Amnesty Journal Deutschland 30. Januar 2017

Lachen gegen Vorurteile

Lachen gegen Vorurteile

Lachen und informieren. Abdul Abassi und Alaa Faham in Göttingen

Auf ihrem Youtube-Kanal "German Lifestyle" nehmen zwei junge Syrer Stereotype und Missverständnisse ­zwischen Deutschen und Flüchtlingen aufs Korn.

Von Hannah El-Hitami

"Herr Faham, Sie kommen aus Syrien? Da haben Sie sicher einiges mitgemacht, willkommen in Deutschland!", begrüßt die freundliche Angestellte der Ausländerbehörde den Neuankömmling. "Jetzt wollen wir mal sehen, wie wir Ihnen helfen können." Großzügig überreicht sie Alaa Faham Bahncard, Busfahrkarte sowie ein Bündel Geldscheine. Und versichert dem jungen Mann, dass seine Wohnung selbstverständlich auch schon einzugsbereit sei. Sprachsicher lässt sie in ihre Erklärungen ein paar Sätze Arabisch einfließen.

In Anbetracht der seit Sommer 2015 völlig überlasteten Ausländerbehörden kann diese Szene nur aus einem Traum stammen. Oder es handelt sich um Comedy: Auf ihrem Youtube-Kanal "German Lifestyle" (GLS) machen sich Alaa Faham und Abdul Abbasi über all die Schwierigkeiten und Missverständnisse lustig, die das Aufeinandertreffen von Syrern und Deutschen ­prägen. Vor der Handykamera stellen sie peinliche Situationen nach, die viele Syrer in Deutschland erlebt haben: so etwa die Unsicherheit darüber, ob man sich zur Begrüßung nun umarmt, küsst oder die Hand gibt. Oder sie zeigen sich selbstironisch bei dem Versuch, das Wort "Immatrikulationsbescheinigung" richtig auszusprechen.

Ihre Videos tragen Titel wie "Der erste Tag eines Syrers an der Schule" oder "Wenn eine Deutsche mit einem Araber zusammen wäre". In diesen Sketchen ist der Deutsche vor allem pünktlich, gewissenhaft und geht gerne spazieren. Der Syrer wird als faul, chaotisch und gastfreundlich dargestellt. "Wir übertreiben, um zu zeigen, wie lächerlich das ist", sagt Abbasi. Seine Devise im Kampf gegen diese Stereotype ist eindeutig: "Es gibt kulturelle Unterschiede, aber statt Angst davor zu ­haben, lasst uns darüber Witze machen!"

Im August 2015, als an manchen Tagen mehr als 10.000 Syrer die Grenzen überquerten, beschloss Abdul Abbasi, den Neuankömmlingen ein wenig unter die Arme zu greifen, schließlich hatte er sich nach zwei Jahren in Göttingen längst eingelebt. Er postete ein Video über die Schwierigkeiten der deutschen Sprache im Internet, das auch Alaa Faham anklickte, der 2014 aus ­Idlib nach Hamburg geflohen war. "Das Video war einfach zu langweilig", erinnert sich der 19-Jährige an den halbstündigen Beitrag. Er kontaktierte seinen Landsmann, die beiden lernten sich bei ein paar Shishas näher kennen, und kurz darauf ging es mit den ­Comedy-Videos von GLS auch schon los.

Auf dem Campus der Göttinger Georg-August-Universität ­erzählen die beiden bei Kaffee und Zigaretten von ihrer Zusammenarbeit, die inzwischen Dutzende Videos hervorgebracht hat – zur Integrationsproblematik, zu kulturellen Eigenarten und Versuchen, diese zu überbrücken. Mit knapp 100.000 Facebook-Likes haben sie eine beachtliche Fangemeinde. Ihr Erfolgsrezept: "Erstens sind wir einfach komisch", behauptet Faham mit einem breiten Grinsen. "Und zweitens ist Humor die beste Methode, Leute zu erreichen."

Anfangs produzierten sie ihre Beiträge nur in arabischer Sprache. Doch seit Anfang 2016 konzentrieren sich Faham und Abbasi auf ihr eigentliches Ziel, die Verständigung zwischen Deutschen und Syrern voranzutreiben. In den Videos sprechen sie seitdem deutsch, die Untertitel sind arabisch.

