamente einnimmt und sich Bluttests unterzieht.

Khalida Jarrar übt aktiv Kritik an der israelischen Besetzung der palästinensischen Gebiete. Im August 2014 widersetzte sie sich einer militärischen Anordnung, laut der sie ihre Heimatstadt Ramallah hätte verlassen müssen. Aufgrund "geheimer Beweismittel" hatte das Militär angeordnet, dass sie sechs Monate nach Jericho ziehen müsse. Im Februar 2015 wurde sie zum Mitglied des Komitees ernannt, das Präsident Abbas nach der Unterzeichnung des Römischen Statuts im Dezember 2014 ins Leben rief, um die palästinensischen Anliegen vor dem Internationalen Strafgerichtshof voranzubringen. Sie ist außerdem die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Addameer, die sich für die Rechte von palästinensischen Häftlingen einsetzt, und wurde 2006 in den Palästinensischen Legislativrat gewählt.

Das israelische Militär behält die gegen Verwaltungshäftlinge vorliegenden Beweismittel meist ein und beruft sich dabei auf Sicherheitsgründe. Ein Militärrichter hat die für den 8. April anberaumte Überprüfung der Haftanordnung gegen Khalida Jarrar auf den 14. April verschoben, um den Verteidiger_innen die Möglichkeit einzuräumen, einige der gegen sie vorliegenden Beweismittel anzusehen. Zu diesen Beweisen gehören auch Aufnahmen von Khalida Jarrar bei Demonstrationen. Das israelische Militärgesetz in den besetzten palästinensischen Gebieten ermöglicht die Strafverfolgung von Palästinenser_innen, die an "politischen" Demonstrationen teilnehmen. Darüber hinaus schreibt das Gesetz vor, dass für Versammlungen mit mehr als zehn Teilnehmer_innen eine Genehmigung beim militärischen Befehlshaber eingeholt werden muss. Die Staatsanwaltschaft erklärte, dass sie keine Anklage gegen Khalida Jarrar erheben würde, weil ihr dies die Möglichkeit einer Freilassung gegen Kaution einräumen würde. Dies ist ein Indiz dafür, dass man die Parlamentarierin mit ihrer Inhaftierung für ihr politisches Engagement bestrafen will. Die Haftanordnung gegen sie kann unbegrenzt erneuert werden.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Khalida Jarrar wird bereits seit Jahrzehnten von den israelischen Behörden drangsaliert und eingeschüchtert. Sie ist noch nie wegen einer Straftat angeklagt worden, dennoch haben die Behörden sie zu einer "Gefahr für die Sicherheit" erklärt. Im August 2014 erließ der Vorsitzende des Zentralkommandos der israelischen Streitkräfte eine sechsmonatige "Sonder-Überwachungsanordnung" gegen Khalida Jarrar. Begründet wurde dies mit nicht näher ausgeführten "schwerwiegenden Sicherheitsbedenken, welche die Anordnung erforderlich machen, um die Sicherheit der Region zu gewährleisten". Khalida Jarrar wurde aufgefordert, ihre Heimatstadt Ramallah zu verlassen und sich ausschließlich in Jericho zu bewegen, sofern sie keine "Sondererlaubnis" von den Militärbehörden erhalte. Es wurden keine weiteren Angaben zu den gegen sie vorliegenden Informationen gemacht, sodass sie nicht gerichtlich gegen die Anordnung vorgehen konnte. Sie widersetzte sich der Anordnung und ließ sich im Gebäude des Palästinensischen Legislativrats nieder, wo sie bis zum 16. September 2014 blieb, als die Anordnung auf einen Monat reduziert wurde.

