Aktuell 25. Mai 2015

Öffentliche Beschlüsse der Jahresversammlung 2015 in Dresden

P-1: Solidarität mit rassistisch bedrohten und angegriffenen Menschen

Die Jahresversammlung stellt fest und beschließt:

Die Jahresversammlung versteht es als wichtige Aufgabe für Amnesty International, solidarisch an der Seite von Menschen zu stehen, die in Deutschland in gewalttätiger, ausgrenzender und subtiler Form Rassismus ausgesetzt sind.

Die Jahresversammlung begrüßt es, dass in vielen Städten und Gemeinden Amnesty-Gruppen gegen rassistische und flüchtlingsfeindliche Aufmärsche öffentlich Stellung bezogen und menschenrechtliche Gegenpositionen sichtbar gemacht haben.

Sie ist besorgt über vorurteilsmotivierte Angriffe auf Menschen, denen unterstellt wird, "anders" zu sein. Sie ist besorgt darüber, dass Menschen in Deutschland rassistisch bedroht, angepöbelt und angegriffen werden, dass angesichts von rassistischen Aufmärschen Asylsuchende und People of Color Angst auf der Straße haben oder sich in Wohnungen und Unterkünften einschließen, dass Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und Einrichtungen religiöser Minderheiten zunehmen. Die Jahresversammlung nimmt die Ängste derjenigen, die von solchen Angriffen in ihrer Würde und womöglich in ihrer körperlichen Unversehrtheit verletzt werden, sehr ernst.

Die Jahresversammlung fordert deshalb politische Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen auf,

• Betroffenen von Rassismus zuzuhören, ihre Erfahrungen ernst zu nehmen und sich gemeinsam offensiv gegen Rassismus zu positionieren. • anzuerkennen, dass Rassismus kein nur rechtsextremes Phänomen ist, sondern quer durch die Bevölkerung geht • im Dialog mit der Bevölkerung rassistischen Ressentiments mit einer eindeutigen Haltung zugunsten der Menschenrechte entgegen zu treten • deutlich zu machen, dass Einsatz gegen Rassismus nicht Ausdruck einer parteipolitischen Richtung, sondern demokratisches und menschenrechtliches Engagement ist • nicht auf Kosten von Flüchtlingen und Migrant_innen politischen Stimmenfang zu betreiben.

Die Jahresversammlung fordert die für die Durchführung von Versammlungen Zuständigen in Verwaltung und Polizeien auf,

• in Übereinstimmung mit dem völkerrechtlichen Schutzanspruch von Flüchtlingen als einer besonders verletzlichen Gruppe sicherzustellen, dass Versammlungsfreiheit nicht zur Einschüchterung von Schutzsuchenden missbraucht wird • bei mehreren Demonstrationen in der Nähe von Sammelunterkünften sicherzustellen, dass Flüchtlingen nicht nur der Anblick von gegen sie gerichteten, rassistischen Protesten zugemutet wird, sondern auch Solidaritätsbekundungen in ihrer Sicht- und Hörweite zugelassen werden • das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit, wie es z.B. in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgelegt ist, auch für Asylsuchende und Flüchtlinge zu gewährleisten und ihren Zugang zu Demonstrationen nicht zu behindern.

Die Jahresversammlung ermutigt Amnesty-Gruppen,

• die Möglichkeit entsprechend den Regelwerken zu prüfen, sich an lokalen Demonstrationen und Veranstaltungen sowie - in Absprache mit den zuständigen Amnesty-Gremien - an breiten Bündnissen gegen Rassismus und für Menschenrechte zu beteiligen • zu überlegen, ob oder wie sie im Rahmen ihres Engagements auch von Rassismus Betroffenen eine Stimme geben können • das Engagement auch anderer Gruppierungen in Übereinstimmung mit den Zielen von Amnesty zu unterstützen, z.B. durch Vernetzung in sozialen Medien.

P-3: Menschenrechte im europäischen Asylsystem schützen

Die Jahresversammlung beschließt:

  1. Die Jahresversammlung fordert die Bundesregierung auf, den Schutz vor Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung nach Artikel 3 sowie vor Diskriminierung nach Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention auch dann zu gewährleisten, wenn Asylsuchende vor ihrer Ankunft in Deutschland in einem sicheren Drittstaat Aufnahme erhalten haben.

  2. Die Jahresversammlung fordert die Bundesregierung auf, Entscheidungen im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nur dann durch die Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen, wenn gesichert ist, dass die Asylsuchenden in dem Mitgliedsstaat, dessen Entscheidung anerkannt werden soll, Zugang zu einem fairen und umfassenden Asylverfahren hatten.