Der zentrale Platz der Georg-August-Universität ist an diesem sonnigen Tag Treffpunkt der Studierenden. Abbasi studiert hier Zahnmedizin, und auch Faham überlegt, von der Elbe an die Leine zu ziehen, um in Göttingen Politik oder Geschichte zu studieren. Und um am selben Ort gemeinsam noch intensiver an ihren Videos arbeiten zu können sowie andere Projekte voranzutreiben: Eine Deutschlandtour sei geplant, erzählen sie, und ein Buch – sowie weitere Auftritte in Talkshows und Gespräche mit Politikern.

Dass die beiden auch ernst sein können, zeigte Abbasi ­bereits während eines Auftritts bei Anne Will, und Faham in ­Videos, die ganz ohne Comedy-Elemente zwischen Syrern und Deutschen zu vermitteln versuchen. "Wir möchten uns in eure Gesellschaft integrieren, uns an das Grundgesetz halten. Wir möchten, dass wir zusammen friedvoll leben und zueinander stehen, weil wir zusammen stärker sind", sagt er in fast akzentfreiem Deutsch im Video "Eine Nachricht". In den Kommentaren zu ihren Beiträgen taucht immer wieder die Behauptung auf, dass man mit Flüchtlingen wie diesen ja kein Problem habe, dass die beiden aber Ausnahmen darstellten. Faham protestiert und verweist auf Hunderte von Likes, die sie für kontroverse Beiträge von syrischen Fans bekommen haben.

Zwar erhalten sie auch immer wieder Hassmails von Syrern, die vor allem auf Themen wie Homosexualität, Frauenrechte oder Religion empfindlich reagieren, doch die meisten Reaktionen seien positiv und konstruktiv. "Ich übe sehr viel Kritik an den Syrern hier, weil ich will, dass wir uns verbessern", sagt der 22-jährige Abbasi. "Wenn wir nicht über unsere Probleme reden, werden sie immer heftiger, und vielleicht gibt es irgendwann keine Lösung mehr." Die Vorurteile der Deutschen, glaubt Faham, gründeten auf einer Medienberichterstattung, die positive Beispiele des Zusammenlebens von Flüchtlingen und Deutschen außer Acht lasse. "Viele Deutsche denken echt, dass wir aus dem Mittelalter kommen", stellt Abbasi lachend fest.

Im September 2016 erhielt er sogar ein Rückflugticket nach Syrien von der NPD. Er postete danach ein humorvolles Video auf Youtube. "Es bringt nichts, sich aufzuregen und aggressiv zu reagieren", sagt er. Im Gegenteil: Oft seien die Leute einsichtig, wenn man sie respektvoll behandele.

Entmutigen lassen sich die beiden Youtuber jedenfalls nicht. "Was uns richtig motiviert weiterzumachen, ist, dass wir auch so waren", sagt Abbasi, der vor seiner Ankunft in Göttingen nicht allzu viel von der deutschen Mentalität hielt. "Wir haben uns geändert, weil wir die Menschen hier kennengelernt haben." Er ist sich sicher: Wer Vorurteile gegen bestimmte Personengruppen hat, ist noch keiner dieser Personen selbst begegnet.

Solche Begegnungen wollen sie nun vorantreiben. "Ich bringe sie zum ­Lachen, dann gebe ich ihnen ein bisschen Information. Dann nochmal lachen, dann noch ein bisschen Information", erklärt Abbasi seine Strategie. So ziehen sie auch durch Schulen und sprechen mit jungen Menschen über deren Vorurteile. Und immer wieder gebe es Angebote einer Zusammenarbeit von politischer Seite, die bislang aber kaum umgesetzt worden seien.

Dabei ist das Potenzial der syrischen Community in Deutschland groß – auf den unterschiedlichsten Gebieten. Als im vergangenen Oktober in Sachsen nach dem syrischen Terrorverdächtigen Jaber Albakr gesucht wurde, erschien der Fahndungsaufruf nur auf Deutsch. Faham und Abbasi übersetzten ihn ins Arabische und teilten ihn auf ihrer Facebook-Seite, wo er insgesamt 45.000 Menschen erreichte. Kurz darauf wurde ­Albakr von Syrern in Leipzig festgehalten und der Polizei übergeben, ehe er sich in Untersuchungshaft erhängte.

"Wir haben so ein kleines Beispiel einer Zusammenarbeit gezeigt, und es hat geklappt. Wie wäre es, wenn wir das mit der Integration machen – obwohl ich das Wort überhaupt nicht mag – oder mit dem Arbeitsmarkt?", schlägt Abbasi vor. Dann stellt er bedauernd fest: "Wir suchen hier immer noch nach Anerkennung."

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Dieser Artikel ist in der Ausgabe Februar 2017 des Amnesty Journals erschienen.

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