Aktuell 12. Oktober 2023

Die israelische Regierung muss die illegale Blockade des Gazastreifens aufheben

Das Bild zeigt eine Familie, im Hintergrund sieht man ein zerstörtes Gebäude

Auswirkungen eines Luftangriffs der israelischen Streitkräfte auf das Stadtviertel Rimal in Gaza-Stadt am 10. Oktober 2023

+++ Hinweis: Dieser Text spiegelt den Informationsstand vom 12. Oktober 2023 um 16 Uhr wider. +++

Die Abschaltung des einzigen Kraftwerks im Gazastreifen wird die humanitäre Krise für die mehr als 2,2 Millionen Menschen, die im Gazastreifen eingeschlossen sind, weiter verschärfen. Amnesty International fordert die israelische Regierung auf, die illegale Blockade des Gazastreifens aufzuheben, von einer kollektiven Bestrafung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen abzusehen und humanitäre Korridore zu schaffen.

Die Abschaltung des Kraftwerks im Gazastreifen führt zu einem Stromausfall mit massiven Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung. Sie ist die Folge der verschärften Beschränkungen, die aufgrund des Erlasses des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant vom 9. Oktober 2023 verhängt wurden. Er kündigte eine "vollständige Belagerung des Gazastreifens" an. "Kein Strom, keine Lebensmittel, kein Wasser, kein Gas - alles ist geschlossen", sagte er. Diese Beschränkungen entsprechen einer kollektiven Bestrafung der Zivilbevölkerung des Gazastreifens und kommen einem Kriegsverbrechen gleich.

Zeitgleich führt das israelische Militär Bombenangriffe durch, bei denen bis jetzt mindestens 1.350 Menschen getötet und mehr als 6.000 Menschen verletzt wurden. Die Luftangriffe sind eine Vergeltungsmaßnahme für den brutalen Angriff am 7. Oktober durch die Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen aus dem Gazastreifen, bei dem diese wahllos Tausende von Raketen abgefeuert und bewaffnete Kämpfer*innen in den Süden Israels geschickt hatten. Bei diesen Angriffen wurden mehr als 1.200 Menschen vorsätzlich getötet und mehr als 2.700 verletzt. Schätzungsweise 150 Geiseln, darunter viele Zivilist*innen, wurden brutal in den Gazastreifen verschleppt.

Das Bild zeigt eine große schwarze Rauchwolke, die über Gebäuden einer Stadt austeigt

Luftangriff der israelischen Armee auf Gebäude im Gazastreifen am 9. Oktober 2023.

"Die israelischen Behörden müssen unverzüglich die Stromversorgung des Gazastreifens wiederherstellen und die verschärften Beschränkungen aufheben, die aufgrund des Erlasses des israelischen Verteidigungsministers vom 9. Oktober 2023 verhängt wurden. Sie müssen zudem die seit 16 Jahren bestehende illegale Blockade des Gazastreifens aufheben. Die kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung des Gazastreifens kommt einem Kriegsverbrechen gleich – sie ist grausam und unmenschlich. Als Besatzungsmacht ist Israel nach internationalem Recht eindeutig verpflichtet, die Grundversorgung der Zivilbevölkerung des Gazastreifens zu gewährleisten", sagte Agnès Callamard, Generalsekretärin von Amnesty International.

Der Stromausfall wird die anhaltende humanitäre Katastrophe im Gazastreifen noch verschlimmern. Die Kommunikation und der Zugang zum Internet werden dadurch weiter eingeschränkt. Die Stromausfälle werden schwerwiegende Auswirkungen auf wichtige Dienstleistungen und den Zugang zu sauberem Wasser haben und zu einer Katastrophe im Gesundheitswesen führen, da die ohnehin schon überlasteten Krankenhäuser des Gazastreifens ohne lebenswichtige medizinische Ausrüstung auskommen müssen − und das zu einer Zeit, in der das medizinische Personal Tausende von Menschen behandeln muss, die bei israelischen Luftangriffen schwer verwundet wurden. Auch das Leben von Krankenhauspatient*innen, einschließlich chronisch Kranker und Intensivpatient*innen, sowie von Neugeborenen, die lebenserhaltende Maßnahmen benötigen, wird dadurch gefährdet.

