Amnesty Journal Kuba 28. Januar 2021

Aufmüpfige Kulturschaffende in Haft

Eine junge Frau mit langen Haaren, mit blauem Mantel und weißem Schal steht in einer großen Halle.

Kubas Regierung geht repressiv gegen kritische Künstler_innen vor. Staatliche Medien hetzen gegen unabhängige Initiativen.

Von Nicolás Ardila

Tania Bruguera will sich nicht länger als "Söldnerin im Dienste der USA" oder als "Unterstützerin der Konterrevolution" im kubanischen Fernsehen bezeichnen lassen. Am 14. Januar verfasste die international bekannte Künstlerin eine Beschwerde wegen Diffamierung und brachte sie am nächsten Tag persönlich bei der staatlichen Rundfunkbehörde vorbei. "Wir können nicht länger akzeptieren, dass Lügen über Aktivist_innen und Künstler_innen verbreitet werden, nur weil sie anderer Meinung sind", erklärte Bruguera. Am 27. Januar wurde sie festgenommen.

Unbequeme hörbare Stimme

Mit mehr als 17.000 Follower_innen auf Facebook, ihren Kontakten zur internationalen Presse und dem von ihr gegründeten "Institut für Kunstaktivismus Hannah Arendt" ist Bruguera eine unbequeme und deutlich hörbare Stimme im Kulturbetrieb der Insel. "Genau deshalb wird sie angegriffen. Die Angst, dass Tania sich politisch engagieren könnte, ist groß", meint Michel Matos. Der Dokumentarfilmer gehört zur Initiative Movimiento San Isidro (MSI), die sich gegen das Gesetz Nr. 349 engagiert, das 2018 eingeführt wurde. "Mit diesem Gesetz wird versucht, Kunst in einen offiziellen Rahmen zu pressen und alles andere zu kriminalisieren und zu verbieten – bis hin zu einer Lesung oder Kinovorführung in meiner eigenen Wohnung", kritisiert der 40-Jährige.

Rapper in Haft

Der Protest der Kulturschaffenden zeigte zunächst Wirkung. Die Behörden kündigten im Dezember 2018 an, die Bestimmungen des Gesetzes anzupassen, doch folgten darauf keine Taten. So kann auf Grundlage des Gesetzes nach wie vor jede freie, unangepasste Kunst auf der Insel unterdrückt werden. Ein Beispiel ist der Fall des kritischen Rappers Denís Solís. Anfang November 2020 wurde er wegen Beamtenbeleidigung zu acht Monaten Haft verurteilt. Die MSI-Aktivist_innen sprechen von einem politisch motivierten Prozess. Dafür spreche die Tatsache, dass Solís keinen Anwalt erhielt und noch nicht einmal seine Familie informieren konnte, sagt die Schauspielerin und Theaterdramaturgin Lynn Cruz. Der Fall Solís zog breiten Protest nach sich. Mehrere MSI-Aktivist_innen traten in einen Hungerstreik, am 27. November kam es erst zur gewaltsamen Räumung der MSI-Räume und dann zu einer Demonstration vor dem Kulturministerium.

Mehr als 500 Künstler_innen protestierten gegen die Repression – so etwas hat es in Kuba noch nie gegeben.

Lynn
Cruz
Schauspielerin und Theaterdramaturgin

Noch am gleichen Abend fand ein Treffen von rund 30 Künstler_innen mit Vizekulturminister Fernando Rojas statt. Es hätte der Beginn eines Dialogs über die Kulturpolitik auf der Insel werden können, doch schon wenige Tage später startete in den staatlichen Medien eine Kampagne gegen die Teilnehmer_innen des Treffens, darunter Vertreter_innen des MSI und Tania Bruguera, berichtet Michel Matos. Der Internetzugang des Dokumentarfilmers wurde mehrfach gekappt, und Polizisten hinderten ihn knapp vier Wochen daran, seine Wohnung zu verlassen.

Inzwischen hat sich nicht nur der revolutionsnahe Liedermacher Silvio Rodríguez für einen Dialog ausgesprochen. Auch die katholische Kirche und sogar eine staatliche Kulturorganisation aus einer der Provinzen mahnten Gespräche an. Daher hofft MSI-Aktivist Michel Matos, dass die politisch Verantwortlichen in Havanna den Dialog mit den aufmüpfigen Kulturschaffenden wieder aufnehmen. Dagegen spricht jedoch, dass die offiziellen Medien an ihrer Kampagne gegen Bruguera und den MSI festhalten.

Nicolás Ardila ist freier Journalist. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International oder der Redaktion wieder.

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