Aktuell 26. Mai 2010

Afrika

Amnesty Report 2010

"Niemand hat uns Sudanesen gefragt, ob wir den Haftbefehl gegen unseren Präsidenten wollen. Aber ganz klar: Der Haftbefehl war seit langem überfällig."

Dieser sudanesische Menschenrechtsverteidiger sprach aus, was viele Menschen in Afrika dachten, als der Internationale Strafgerichtshof (ICC) im März einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir erließ. Präsident al-Bashir wird beschuldigt, als indirekter Mittäter an Kriegsverbrechen (vor allem an Angriffen auf die Zivilbevölkerung und Plünderungen) sowie an Verbrechen gegen die Menschlichkeit (vor allem Mord, Völkermord, Zwangsumsiedlung, Folter und Vergewaltigung) beteiligt gewesen zu sein. Der Haftbefehl gegen ihn war ein deutliches und begrüßenswertes Signal an diejenigen, die im Verdacht stehen, für gravierende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich zu sein: Niemand steht über dem Gesetz; die Rechte der Opfer müssen gewahrt werden.

Vertreter der Zivilgesellschaft des afrikanischen Kontinents haben immer wieder betont, wie wichtig es sei, die internationale Gerichtsbarkeit zu stärken, und haben die Afrikanische Union (AU) und ihre Mitgliedstaaten aufgefordert, mit dem ICC zusammenzuarbeiten. Im Juli nahm die Versammlung der AU jedoch eine Resolution an, in der sie eine Unterstützung des ICC bei der Verhaftung von al-Bashir ablehnte.

Die AU forderte den UN-Sicherheitsrat erneut auf, das Verfahren des ICC gegen Präsident al-Bashir auszusetzen, und bekräftigte ihre Absicht, den Ermessensspielraum des Chefanklägers für die Aufnahme von Ermittlungen und von strafrechtlichen Schritten zu begrenzen. Die Haltung der AU wurde zwar nicht von allen Mitgliedstaaten geteilt, doch wurden sie von den lautstarken Gegnern des ICC überstimmt.

Dass es bei vielen Staats- und Regierungschefs in Afrika einen großen Unterschied gibt zwischen ihren verbalen Bekenntnissen zu den Menschenrechten und ihren konkreten Taten für die Achtung, den Schutz und die Förderung der Menschenrechte, ist nicht neu. Kaum jemals aber hat sich diese Einstellung so deutlich gezeigt wie an ihrer Reaktion auf den Haftbefehl gegen den sudanesischen Staatspräsidenten. Der Haftbefehl hat in Afrika eine breite Debatte über die Rolle der internationalen Gerichtsbarkeit bei der strafrechtlichen Aufarbeitung schwerer Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht ausgelöst. Diese Debatte hält noch an.

Leider gibt es für 2009 zahlreiche weitere Beispiele, die belegen, dass es in Afrika an politischem Willen fehlt, die für Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Bewaffnete Konflikte

Auch 2009 begingen Angehörige bewaffneter Oppositionsgruppen und staatlicher Sicherheitskräfte Menschenrechtsverstöße, ohne strafrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. Hiervon betroffen waren Bürgerkriegsgebiete, aber auch andere Regionen in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo), in Somalia, im Sudan, dem Tschad und der Zentralafrikanischen Republik.

In Somalia gab es kein funktionierendes Justizsystem und keine Instrumente für eine effektive Überwachung der Menschenrechtssituation. Der Konflikt zwischen den verschiedenen bewaffneten Gruppen und den Regierungstruppen forderte Tausende von Opfern unter der Zivilbevölkerung, weil es sich bei vielen militärischen Operationen der Konfliktparteien um wahllose und unverhältnismäßige Angriffe handelte. Die somalische Hauptstadt Mogadischu und die umliegenden Gebiete waren von den Kampfhandlungen besonders stark betroffen. Häufig war die Zivilbevölkerung den Angriffen ausgesetzt, da auch Wohngebiete unter Beschuss genommen wurden.

Durch die militärische Unterstützung der Föderalen Übergangsregierung, u. a. durch Waffenlieferungen aus den USA, drohte sich die Lage weiter zu verschärfen, denn es fehlte an Kontrollen zur Sicherstellung, dass diese Unterstützung nicht schwere Menschenrechtsverletzungen zur Folge habe. Der Konflikt in Somalia gefährdete auch die Stabilität in den anderen Staaten am Horn von Afrika.