Dutzende israelische Soldat_innen umstellten das Haus von Khalida Jarrar am 2. April 2015. Sie durchsuchten das Gebäude und beschlagnahmten zwei Laptops und ein Handy. Die Soldat_innen brachten Khalida Jarrar zunächst in die israelische Siedlung Beit El und dann auf einen israelischen Militärstützpunkt in der Nähe von Jaba’ in Jerusalem. Um etwa 7.30 Uhr wurde sie in die Haftanstalt Ofer in der Nähe von Ramallah verlegt und verhört, bevor man sie dann in das HaSharon-Gefängnis in Israel brachte. Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur Ma’an sagte eine Sprecherin des israelischen Militärs, dass Khalida Jarrar inhaftiert wurde, weil sie die Anführerin einer "terroristischen Organisation" sei und zu "terroristischen Aktivitäten" aufrufe. Eine Anhörung zur Überprüfung der Haftanordnung von Khalida Jarrar wurde am 8. April um eine Woche verschoben, damit ihre Verteidiger_innen die gegen sie vorliegenden Beweise prüfen können. Die Staatsanwaltschaft verfügt zudem noch über geheime Beweismittel, die weder der Palästinenserin noch ihren Rechtsbeiständen vorgelegt werden. Der Militärrichter, der ihre Haftanordnung überprüft, kann diese aufrechterhalten, verkürzen oder ganz aufheben.

Das israelische Militär hat Khalida Jarrar 1998 aus "Gründen der Sicherheit" ein Reiseverbot auferlegt. Auf welche Informationen sich das Militär bei der Begründung dieser Entscheidung gestützt hat, haben sie und ihre Rechtsbeistände nie erfahren. 2010 kämpfte Khalida Jarrar monatelang um die Erlaubnis, nach Jordanien reisen zu dürfen, wo sie sich einer Gehirnuntersuchung unterziehen wollte, die in den besetzten palästinensischen Gebieten nicht angeboten wird. Man hindert sie daran, Menschenrechtsveranstaltungen im Ausland zu besuchen. Im Februar 2015 wurde sie zum Mitglied des Komitees ernannt, das Präsident Abbas nach der Unterzeichnung des Römischen Statuts im Dezember 2014 ins Leben rief, um die palästinensischen Anliegen vor dem Internationalen Strafgerichtshof voranzubringen. Im Januar 2015 hat die palästinensische Autonomiebehörde die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für Verbrechen, die seit dem 13. Juni 2014 auf dem von ihr kontrollierten Gebiet begangen worden sind, anerkannt. Dies umfasst auch den jüngsten Konflikt zwischen Israel und Gaza, bei dem im Juli und August 2014 mehr als 1.500 palästinensische Zivilpersonen im Gazastreifen und sechs Zivilpersonen in Israel getötet wurden. Israel reagierte auf den Beitritt Palästinas zum Internationalen Strafgerichtshof mit dem Einbehalten von etwa 100 Millionen Euro an Steuergeldern, die Palästina monatlich zustehen. Obwohl die israelische Regierung angekündigt hat, die Gelder zum Teil freizugeben, hält der Streit zwischen den israelischen und palästinensischen Behörden bezüglich dieses Themas weiter an.

Die Verwaltungshaft wurde angeblich als Sondermaßnahme zur Inhaftierung von Personen eingeführt, die eine große und unmittelbare Gefahr für die Sicherheit darstellen. Seit Jahren setzt Israel diese Form der Haft jedoch auch gegen Personen ein, die entsprechend der Vorschriften der Strafprozessordnung festgenommen, angeklagt und vor Gericht gestellt werden müssten. Zudem werden Personen in Verwaltungshaft genommen, für deren Festnahme keinerlei Gründe vorliegen. Verwaltungshaftanordnungen können immer wieder verlängert werden. Amnesty International ist der Ansicht, dass es sich bei einigen der Palästinenser_innen in israelischer Verwaltungshaft um gewaltlose politische Gefangene handelt, die nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihrer Rechte auf Meinungs- und Vereinigungsfreiheit in Haft gehalten werden. Es befinden sich derzeit etwa 14 Angehörige des Palästinensischen Legislativrats in israelischer Haft, acht davon in Verwaltungshaft. Die Anzahl der Verwaltungshäftlinge ist seit Mai 2014 stark angestiegen. Im August 2014 befanden sich 470 Personen in Verwaltungshaft, Ende Februar 2015 waren es laut der israelischen NGO B’Tselem noch immer 424. Laut des Palestinian Prisoners' Center for Studies hat Israel 2015 bereits 319 Verwaltungshaftanordnungen erlassen.