Ein israelischer Minister sagte am 12. Oktober, dass die Behörden die Stromversorgung nicht wiederherstellen und keine Wasser- oder Treibstofflieferungen zulassen werden, solange die Hamas ihre Geiseln nicht freilässt. Durch diese Aussagen wird ausdrücklich bestätigt, dass diese Maßnahmen, die unabhängig von individueller Verantwortung einer ganzen Gruppe auferlegt werden, einer Kollektivstrafe entsprechen. Amnesty weist erneut darauf hin, dass die palästinensische Zivilbevölkerung nicht für die Verbrechen der Hamas und anderer bewaffneter palästinensischer Gruppen verantwortlich ist und dass Israel sie nach internationalem Recht nicht für Taten büßen lassen darf, an denen sie nicht beteiligt sind und die sie nicht kontrollieren können.  

"Die grausame vorsätzliche Tötung israelischer Zivilist*innen und andere schwerwiegende Menschenrechtsverbrechen durch bewaffnete palästinensische Gruppen entbinden die israelische Regierung nicht von den Verpflichtungen zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts und zum Schutz der Zivilbevölkerung. Die kollektive Bestrafung von Zivilist*innen in Gaza wird weder den Opfern von Kriegsverbrechen der Hamas und anderer bewaffneter Gruppen Gerechtigkeit bringen noch die Sicherheit von Zivilist*innen in Israel gewährleisten", sagte Agnès Callamard.

Amnesty-Posting auf X (ehemals Twitter):

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Amnesty International ist auch besorgt über die wiederholten Angriffe auf den Grenzübergang Rafah. Amnesty International fordert Israel auf, die Einrichtung humanitärer Korridore für die Lieferung humanitärer Hilfe nach Gaza zu erleichtern und Verletzten und Zivilist*innen, die vor bewaffneten Konflikten fliehen wollen, eine sichere Durchreise zu ermöglichen. Die Menschenrechtsorganisation fordert die internationale Gemeinschaft auf, ein Abkommen über humanitäre Korridore zu erwirken. 

Amnesty International untersucht derzeit israelische Luftangriffe im Gazastreifen, darunter den Luftangriff auf ein Wohnhaus im Stadtteil al-Zeitoun, bei dem 15 Mitglieder derselben Familie getötet wurden, darunter sieben Kinder sowie ihre Großeltern; die Zerstörung des Burj Palestine, eines Hochhauses im Stadtteil al-Rimal in Gaza; und die Bombardierung einer belebten Marktstraße im Flüchtlingslager Jabalia, bei der mindestens 69 Menschen, darunter mindestens 15 Kinder, getötet wurden.

Amnesty International fordert die israelische Regierung und die bewaffneten palästinensischen Gruppen auf, im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht alle möglichen Vorkehrungen zu treffen, um Zivilist*innen zu verschonen. Amnesty International fordert die bewaffneten palästinensischen Gruppen im Gazastreifen auf, alle zivilen Geiseln unverzüglich und bedingungslos freizulassen.

Dieser Text ist Teil einer Reihe von Artikeln von Amnesty International über die eskalierende Gewalt und die Menschenrechtsverletzungen im Gazastreifen, in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten. Amnesty International hat erste Erkenntnisse über Kriegsverbrechen veröffentlicht, die von der Hamas und bewaffneten palästinensischen Gruppen begangen wurden, darunter vorsätzliche Massenhinrichtungen, Geiselnahmen und wahllosen Raketenangriffen. Amnesty International wird diese Untersuchungen fortsetzen, um das gesamte Spektrum der nach internationalem Recht begangenen Verbrechen zu ermitteln. 

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