Im Osten der DR Kongo kam es fortgesetzt zu sexueller Gewalt, Angriffen auf die Zivilbevölkerung, Plünderungen und zur Rekrutierung und dem Einsatz von Kindersoldaten. Eine gemeinsame Offensive der kongolesischen Armee und der UN-Friedensmission MONUC gegen die Hutu-Miliz Demokratische Kräfte für die Befreiung Ruandas (Forces Démocratiques de Libération du Rwanda – FDLR) löste die zusätzliche Vertreibung Tausender Menschen aus. Dörfer wurden zerstört, mehrere tausend Menschen verwundet oder getötet. Die Zivilbevölkerung wurde von der FDLR gezielt angegriffen. Die MONUC wurde für ihre Unterstützung der kongolesischen Armee bei der Offensive heftig kritisiert, weil auch die Armee für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich war.

Im November verhafteten die deutschen Behörden den Vorsitzenden der FDLR Ignace Murwanashyaka und seinen Stellvertreter Straton Musoni. Dies war ein positives Zeichen und zeigt, welchen Beitrag die internationale Gerichtsbarkeit im Kampf gegen Straflosigkeit leisten kann. Im November weigerte sich die Regierung der DR Kongo, den vom ICC per Haftbefehl gesuchten Bosco Ntaganda zu verhaften und an den ICC auszuliefern, obwohl sie verpflichtet ist, die Haftbefehle des ICC auszuführen. Weitere hochrangige Armeeoffiziere, denen Kriegsverbrechen oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, sind weder vom Dienst suspendiert noch vor Gericht gestellt worden.

Im März beauftragte die AU eine Kommission unter Leitung des ehemaligen südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki damit, nach Möglichkeiten der strafrechtlichen Aufarbeitung von Verbrechen und einer Aussöhnung in Darfur zu suchen. Eine Wahrheits- und Versöhnungskommission soll sich mit Menschenrechtsrechtsverstößen der vergangenen Jahre und der Gegenwart befassen. Die Kommission soll Entschädigungszahlungen für die Opfer von Menschenrechtsverstößen bzw. für deren Angehörige festsetzen. Die Mbeki-Kommission hat grundsätzlich die Rolle des ICC im Kampf gegen Straflosigkeit anerkannt.

Obwohl einige Regierungen deutlich machten, Präsident al-Bashir müsse bei einem Besuch auf ihrem Staatsgebiet mit der Festnahme rechnen, war der sudanesische Präsident in vielen anderen Staaten, z. B. in Ägypten, Äthiopien und Eritrea, ein gern gesehener Gast. Zudem ignorierte die sudanesische Regierung internationale Versuche, mutmaßliche Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen, und lehnte es nach wie vor ab, den ehemaligen Minister Ahmad Harun und den Milizenführer Ali Kushayb zu verhaften, obwohl der ICC bereits im April 2007 gegen beide einen Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen hatte.

Die Verschärfung des Konflikts zwischen ethnischen Gruppen im Südsudan, vor allem im Bundesstaat Jonglei, löste die Vertreibung Tausender Menschen aus. Es gab außerdem viele Tote und Verletzte, auch unter der Zivilbevölkerung.
Die wenige Hilfe, die humanitäre Organisationen für die Menschen leisten können, wurde durch die schwierigen Arbeitsbedingungen im Sudan behindert. Die Gründe dafür sind die allgemeine unsichere Lage und, dass die Hilfsorganisationen häufig selbst zur Zielscheibe von Angriffen der Konfliktparteien oder krimineller Banden werden. In der DR Kongo, im Osten des Tschad und in Somalia verhielt es sich ebenso. Auch Friedenstruppen der UN und der AU wurden in den vier genannten Staaten von Konfliktparteien angegriffen.

Ein weiteres Problem in Afrika war, dass nach dem Ende von Konflikten die Aufarbeitung von und Entschädigung für erlittene Menschenrechtsverletzungen häufig nicht zielstrebig angegangen wurde. In Liberia legte 2009 die Wahrheits- und Versöhnungskommission ihren Abschlussbericht vor, der Aufschluss über Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit zwischen 1979 und 2003 bringen sollte. Darin empfahl sie die Einrichtung eines Sondergerichtshofs, der gegen mutmaßliche Täter, die Verbrechen im Sinne des Völkerrechts begangen haben sollen, ermitteln und gegen sie Anklage erheben soll. Die Behörden müssen jedoch konkrete Maßnahmen ergreifen, um diese Empfehlungen auch umzusetzen.

