Verfahren begonnen

Khalida Jarrar

Khalida Jarrar

Am 25. August ist das Verfahren gegen Khalida Jarrar vor einem Militärgericht eröffnet worden. Zwei Zeug_innen der Staatsanwaltschaft zogen ihre Aussagen zurück und gaben an, diese unter Zwang gemacht zu haben.

Appell an

MILITÄRSTAATSANWALT
Brigadier General Danny Efroni
Hakirya, Tel Aviv, ISRAEL
(Anrede: Dear Judge Advocate General / Sehr geehrter Herr Militärstaatsanwalt)
Fax: (00 972) 3 569 4526
E-Mail: avi_n@idf.gov.il

KOMMANDANT DER ISRAELISCHEN
VERTEIDIGUNGSSTREITKRÄFTE – WESTJORDANLAND
Major-General Roni Numa
GOC Central Command
Military Post 01149, Battalion 877

Israel Defense Forces, ISRAEL
(Anrede: Dear Major-General Roni Numa / Sehr geehrter Herr Generalmajor)
Fax: (00 972) 2 530 5741 oder (00 972) 2 530 5724

VERTEIDIGUNGSMINISTER
Moshe Ya'alon
Ministry of Defence
Tel Aviv 61909, ISRAEL
(Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Verteidigungsminister)
Fax: (00 972) 3 691 6940
E-Mail: minister@mod.gov.il oder pniot@mod.gov.il

Sende eine Kopie an

BOTSCHAFT DES STAATES ISRAEL
S.E. Herrn Yacov-David Hadas-Handelsman
Auguste-Viktoria-Straße 74-76
14193 Berlin
Fax: 030 8904 5555
E-Mail: botschaft@israel.de

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Hebräisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. Oktober 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, unverzüglich eine wirksame, unabhängige und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe durchführen zu lassen, wonach Inhaftierte und Gefangene gefoltert und anderweitig misshandelt worden sind.

  • Es bereitet mir Sorge, dass Verfahren vor israelischen Militärgerichten erhebliche Mängel aufweisen. Bitte ergreifen Sie alle erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Khalida Jarrar unverzüglich ein Verfahren erhält, das den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht und bei dem sämtliche Aussagen ausgeschlossen werden, die durch Folter oder andere Misshandlungen erzwungen wurden.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the Israeli authorities to ensure prompt, effective investigation by an independent and impartial body into complaints and reports that detainees and prisoners have been tortured or otherwise ill-treated.

  • Expressing concern that Israeli military court proceedings are seriously flawed and calling on the authorities to ensure Khalida Jarrar is given a prompt trial in accordance with international fair trial standards, excluding any statements obtained through torture or other ill-treatment.

Sachlage

Am 25. August wurde mit großer Verspätung das Verfahren gegen die palästinensische Parlamentarierin Khalida Jarrar vor einem Militärgericht eröffnet. Khalida Jarrar war am 2. April 2015 von Angehörigen der israelischen Sicherheitskräfte festgenommen worden. Ihr werden Mitgliedschaft in der verbotenen Volksfront zur Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine – PFLP), der ein bewaffneter Flügel angehört, sowie Anstiftung zur Entführung von israelischen Soldat_innen vorgeworfen. Nach Angaben der Rechtsbeistände von Khalida Jarrar entbehren diese Anschuldigungen jeglicher Grundlage.

Die Beweise der Staatsanwaltschaft gegen Khalida Jarrar basieren auf Aussagen früherer und derzeitiger palästinensischer Gefangener, die diese während Verhören durch den israelischen Sicherheitsdienst (Israel Security Agency – ISA) gemacht haben. Bei der Anhörung am 25. August zogen die beiden ersten Zeug_innen ihre Aussagen allerdings zurück und gaben an, diese unter Druck gemacht zu haben. Laut der Menschenrechtsorganisation Addameer, die sich für die Rechte von palästinensischen Gefangenen einsetzt und Khalida Jarrar vor Gericht vertritt, führten die beiden Zeug_innen "Druck und Misshandlungen während des Verhörs, darunter Schlafentzug, Verharren in schmerzhaften Stresspositionen über lange Zeiträume sowie Androhungen weiterer Folterungen und der Festnahme von Familienangehörigen" an.