  3. Die JV fordert den Vorstand auf, bei den unter 1 und 2 genannten Themenkomplexen zu prüfen, wie Amnesty International sich hierzu positioniert und diese Positionierung durch Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit umzusetzen.

P-4: Vulnerable Flüchtlinge schützen, die das Erwachsenenalter bei Antragsstellung in Deutschland gerade erst erreicht haben

Die fünfzigste Jahresversammlung beschließt:

  1. Der Vorstand wird beauftragt zu prüfen und herauszuarbeiten, ob und wenn ja, wann junge volljährige Flüchtlinge als schutzbedürftige Personen im Sinne des Art. 21 der RL definiert werden können.

  2. Die Jahresversammlung äußert Sorge darüber, dass in der behördlichen Praxis zur Altersfestsetzung das Alter des jungen Flüchtlings häufig zu seinem Nachteil auf Volljährigkeit heraufgesetzt wird. Sie fordert erneut die Einführung eines einheitlich geregelten, gerichtlich überprüfbaren Verfahrens zur Alterseinschätzung im Sinne des JV Beschlusses SP5 von 2013, dessen Ergebnis Bindungswirkung für alle beteiligten Akteure hat.

P-5: Religion und Menschenrechte

Die Jahresversammlung beschließt:

Die Jahresversammlung betrachtet mit Sorge die Entwicklungen der jüngsten Jahre bezüglich des Verständnisses von Religionen und Menschenrechten und ihrer vielfältigen Bezüge. Menschenrechtsverletzungen wegen "falschen" religiösen Bekenntnisses werden einerseits häufiger; andererseits ist zu beobachten, dass Religionen und deren Anhänger stereotypisiert und zunehmend pauschal als nicht mit den Menschenrechten vereinbar oder nicht menschenrechtsfreundlich eingestuft werden.

P-8: Migrationsagenda der EU-Kommission

Die Jahresversammlung beschließt:

  1. Die Jahresversammlung begrüßt den in der Europäischen Migrationsagenda der EU-Kommission vom 13.5.2015 enthaltenen Vorschlag, eine Quote für die Übernahme von Flüchtlingen aus besonders stark belasteten Mitgliedstaaten einzuführen. Insbesondere Staaten wie Italien, Malta und Griechenland benötigen angesichts der hohen Zahlen der in diesen Ländern ankommenden Flüchtlingen die Solidarität der anderen EU- Mitgliedstaaten. Die Jahresversammlung fordert zugleich, dass bei der Verteilung dieser Flüchtlinge in andere Länder ihre Interessen berücksichtigt werden müssen.

  2. Die Jahresversammlung begrüßt den Vorschlag der EU-Kommission, ein EU-weites Resettlementprogramm für 20.000 Flüchtlinge, die bereits außerhalb der EU als Flüchtlinge vom UNHCR anerkannt worden sind, aber in ihren Aufnahmeländern keine Perspektive haben, für die nächsten beiden Jahre einzuführen. Allerdings ist die Zahl von 20 000 Flüchtlingen angesichts des von UNHCR allein für Flüchtlingen aus Syrien angemeldeten Bedarfs von 380 000 Aufnahmeplätzen bis 2016 bei weitem nicht ausreichend. Deshalb muss die Aufnahmequote erheblich vergrößert werden. Auch bei der Verteilung dieser Flüchtlinge sind die Interessen der Flüchtlinge zu berücksichtigen.

  3. Die Jahresversammlung lehnt aber den Vorschlag entschieden ab, mit militärischen Mitteln gegen Schleuser und Fluchthelfer vorzugehen. Solche Maßnahmen sind zum einen völkerrechtswidrig. Zum anderen soll damit Flüchtlingen der Zugang zum Schutz in Europa verwehrt werden.

  4. Amnesty International bekräftigt die Forderung nach einer verstärkten Seenotrettung und nach Schaffung sicherer Zugangswege für Flüchtlinge nach Europa.

P-9: Blogger in Bangladesch schützen

Die Jahresversammlung beschließt:

Die Jahresversammlung der deutschen Sektion Amnesty Internationals fordert die Regierung von Bangladesch auf, das Recht auf Meinungsfreiheit im Land zu sichern. Dazu gehört, dass Journalisten, Blogger und andere, die wegen ihres Glaubens oder Atheismus verfolgt und sogar mit dem Tod bedroht wurden, staatlichen Schutz erhalten müssen. Die Attentate auf Journalisten und Blogger in diesem Jahr und in den vergangenen Jahren müssen untersucht, die Täter verhaftet und fairen Gerichtsverfahren unterworfen werden. Außerdem müssen Menschenrechtsverteidiger, die sich für Meinungsfreiheit in Bangladesch einsetzen, geschützt werden.

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