Aktuell 11. September 2014

Thailand: kein Ende der Unterdrückung in Sicht





Soldaten der thailändischen Armee rücken in Bangkok gegen eine Anti-Militärputsch-Demo vor

Soldaten der thailändischen Armee rücken in Bangkok gegen eine Anti-Militärputsch-Demo vor

11. September 2014 - Laut eines aktuellen Berichts von Amnesty International herrscht in Thailand ein Klima der Angst: willkürliche Inhaftierungen, Berichte über Folter und andere Misshandlungen, weitreichende Beschränkungen der Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie unfaire Gerichtsverfahren vor Militärgerichten. Und ein Ende der Unterdrückung scheint nicht in Sicht.

Der Bericht _"Attitude Adjustment – 100 Days under Martial Law"_ ist der erste umfassende Bericht über die Menschenrechtslage in Thailand seit der Verhängung des Kriegsrechts am 20. Mai und der Machtübernahme durch das Militär zwei Tage später.

"Drei Monate nach dem Putsch haben unsere Untersuchungen ergeben, dass die Militärregierung kontinuierlich weitreichende Menschenrechtsverletzungen begeht", so Richard Bennett, Experte für die Region Asien-Pazifik bei Amnesty International.

"Die Behörden in Thailand müssen der besorgniserregenden Unterdrückung und den Menschenrechtsverletzungen ein Ende setzen, ihre internationalen Menschenrechtsverpflichtungen respektieren und öffentliche Debatten und Diskussionen zulassen. All diese Faktoren sind unabdingbar für die Zukunft des Landes."


Willkürliche Inhaftierungen



Um Andersdenkende zu unterdrücken, nimmt die Militärregierung (National Council for Peace and Order, NCPO), systematisch Hunderte von Personen fest und inhaftiert sie. Viele von ihnen sind AnhängerInnen der ehemaligen Regierung. Damit verletzt die Militärregierung das Recht auf Freiheit sowie andere Menschenrechte der Betroffenen.

Obwohl viele Personen nur bis zu sieben Tage lang festgehalten wurden, waren sie ohne Anklage oder Gerichtsverfahren inhaftiert. Sie erhielten keinen Zugang zu Rechtsbeiständen und wurden in einigen Fällen ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Sie leben nun in ständiger Angst, strafrechtlich verfolgt zu werden, nachdem sie als Bedingung für ihre Freilassung eine Erklärung unterzeichnet haben, sich nicht mehr "politisch zu engagieren".


Das Militär und die Polizei haben Familienangehörige von Personen, die der durch das Militär verhängten Meldepflicht nicht nachgekommen sind, inhaftiert oder ihnen mit Inhaftierung gedroht. Mehreren Personen droht die Strafverfolgung, weil sie die Meldepflicht missachtet haben sollen. Ihre Pässe wurden für ungültig erklärt.



"Durch die massenhaften willkürlichen Inhaftierungen missachtet Thailand seine internationalen Menschenrechtsverpflichtungen. Hierbei handelt es sich um politische Verfolgung und den Versuch, Andersdenkende mundtot zu machen", so Richard Bennett.

 "Den Inhaftierungen und der militärisch verordneten Meldepflicht muss ein Ende gesetzt werden. Des Weiteren müssen alle Beschränkungen für freigelassene Personen aufgehoben und die strafrechtliche Verfolgung derer, die der Meldepflicht nicht nachkommen, gestoppt werden."



Folter und andere Misshandlungen



Amnesty hat einige zuverlässige Berichte über Folterungen erhalten. Zu den Folterungen und Misshandlungen, die zum Teil auch an Personen in Haft ohne Kontakt zur Außenwelt begangen wurden, zählen Prügel, Erstickungsversuche und Scheinhinrichtungen. Folter ist in Thailand seit Langem ein Problem und war besonders in Hafteinrichtungen an der Tagesordnung. Dies gilt insbesondere für Gebiete, über die in der Vergangenheit das Kriegsrecht verhängt worden ist.

Kritsuda Khunasen, eine politische Aktivistin, die am 27. Mai festgenommen wurde, gab an, dass sie von SoldatInnen mehrfach geschlagen worden sei und diese versuchten, sie während der Vernehmung mit einer Plastiktüte zu ersticken.

"Wenn ich zu langsam, nicht korrekt oder überhaupt nichts antwortete, schlugen sie mir mit der Faust unter anderem ins Gesicht und in die Magenregion. Das Schlimmste war, als sie mir eine Plastiktüte über den Kopf zogen, beide Enden zubanden und mir dann einen Stoffbeutel überstülpten. Ich wurde bewusstlos und erst wieder wach, als ich mit Wasser überschüttet wurde. Von da an wusste ich, was es heißt, ständig Todesangst zu haben", so Kritsuda Khunasen.