In Burundi kam die Einsetzung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission sowie eines Sondergerichtshofs innerhalb des burundischen Justizsystems kaum voran. Ihre Aufgabe wäre die Untersuchung und strafrechtliche Aufarbeitung von Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die während des Bürgerkriegs in Burundi begangen wurden.

Positives ist vor allem vom Sondergerichtshof für Sierra Leone zu berichten. Alle Verfahren – auch die Verfahren in der Berufungsinstanz – konnten 2009 abgeschlossen werden. Einzige Ausnahme war der Prozess gegen den früheren liberianischen Staatspräsidenten Charles Taylor, der 2009 fortgesetzt wurde. Leider litt das Programm für Reparationszahlungen an Unterfinanzierung, so dass es für die Opfer von Menschenrechtsverstößen während des Bürgerkriegs 1991–2002 kaum von Bedeutung war. Darüber hinaus verlängerte der UN-Sicherheitsrat im Dezember das Mandat des Internationalen Strafgerichtshof für Ruanda bis Ende 2012. Damit soll gewährleistet werden, dass auch dieser Gerichtshof alle Prozesse zu Ende führen kann.

In Senegal hat bis Ende 2009 das Gerichtsverfahren gegen den ehemaligen tschadischen Präsidenten Hissène Habré trotz entsprechender Forderungen der AU nicht begonnen. Dies hatte angeblich finanzielle Gründe. Nach Ansicht internationaler Geber war die von Senegal geforderte finanzielle Unterstützung übertrieben hoch.

Öffentliche Sicherheit

Die mangelnde Bereitschaft, etwas gegen die Straflosigkeit zu tun, zeigte sich auch an der Einstellung vieler afrikanischer Regierungen in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen, die von ihren eigenen Beamten mit Polizeibefugnissen und den Angehörigen anderer Sicherheitsdienste begangen wurden. Auch im Jahr 2009 kam es zu unverhältnismäßigem Gewalteinsatz, ungesetzlichen Tötungen und außergerichtlichen Hinrichtungen durch Sicherheitskräfte.

Am 7. Februar schoss die Leibgarde des Präsidenten in Madagaskar mit scharfer Munition auf unbewaffnete Demonstranten, die sich auf den Palast des Staatspräsidenten in Antananarivo zubewegten, und tötete mindestens 31 Menschen. Den Forderungen von Angehörigen und Menschrechtsorganisationen nach einer unabhängigen und unparteiischen Untersuchung des Vorfalls wurde nicht nachgekommen.

In Nigeria werden jedes Jahr, so auch 2009, Hunderte Menschen von der Polizei ungesetzlich getötet. Diese Tötungen, bei denen es sich häufig um außergerichtliche Hinrichtungen handeln dürfte, werden auf Polizeirevieren, an Straßensperren oder auf offener Straße begangen und nur in seltenen Fällen untersucht. Für Menschen, die in Armut leben, ist das Risiko, getötet zu werden, größer, weil sie zu wenig Geld haben, um Polizeibeamte zu bestechen. Das nigerianische Recht erlaubt die Anwendung tödlicher Gewalt für ein breiteres Spektrum an Fällen, als in den internationalen Regeln und Standards für den Menschenrechtsschutz festgelegt ist.

In Kamerun hatten Sicherheitskräfte 2008 bei der Niederschlagung von gewalttätigen Demonstrationen rund 100 Frauen und Männer getötet. Die Menschen waren auf die Straße gegangen, um gegen die gestiegenen Lebenshaltungskosten und gegen eine von der Regierung geplante Verfassungsänderung zu protestieren, die es dem kamerunischen Staatspräsidenten ermöglichen würde, länger im Amt zu bleiben. 2009 gab es jedoch keinerlei Anzeichen für eine Untersuchung der ungesetzlichen Tötungen durch die Regierung von Kamerun. Auch die Regierung Kenias tat nichts, um diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die 2007 und 2009 für Menschenrechtsverstöße im Zuge der gewalttätigen Ausschreitungen nach den Wahlen verantwortlich waren. Damals waren mehr als 1000 Menschen getötet worden. Der Chefankläger des ICC beantragte deshalb einen Beschluss des Gerichtshofs zur Aufnahme von Untersuchungen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Unruhen nach den Wahlen in Kenia.

