Amnesty Report 31. Mai 2016

Burkina Faso 2016

 

Soldaten der Präsidentengarde (Régiment de Sécurité Prési-dentielle) töteten bei Demonstrationen, die auf einen Putsch-versuch folgten, 14 Protestierende und Passanten und verletz-ten Hunderte weitere Personen. Die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit waren eingeschränkt. Menschenrechtsverteidiger, Protestierende und Journalisten wurden misshandelt und eingeschüchtert. Die Übergangsregierung wurde wieder eingesetzt, und Untersuchungen zu dem Putsch vom September 2015 sowie zu Straftaten, die während der Unruhen im Jahr 2014 verübt worden waren, eingeleitet. Früh- und Zwangsverheiratungen blieben weit verbreitet, und der Zugang zu sexuellen und reproduktiven Rechten war eingeschränkt.

Hintergrund

Nachdem Präsident Blaise Compaoré nach Protesten gegen die von ihm geplante Verfassungsänderung im Oktober 2014 zurückgetreten war, regierte eine Übergangsregierung das Land. Im April 2015 verabschiedete das Übergangsparlament (Conseil National de Transition) eine Änderung des Wahlgesetzes, die Personen von einer Kandidatur bei den Wahlen 2015 ausschloss, wenn sie die im Jahr 2014 vom Ex-Präsidenten beabsichtigte Verfassungsänderung unterstützt hatten. Im September 2015 legte eine Nationale Kommission für Versöhnung und Reform mehrere Empfehlungen vor, die u. a. die Einführung einer neuen Verfassung, die Abschaffung der Todesstrafe und die Auflösung der Präsidentengarde umfassten.

Im September 2015 starteten Angehörige der Präsidentengarde einen Putschversuch und nahmen den Präsidenten, den Ministerpräsidenten und andere Regierungsmitglieder der Übergangsregierung als Geiseln. In der Folge kam es zu weitverbreiteten Protesten. Die Präsidentengarde ging mit exzessiver Gewalt gegen Protestierende und Passanten vor, bevor sie sich auf Druck der nationalen Armee hin zurückzog. Später wurde die Präsidentengarde aufgelöst, und Personen, die verdächtigt wurden, an dem Putschversuch beteiligt gewesen zu sein, wurden festgenommen. Im November 2015 legte das Übergangsparlament mit einer Verfassungsänderung fest, dass ein Präsident maximal zwei Amtszeiten von je fünf Jahren im Amt bleiben kann. Zudem wurde die geltende Amnestie für ehemalige Präsidenten aufgehoben. Mit der Wahl von Roch Marc Christian Kaboré zum Präsidenten im November 2015 endete die einjährige Übergangsperiode. Im Dezember 2015 wurde Salifou Diallo zum Präsidenten der Nationalversammlung gewählt.

Exzessive Gewaltanwendung

Während des Putschversuchs im September 2015 wurden friedliche Proteste unterdrückt. Die Präsidentengarde wendete unverhältnismäßige Gewalt an, um die Menschen an Versammlungen zu hindern. Vierzehn unbewaffnete Personen wurden erschossen. Sechs von ihnen starben, nachdem man ihnen in den Rücken geschossen hatte, als sie vor den Sicherheitskräften davonliefen. Die Präsidentengarde verfolgte die Flüchtenden und gab Schüsse in dichtbesiedelten Gebieten ab, die Tote und Hunderte Verletzte zur Folge hatten. Unter den Opfern befand sich auch der 16-jährige Jean-Baptiste Yoda, der erschossen wurde, als er zusammen mit zwei anderen Personen vor Angehörigen der Präsidentengarde weglief. Eine schwangere Frau, die vor ihrer Haustür im Viertel Nonsin in der Hauptstadt Ouagadougou stand, erlitt einen Bauchschuss. Die Kugel durchschlug ihren Uterus und traf das ungeborene Baby. Durch einen medizinischen Eingriff konnten das Leben der Mutter und des Kindes gerettet werden.

Folter und andere Misshandlungen

Gefangene berichteten von Folter und anderweitiger Misshandlung in Polizeigewahrsam in Ouagadougou. Ein Häftling gab an, dass er auf der zentralen Polizeistation von Ouagadougou sechs Tage lang gefoltert worden sei. Seinen Angaben zufolge kettete man seine Hände mit Handschellen an seine Fußgelenke, schob eine Holzstange unter seinen Knien durch und hängte ihn daran zwischen zwei Tischen auf.

Im September 2015 griff die Präsidentengarde Protestierende und Passanten tätlich an. Ein Zeuge filmte, wie sich fünf Personen, unter ihnen ein Kind, hinlegen mussten und dann mit Gürteln mit Metallschnallen geschlagen wurden. Sechs Angehörige der Präsidentengarde schlugen auf ein am Boden liegendes Mitglied der sozialen Bewegung Le Balai Citoyen ein. Jean Jacques Konombo, Fotograf von Les Editions Sidwaya, wurde getreten und von mehr als sechs Angehörigen der Präsidentengarde mit einem Gürtel geschlagen, bis er das Bewusstsein verlor. Seine Kamera und sein Mobiltelefon wurden dabei zerstört.

Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit

Im September 2015 verabschiedete das Parlament gesetzliche Bestimmungen, die zu der Aufhebung eines Gesetzes führten, das Gefängnisstrafen für Pressedelikte vorsah. Später im selben Monat kam es während eines Putschversuchs zu Einschränkungen der Meinungsfreiheit, wozu auch Angriffe auf Journalisten, Politiker und Menschenrechtsverteidiger gehörten. Mindestens zehn Journalisten sowie Rundfunkstationen wie Radio Omega, Savane FM und Laafi wurden angegriffen; Kameras und andere journalistische Arbeitsmaterialien wurden zerstört oder beschlagnahmt. Vor dem Sendegebäude von Radio Omega schossen Angehörige der Präsidentengarde in die Luft, setzten Motorräder der Mitarbeiter in Brand und drohten damit, das Gebäude des Senders niederzubrennen. Auch das Studio des Rappers Serge Bambara ("Smockey"), Vorsitzender der Bewegung Le Balai Citoyen, wurde mit einer Panzerabwehrrakete beschossen. Computer und andere Materialien wurden aus den Räumlichkeiten des Studios entwendet.

Straflosigkeit

Die Justizbehörden eröffneten Ermittlungen zu den Fällen von vier Personen, die während der Unruhen im Oktober 2014 getötet worden waren. Die Sicherheitskräfte, darunter Angehörige der Präsidentengarde, hatten während der Unruhen exzessive und sogar tödliche Gewalt angewandt. Bis Ende 2015 wurde jedoch niemand wegen dieser völkerrechtlichen Verbrechen angeklagt oder vor Gericht gestellt. Im September 2015 wurden mehrere Untersuchungsausschüsse gebildet, um die im Jahr 2014 erfolgten Tötungen zu untersuchen und gegen Personen zu ermitteln, die verdächtigt wurden, in den Putschversuch verwickelt gewesen zu sein. Keiner dieser Ausschüsse erhielt jedoch den Auftrag, die Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit den im Jahr 2015 erfolgten Tötungen von Protestierenden und Passanten zu untersuchen.

Militärtribunal

Nach dem Putschversuch im September 2015 wurden Angehörige des Militärs, darunter auch Generäle, und Zivilpersonen in Ouagadougou festgenommen und angeklagt. Die gegen sie erhobenen Anklagen umfassten u. a. Bedrohung der Sicherheit des Staates, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Mord. Verfahren gegen mehr als 50 Personen, unter ihnen die Generäle Djibril Bassolé und Gilbert Diendéré, vor einem Militärgericht standen Ende 2015 noch aus. Gegen den Journalisten Adama Ouédraogo und die Journalistin Caroline Yoda wurde ebenfalls Anklage wegen Beihilfe zur Bedrohung der Staatssicherheit erhoben.

General Diendéré wurde zudem im Zusammenhang mit der Ermordung des ehemaligen Präsidenten Thomas Sankara u. a. wegen Mordes und unbefugten Entfernens einer Leiche angeklagt. Im Dezember 2015 wurde auch gegen den ehemaligen Präsidenten Blaise Compaoré wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an der Ermordung von Thomas Sankara ein internationaler Haftbefehl erlassen. Die Behörden gaben an, dass ein Auslieferungsantrag an Côte d’Ivoire gestellt werde.

Ebenfalls im Dezember 2015 wurden drei ehemalige Angehörige der Präsidentengarde in Verbindung mit dem Mord an dem Journalisten Norbert Zongo angeklagt, der 1998 getötet worden war. Mehr als 15 weitere Angehörige der Präsidentengarde wurden unter dem Vorwurf festgenommen, an einem Ausbruchsplan für die beiden Generäle Bassolé und Diendéré beteiligt gewesen zu sein.

Frauenrechte

Frauen und Mädchen hatten nur eingeschränkten Zugang zu Informationen, Dienstleistungen und Produkten, die die sexuelle und reproduktive Gesundheit betrafen. In der Folge gaben lediglich 17% der Frauen in Burkina Faso an, Verhütungsmittel zu benutzen. Die größten Hindernisse für eine weitere Verbreitung von Empfängnisverhütung waren die Kosten, die Entfernung zu Gesundheitszentren und Apotheken, der Informationsmangel und die negative Einstellung von Männern gegenüber Verhütungsmitteln.

Früh- und Zwangsverheiratungen stellten ein großes Problem dar. Über 52% der Mädchen wurden vor dem 18. Lebensjahr verheiratet, 10% sogar vor dem 15. Lebensjahr. Die Regierung kam ihrer Verpflichtung nicht nach, durch die Bereitstellung von Informationen und sicheren Unterkünften Zwangs- und Frühehen zu verhindern und den Schutz gefährdeter Frauen und Mädchen zu gewährleisten. Die Verantwortlichen für Zwangs- und Frühverheiratungen wurden nicht zur Rechenschaft gezogen. Zahlreiche Frauen und Mädchen erklärten gegenüber Amnesty International, dass sie Opfer von Zwangs- und Frühverheiratung geworden seien. Unter ihnen war auch ein 13 Jahre altes Mädchen, das an drei Tagen mehr als 160km zu Fuß zurückgelegt hatte, um der Verheiratung mit einem 70-jährigen Mann zu entgehen, der bereits fünf Frauen hatte. Ihr Vater wollte sie zu der Eheschließung zwingen.

Im Oktober 2015 verabschiedete das Übergangsparlament ein Gesetz zur Verhinderung und Bestrafung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen und zur Bereitstellung von Unterstützungsleistungen für die Opfer. Das Gesetz stellte zudem Zwangs- und Frühverheiratungen sowie sexuelle Gewalt unter Strafe.

Todesstrafe

Die Überprüfung eines Entwurfs für ein Gesetz zur Abschaffung der Todesstrafe durch das Parlament war Ende 2015 noch anhängig.

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