Die Staatsanwaltschaft bezichtigte die Zeug_innen jedoch der Lüge und das Gericht urteilte, dass die ursprünglichen Aussagen nicht ausgeschlossen würden. Verfahren vor israelischen Militärgerichten entsprechen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Die Militärjustiz ist nicht unabhängig und es herrschen starke Zweifel hinsichtlich der Unparteilichkeit der Militärrichter_innen. Urteilssprüche erfolgen häufig nur auf der Grundlage von "Geständnissen" der Angeklagten oder Aussagen von Zeug_innen, die später widerrufen werden, da sie unter Zwang abgelegt wurden. Palästinensische Gefangene und Inhaftierte werden während der Festnahme und den Verhören regelmäßig gefoltert und anderweitig misshandelt.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Khalida Jarrar wird im HaSharon-Gefängnis in Israel festgehalten. Die israelischen Militärgerichte wurden eingerichtet, um Palästinenser_innen aus den besetzten palästinensischen Gebieten den Prozess zu machen, denen sicherheitsbezogene Vergehen vorgeworfen werden. Die Richter_innen und Staatsanwält_innen gehören dem israelischen Militär an, wobei die Richter_innen auf Empfehlung des militärischen Generalanwalts von den regionalen Befehlshaber_innen benannt werden und fast ausschließlich aus den Reihen der Staatsanwält_innen stammen. Sie haben keinen Anspruch auf eine Festanstellung und können jederzeit von den regionalen Befehlshaber_innen aus dem Amt entlassen werden. Es herrschen starke Zweifel hinsichtlich ihrer Unparteilichkeit.

Darüber hinaus basieren die Verfahren vor Militärgerichten häufig auf "Geständnissen" von Zeug_innen, die diese oftmals zu einem späteren Zeitpunkt zurückziehen, weil sie unter Zwang abgelegt wurden. Im Jahr 2010 war Abdallah Abu Rahma wegen "Aufwiegelung" und "Organisation und Teilnahme an nicht genehmigten Demonstrationen" für schuldig befunden worden. Die Entscheidung des Gerichts basierte auf den Aussagen von drei Kindern, die diese später vor Gericht zurückzogen und angaben, zur Aussage gezwungen worden zu sein. Angeklagte stimmen zudem oft selbst dann Übereinkommen mit der Staatsanwaltschaft zu, wenn sie unschuldig sind. Sie sehen in der Abgabe eines Geständnisses die einzige Möglichkeit, einem unfairen Verfahren zu entgehen und geringere Strafen zu erhalten.

Palästinensische Häftlinge werden regelmäßig von israelischen Sicherheitskräften gefoltert und anderweitig misshandelt, vor allem, von Angehörigen des Internen Sicherheitsdienstes. Während der Verhöre haben die Häftlinge oft tagelang, manchmal sogar wochenlang keinen Kontakt zur Außenwelt. Zu den eingesetzten Foltermethoden zählen Schläge und Würgen, schmerzhafte Fesselungen über lange Zeiträume, Schlafentzug und Drohungen gegen die Häftlinge und ihre Familien. Zudem werden Gefangene gezwungen, über lange Zeiträume in schmerzhaften Positionen zu verharren. Die Behörden fördern ein Klima der Straflosigkeit, indem sie keine angemessenen Schritte unternehmen, um Folter zu verhindern oder Foltervorwürfe unabhängig zu untersuchen.

Khalida Jarrar wird bereits seit Jahrzehnten von den israelischen Behörden drangsaliert und eingeschüchtert. Sie war bis zum 15. April 2015 noch nie wegen einer Straftat angeklagt worden, dennoch haben die Behörden sie in der Vergangenheit bereits mehrfach zu einer "Gefahr für die Sicherheit" erklärt. Am 2. April wurde Khalida Jarrar in ihrem Haus in Ramallah im besetzten Westjordanland von Soldat_innen festgenommen und in Verwaltungshaft genommen. Bei einer Anhörung zur Überprüfung ihrer Haftanordnung am 15. April erhob die Militärstaatsanwaltschaft in zwölf Punkten Anklage gegen die Palästinenserin. Die Anklagepunkte stehen in Verbindung mit einer mutmaßlichen Mitgliedschaft in der verbotenen Volksfront zur Befreiung Palästinas (Popular Front for the Liberation of Palestine – PFLP) sowie mit der mutmaßlichen Anstiftung zur Entführung von israelischen Soldat_innen. Die Rechtsbeistände von Khalida Jarrar geben an, dass diese Anklage jeglicher Grundlage entbehrt. Die Militärstaatsanwaltschaft beruft sich auf Aussagen von 17 früheren und derzeitigen palästinensischen Häftlingen, die gehört haben sollen, wie Khalida Jarrar sich für die Entführung israelischer Soldat_innen ausgesprochen habe. Die Parlamentarierin streitet diese Vorwürfe vehement ab.