Sicherheitskräfte töteten am 28. September in Guinea über 150 Menschen bei der Auflösung einer friedlichen Kundgebung in einem Stadion der Hauptstadt Conakry. Frauen, die an der Kundgebung teilnahmen, wurden in der Öffentlichkeit vergewaltigt.

Da die guineischen Behörden selbst keine ernsthafte Untersuchung des Verhaltens der Ordnungskräfte einleiteten, setzten die Vereinten Nationen eine internationale Untersuchungskommission ein. Diese gelangte zu dem Schluss, dass Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt worden waren, und empfahl die Anrufung des ICC.
Wenigstens in diesem Fall brachten die UN, die AU und die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) gemeinsam den politischen Willen auf, rasch zu handeln, um die Geschehnisse aufzuklären und die Verantwortlichen zu identifizieren. Leider war ein solches Vorgehen in Afrika eher die Ausnahme als die Regel.

Die Probleme wurden 2009 zusätzlich dadurch verschärft, dass die Sicherheitskräfte nach wie vor schlecht bezahlt, nicht ausreichend ausgebildet und schlecht ausgerüstet waren. In vielen Staaten wurden Sicherheitskräfte in erster Linie immer noch als Instrument der Unterdrückung und nicht für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung oder den Dienst an der Öffentlichkeit eingesetzt. Die Hoffnung auf mehr Rechenschaftspflicht rückte durch ihre gewalttätigen Übergriffe in weite Ferne.

Unterdrückung Andersdenkender

In vielen Staaten wurden die Rechte von Journalisten, Oppositionellen, Gewerkschaftern und Menschenrechtsverteidigern auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit verletzt. In ganz Afrika bestand die Reaktion des Staates häufig darin, diejenigen zu diskreditieren und anzugreifen, die Probleme aufzeigten. Das geschah u. a. durch Einschüchterung, willkürliche Festnahmen, "Verschwindenlassen" und manchmal auch durch Mord. In einigen Staaten ist die Justiz nicht unabhängig, und Richter werden eingeschüchtert. Das hat zur Folge, dass die Justiz ebenfalls zu einem Unterdrückungsinstrument wird.

Die Tätigkeit von Journalisten wurde vielfach behindert. Die Liste der Staaten, die 2009 die Grundfreiheiten und das Recht ihrer Bevölkerung auf Informationsfreiheit unterdrückten, ist lang: In Angola wurden Journalisten wegen "Missbrauchs der Medien" angeklagt und wegen Verleumdung zu Gefängnisstrafen verurteilt. In Kamerun wurde ein Journalist wegen der Veröffentlichung von "Falschmeldungen" zu drei Jahren Haft verurteilt. Andere Journalisten standen unter Anklage, weil sie Regierungsvertreter beleidigt haben sollen. Auch in der DR Kongo, in Eritrea, Gambia, Nigeria und Uganda wurden Journalisten wegen ihrer Arbeit festgenommen. Der Sudan und der Tschad wiesen mehrere ausländische Journalisten aus. Beide Staaten erließen Mediengesetze bzw. hielten an Gesetzen fest, welche die Arbeit von ausländischen Journalisten behinderten. Gleiches galt für Ruanda und Togo. Die Printmedien im Sudan unterlagen fast das ganze Jahr über einer strengen Zensur. In Madagaskar, Nigeria, Senegal und Uganda wurden verschiedene Medieneinrichtungen geschlossen. In Äthiopien, Côte d’Ivoire, Dschibuti, Guinea, Kenia, der Republik Kongo, Senegal, Swasiland und Tansania waren Journalisten Repressalien ausgesetzt und wurden eingeschüchtert. In Somalia wurden neun Journalisten ermordet; zahlreiche Journalisten flüchteten außer Landes, weil sie ebenso wie Menschenrechtsaktivisten von Angehörigen bewaffneter Gruppen bedroht wurden.