"Der NCPO muss sicherstellen, dass alle Personen vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden. Zudem muss unverzüglich eine unparteiische, unabhängige und gründliche Untersuchung dieser vermeintlichen Verbrechen eingeleitet werden. Die Verantwortlichen müssen strafrechtlich verfolgt werden", so Richard Bennett.

Einschränkung der Meinungsfreiheit und des Versammlungsrechts


"Der NCPO hat der thailändischen Bevölkerung weitreichende Beschränkungen ihrer Rechte auf Meinungsfreiheit und friedliche Versammlung auferlegt. Dies hat eine abschreckende Wirkung auf die öffentliche Debatte und führt zu großflächiger Selbstzensur."

Hunderte von Webseiten wurden entfernt oder blockiert. Zensurbehörden wurden eingerichtet, um die Medien zu überwachen. Personen, die online das Militär kritisiert hatten, wurde mit Inhaftierung gedroht.

Seit der Verhängung des Kriegsrechts sind Versammlungen von mehr als fünf Personen verboten. Dies stellt eindeutig eine Verletzung des Rechts auf friedliche Versammlung dar.

Eine beispiellose Anzahl an Personen wurde unter dem repressiven Majestätsbeleidigungsgesetz angeklagt. Dieses Gesetz sieht vor, dass Angehörige der königlichen Familie nicht beleidigt werden dürfen. Seit dem Putsch wurden vier Personen deswegen strafrechtlich verfolgt und verurteilt, und zehn weitere Personen sind unter dem Gesetz angeklagt worden.

"Es gehört zur Vorgehensweise der Militärregierung, selbst den leisesten Dissens im Keim zu ersticken, so zum Beispiel das Tragen von T-Shirts, die 'regierungskritisches Denken fördern' könnten, das Lesen bestimmter Bücher oder das Verzehren von Sandwiches in der Öffentlichkeit als symbolische Geste aus Protest gegen die Militärregierung", so Richard Bennett.

"Die Behörden in Thailand müssen solche repressiven Gesetze und Verfügungen aufheben und alle Anklagen fallenlassen, die lediglich auf der friedlichen Wahrnehmung der Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit basieren. Alle Personen, die wegen dieser Anklagen festgenommen wurden bzw. inhaftiert sind, müssen sofort und bedingungslos freigelassen werden."



MenschenrechtsverteidigerInnen bei der Arbeit behindert



Die Beschränkung der Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit hat bereits verheerende Auswirkungen auf die Arbeit von MenschenrechtsverteidigerInnen und Menschenrechtsorganisationen gehabt. Das Amnesty-Büro in Thailand war auch betroffen.

Menschenrechtsorganisationen wurden angehalten, keine friedlichen Veranstaltungen mehr durchzuführen. Den bereits vor dem Putsch erhobenen Verleumdungsklagen und eingeleiteten strafrechtlichen Verfolgungen von JournalistInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen wird weiter nachgegangen.



Unfaire Gerichtsverfahren



Das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren ist ebenfalls in Gefahr, da etwa 60 Personen Gerichtsverfahren vor Militärgerichten drohen, ohne dass sie Rechtsmittel einlegen können.

 Der NCPO hat angeordnet, Personen, die militärische Befehle nicht befolgen und sich nicht an das Majestätsbeleidigungsgesetz halten, vor Militärgerichte zu stellen. Dabei verstoßen die Militärbefehle und auch das Majestätsbeleidigungsgesetz gegen die Menschenrechte, unter anderem gegen die Rechte auf Meinungsfreiheit und friedliche Versammlung.



Empfehlungen

Der Bericht "Attitude Adjustment – 100 Days under Martial Law" gibt den Behörden von Thailand eine Reihe von Empfehlungen. Sie beinhalten, wie die Achtung der Menschenrechte wiederhergestellt werden kann, damit Thailand seinen internationalen Verpflichtungen nachkommt.


"Thailand kann seine internationalen Menschenrechtsverpflichtungen nicht unter dem Vorwand der 'nationalen Sicherheit' ignorieren. Die aktuellen Freiheitsbeschränkungen sind zu weitreichend", so Richard Bennett.



"Die internationale Gemeinschaft sollte jede Möglichkeit – auch die aktuelle Sitzung des UN-Menschenrechtsrats – nutzen, um die Militärregierung in Thailand davon zu überzeugen, ihre Regierungsführung zu ändern und die Achtung der Menschenrechte sicherzustellen, die notwendig ist, um das von der Militärregierung vorgeblich angestrebte Ziel der nationalen Aussöhnung auch tatsächlich zu erreichen."

Hier geht es zum Amnesty-Bericht "Attitude Adjustment – 100 Days under Martial Law"

Unterzeichnen Sie unsere Urgent Action, um willkürliche Inhaftierungen in Thailand zu verhindern!

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