Amnesty Journal Österreich 02. Februar 2017

Buntes Engagement

Buntes Engagement

Alexandra Föderl-Schmid

Kolumne

Von Alexandra Föderl-Schmid

Anders als in Großbritannien und in den USA war die Überraschung in Österreich positiv: Nach dem Brexit-Votum und dem Sieg Donald Trumps hatten viele damit gerechnet, dass mit Norbert Hofer erstmals ein Rechtspopulist Staatsoberhaupt in einem westeuropäischen Land werden würde. Zumal seine Partei, die FPÖ, bis heute in Umfragen auf Platz eins liegt – weit vor den Regierungsparteien SPÖ und ÖVP. In Erwartung eines Triumphs waren Vertreter rechter Parteien deshalb am 4. Dezember zum Feiern nach Wien gereist. Doch es kam anders: Dass der Grüne Alexander Van der Bellen am Ende einen Vorsprung von 350.000 Stimmen hatte, hat er einer breiten politischen Allianz – und der Zivilgesellschaft – zu verdanken.

 

Grüne, Linke, Liberale, Sozialdemokraten und ÖVPler taten sich zusammen. Vor allem Frauen und frühere Nichtwähler konnte Van der Bellen mobilisieren, sodass er am Ende auf 53 Prozent der Stimmen kam. Es war ein buntes Engagement, das weit über die Stammwählerschaft der Grünen hinausging. Diese waren bei der Nationalratswahl 2013 lediglich auf zwölf Prozent der Stimmen gekommen. Selbst Bürgermeister der konservativen ÖVP mobilisierten dort, wo Van der Bellen in den ersten Wahlgängen hinter Hofer lag: in den Landgemeinden.

Auch wenn viele nur für Van der Bellen stimmten, weil sie ihn für das "kleinere Übel" hielten, verband seine Anhänger ein Motiv: gegen Rechts zu sein. Bei manchen war es auch schlicht Angst vor Hofers Worten. "Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist!", hatte der Rechtspopulist vor dem ersten Wahlgang im vergangenen Frühjahr gesagt. Ohnehin verfügt das österreichische Staatsoberhaupt über mehr Kompetenzen als sein deutscher Amtskollege und spielt eine wichtige Rolle bei der Regierungsbildung.

Auch die negative Berichterstattung im Ausland, in der Österreich vor allem in den angelsächsischen Medien als Nazi-Land beschrieben worden war, dürfte viele erschreckt und zu einem Bewusstseinswandel beigetragen haben. Viele wollten der FPÖ nicht den Weg zu einer erneuten Regierungsbeteiligung bereiten: Zwischen 2000 und 2005 hatte die Partei bereits mit der ÖVP koaliert. Mit Korruptions- und Amtsmissbrauchsvorwürfen aus dieser Zeit beschäftigen sich Gerichte bis heute.

Sollte es 2017 zu vorgezogenen Parlamentswahlen kommen, könnte die FPÖ allerdings den Spitzenplatz erobern. Der Erfolg von Van der Bellens Anti-Rechtsallianz darf deshalb nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Konstellation ein Sonderfall war. Zugleich zeigte sie, dass Einzelne zu einem mobilisierenden Faktor werden und in der Politik etwas erreichen können, wenn sie sich zusammenschließen.

Das sind Lehren, die man in Ungarn ziehen kann, wo es erstaunlich wenig Widerstand gegen den von Ministerpräsident Viktor Orbán forcierten Umbau des Rechtsstaats und die Einschränkung der Pressefreiheit gibt. In Polen hingegen haben Bürgerproteste die Regierung zur Rücknahme konkreter Maßnahmen gezwungen.

In Österreich zeigte sich auch, dass Bürgerengagement den Wahlkampf vielfältiger macht. Politiker der Regierungsparteien haben wieder Mut geschöpft, gegen die FPÖ anzukämpfen und sich argumentativ von ihr abzugrenzen – statt deren Forderungen zu übernehmen.

2017 ist ein Schicksalsjahr für Europa, in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland stehen Wahlen an. In Österreich wurde der Beweis erbracht, dass Rechtspopulisten nicht unbesiegbar sind.

Alexandra Föderl-Schmid ist Chefredakteurin der österreichischen Tageszeitung "Der Standard".

Dieser Artikel ist in der Ausgabe Februar 2017 des Amnesty Journals erschienen.

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