Der Einsatz für die Menschenrechte führte in Afrika zu Einschüchterungen und immer wieder auch zu Festnahmen, so z. B. in Burkina Faso, in der DR Kongo, in Mauretanien, Swasiland, Simbabwe und im Tschad. Andere Staaten wie z. B. Äthiopien erließen Gesetze, welche legitime zivilgesellschaftliche Aktivitäten einschränkten. Der Staatspräsident von Gambia soll gedroht haben, jeden umzubringen, der die Absicht habe, das Land zu destabilisieren, und richtete eine besondere Warnung an Menschenrechtsverteidiger. In der kenianischen Hauptstadt Nairobi wurden zwei prominente Menschenrechtsverteidiger am helllichten Tage von unbekannten Tätern erschossen. In Burundi wurde ein Menschenrechtsverteidiger, der zu Korruption u. a. in den Reihen der Polizei arbeitete, in seiner Wohnung erstochen.

In zahlreichen Staaten, darunter Äquatorialguinea, Äthiopien, Guinea, Guinea-Bissau, Kamerun, der Republik Kongo, Madagaskar, Niger, Simbabwe und dem Tschad, wurden tatsächliche oder vermeintliche Angehörige der Opposition willkürlich festgenommen. Inhaftierte wurden regelmäßig gefoltert oder auf andere Art misshandelt. Einige Oppositionelle sind nach wie vor Opfer des "Verschwindenlassens", so auch im Tschad und in Gambia. In Guinea-Bissau ermordeten Angehörige der Streitkräfte zahlreiche hochrangige Politiker und Militärs.
In einigen Ländern wie in der Republik Kongo, in Guinea, Madagaskar, Mauretanien und Uganda wurden Proteste gewaltsam niedergeschlagen.

Flüchtlinge und Migranten

Die anhaltenden bewaffneten Konflikte und die unsichere Lage in Afrika hatten zur Folge, dass 2009 Tausende von Vertriebenen nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten. Häufig lebten sie unter erbärmlichen Bedingungen in Lagern, in denen es kaum Wasser und Lebensmittel gab, unzureichende hygienische Zustände herrschten und es an medizinischer Betreuung sowie Schulen fehlte.

Aus Kenia, Tansania und Uganda wurden Flüchtlinge und Asylsuchende in ihre Herkunftsländer abgeschoben, obwohl ihnen dort Verfolgung und andere Gefahren drohten. In Südafrika ging die Polizei nur unentschlossen gegen ausländerfeindliche Angriffe vor, die sich gegen Migranten und Flüchtlinge sowie deren Habseligkeiten richteten.

In Mauretanien wurden Migranten auch 2009 vor ihrer Abschiebung willkürlich festgenommen und inhaftiert. Diese Maßnahmen waren offenbar ein Resultat des Drucks, den die EU auf Mauretanien ausübte, um die Migration nach Europa zu kontrollieren. Angola wies schätzungsweise 160000 Staatsbürger der DR Kongo in Massenabschiebungen aus, die von zahllosen Übergriffen begleitet waren. Unter anderem gingen Berichte ein, nach denen die angolanischen Sicherheitskräfte für zahllose Misshandlungen, darunter auch sexuelle Gewalt, verantwortlich waren. Bei den Abschiebungen kamen Menschen ums Leben. Als Vergeltung schob die DR Kongo ihrerseits Tausende Angolaner ab, darunter auch anerkannte Flüchtlinge.

Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass die Afrikanische Union 2009 das Übereinkommen über Schutz und Hilfe für Binnenvertriebene in Afrika verabschiedete und damit die besondere Schutzbedürftigkeit und die Bedürfnisse Vertriebener anerkannt hat.

Recht auf Wohnen – Zwangsräumungen

Die schnelle Verstädterung auf dem afrikanischen Kontinent ist ebenfalls eine Ursache für Vertreibungen. Jedes Jahr siedeln sich Tausende Menschen in informellen Siedlungen an, in denen äußerst prekäre Lebensbedingungen herrschen und in denen es an grundlegenden Einrichtungen wie Wasserversorgung, Kanalisation und Abfallbeseitigung, medizinischer Versorgung und Bildungsangeboten mangelt.
Die Menschen haben keinen Zugang zu angemessenem Wohnraum, ihre Wohnverhältnisse sind rechtlich nicht abgesichert, und ihnen drohen Zwangsräumungen. Häufig verlieren sie bei rechtswidrigen Zwangsräumungen ihre Existenzgrundlage und ihren spärlichen Besitz, wodurch sie in noch tiefere Armut gestoßen werden. Die Betroffenen von Zwangsräumungen werden fast nie im Vorfeld konsultiert oder vorab über die Räumungen informiert, sie bekommen auch keine Entschädigung oder angemessene Ersatzunterkünfte. 2009 nahm die Zahl der Zwangsräumungen zu. In Angola, Äquatorialguinea, Ghana, Kenia, Nigeria und im Tschad fanden Massenräumungen statt.

Rohstoffabbau und unternehmerische Verantwortung

Das Fehlen von unternehmerischer Verantwortung führte zu einer Reihe von Menschenrechtsverstößen. Der Abbau von Rohstoffen, vor allem der Bergbau, war nach wie vor die treibende Kraft für den Konflikt im Osten der DR Kongo. Sowohl bewaffnete Gruppen als auch die kongolesische Armee beteiligten sich gemeinsam mit der Privatwirtschaft an der Ausbeutung von Rohstoffvorkommen. In einigen Bergwerken arbeiteten auch Kinder.

Die Lage im nigerianischen Nigerdelta verschlechterte sich durch Menschenrechtsverletzungen, welche Sicherheitskräfte während ihrer militärischen Operationen gegen bewaffnete Gruppen verübten. Bewaffnete Gruppen entführten zahlreiche Arbeiter von Erdölgesellschaften samt ihren Angehörigen und griffen Erdölanlagen an. Die Umweltverschmutzung durch die Erdölindustrie hatte negative Auswirkungen auf den Lebensstandard der Bewohner des Nigerdeltas und entzog ihnen zunehmend die Lebensgrundlage. Gesetze und Vorschriften zum Schutz der Umwelt wurden nach wie vor kaum beachtet. Menschenrechtsverstöße blieben nach wie vor ohne strafrechtliche Konsequenzen, was eine Zunahme der Armut und eine Ausweitung des Konflikts zur Folge hatte.

In Côte d’Ivoire waren 2006 fast 30000 Menschen Opfer der illegalen Entsorgung toxischer Abfälle geworden. Die Betroffenen hatten das multinationale Unternehmen Trafigura vor dem High Court in Großbritannien auf Schadenersatz verklagt und eine außergerichtliche Einigung mit der Firma erreicht. Aufgrund der Korruption drohten sie bei der Auszahlung der Gelder leer auszugehen.

Diskriminierung

In einigen Staaten hielt die Diskriminierung aufgrund vermeintlicher oder tatsächlicher sexueller Orientierung an. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen sowie Menschenrechtsverteidiger, die sich für diese Personen einsetzten, wurden schikaniert und eingeschüchtert. Einigen drohten willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen sowie Misshandlungen. In vielen Staaten berieten oder verabschiedeten die Parlamente neue Gesetze, welche Homosexualität verstärkt kriminalisieren.
In Burundi trat z. B. im April ein neues Strafgesetz in Kraft, das einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Strafe stellt. In Uganda wurde ein gegen Homosexualität gerichteter Gesetzentwurf in die parlamentarischen Beratungen eingebracht. Der Entwurf baut auf bereits bestehende diskriminierende Gesetze auf und sieht die Einführung neuer Straftatbestände wie die "Förderung der Homosexualität" vor. Nach dem Gesetzentwurf sollen einige Verstöße mit der Todesstrafe oder lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet werden. In Nigeria dauerten die Beratungen über einen Gesetzentwurf an, der Hochzeitszeremonien gleichgeschlechtlicher Partner unter Strafe stellt. Der Entwurf sieht Strafen auch für Personen vor, die an den Zeremonien als Zeugen teilnehmen oder die eine Eheschließung vornehmen.

In Kamerun und Senegal wurden Männer Opfer von Schikanen, willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen sowie Folterungen und unfairen Gerichtsverfahren, weil sie verdächtigt wurden, gleichgeschlechtliche Beziehungen zu unterhalten. In Malawi wurden Ende Dezember Menschen nach "einer traditionellen Verlobungszeremonie" festgenommen und wegen "widernatürlicher Praktiken zwischen Männern und der Erregung öffentlichen Ärgernisses in einem besonders schweren Fall" angeklagt. Berichten zufolge sollen sie in der Haft misshandelt worden sein.

Ein positives Signal war angesichts dieser Vorfälle die öffentliche Erklärung des Justizministers von Ruanda, dass Homosexualität in Ruanda nicht unter Strafe gestellt werde, weil die sexuelle Orientierung eine private Angelegenheit sei.
Auf dem gesamten Kontinent wurden Menschen auch wegen ihres Geschlechts, wegen der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, wegen ihrer Religion oder wegen ihrer Identität diskriminiert. In vielen Gesellschaften waren Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen in unterschiedlichen Ausprägungen an der Tagesordnung. Frauen und Mädchen wurden nach wie vor vergewaltigt. Dies geschah vor allem dort, wo es kriegerische Auseinandersetzungen gab, z. B. im Tschad, in der DR Kongo und im Sudan. In einigen Staaten wurde auch ein hohes Maß an familiärer Gewalt registriert. Es gab allerdings kein entsprechendes Melde- bzw. Ermittlungssystem hierfür. Beim Zugang zur Justiz sahen sich die meisten Frauen und Mädchen mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert. In Ländern wie Burkina Faso und Sierra Leone waren Diskriminierung und der niedrige gesellschaftliche Status von Frauen dafür verantwortlich, dass sie Leistungen der Gesundheitsfürsorge nur eingeschränkt in Anspruch nehmen konnten. Dies war einer der Gründe für die hohe Müttersterblichkeit in diesen Ländern. Nach wie vor gab es gesundheitsgefährdende traditionelle Praktiken. Dazu gehörten auch Genitalverstümmelung und Verheiratungen Minderjähriger.

Im Sudan wurden Frauen festgenommen und ausgepeitscht, weil sie Hosen trugen. Dies wurde als "unanständig und unmoralisch" bewertet. In Somalia wurden Frauenrechtsorganisationen von den al-Shabab-Milizen ("Jugendmilizen") verboten.

Frauen durften im Norden von Sierra Leone nicht bei den Wahlen zu den Ämtern traditioneller Autoritäten kandidieren. In Mali löste der Versuch, die Gleichstellung der Frau gesetzlich festzuschreiben, Proteste aus, und in Nigeria gibt es nach wie vor keine Gesetze für die Übernahme der Bestimmungen der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW in das nigerianische Recht, obwohl Nigeria die Konvention schon vor fast 25 Jahren ratifiziert hat.

In Bezug auf Mauretanien wiesen mehrere UN-Sonderberichterstatter darauf hin, dass dort schwarze Mauretanier nach wie vor diskriminiert werden. In Eritrea blieben verschiedene Religionsgemeinschaften verboten; Menschen wurden aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit verfolgt. Auch 2009 wurden in Burundi und Tansania Menschen mit Albinismus aus kulturellen und religiösen Überzeugungen ermordet und verstümmelt. In Tansania wurden einige Personen, die der Beteiligung an den Tötungen verdächtigt wurden, wegen Mordes schuldig befunden.

Fazit

Das fehlende Bewusstsein für Rechenschaftspflicht zeigte sich in Afrika in der mangelnden Bereitschaft vieler Staaten, mit dem ICC bei der Verhaftung von Staatspräsident al-Bashir zusammenzuarbeiten oder gegen Personen zu ermitteln und Anklage zu erheben, die für Verbrechen im Sinne des Völkerrechts verantwortlich sind. Die fehlende Rechenschaftspflicht für Menschenrechtsverstöße – auf Seiten von lokalen und zentralen Behörden, Strafverfolgungsorganen, bewaffneten Gruppen und Unternehmen – war auf dem gesamten Kontinent nach wie vor ein systembedingtes Problem. Solange nichts gegen dieses Problem getan wird, kann es keine nachhaltige Verbesserung bei der Verwirklichung der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerten Menschenrechte geben.

Statt mit gutem Beispiel voranzugehen, hat sich die AU in bestimmten Fällen sogar als Teil des Problems erwiesen. Der Ruf der Zivilgesellschaft nach Rechenschaftspflicht ist zwar im Lauf der Jahre in Afrika stärker geworden, es bedarf aber einer grundsätzlicheren Bereitschaft der politischen Führer, damit es zu entscheidenden Verbesserungen kommt.

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