Hinrichtung ausgesetzt

Amnesty-Mitglieder fordern die Abschaffung der Todesstrafe in Texas

Amnesty-Mitglieder fordern die Abschaffung der Todesstrafe in Texas

Ein US-Bundesgericht hat Scott Panetti einen Hinrichtungsaufschub gewährt. Dies geschah nur wenige Stunden vor der geplanten Hinrichtung am 3. Dezember.

Sachlage

Scott Panetti befindet sich wegen des Mordes an zwei Personen seit 1995 im US-Bundesstaat Texas im Todestrakt. Er leidet seit langem an einer schweren psychischen Erkrankung, die bei der ihm zur Last gelegten Tat auch eine Rolle spielte. In seinem Gerichtsverfahren im September 1995 wurde zugelassen, dass Scott Panetti sich selbst verteidigt. Er erschien in einem Cowboy-Outfit vor Gericht und hielt eine weitschweifende Verteidigungsrede. Zahlreiche Personen, die der Verhandlung beigewohnt hatten, bezeichneten das Verfahren als "Farce", "Witz" und "sinnloses Spektakel". Trotz seiner psychischen Erkrankung hält der Bundesstaat seit zwanzig Jahren an dem Todesurteil gegen Scott Panetti fest.

Nur acht Stunden vor der geplanten Exekution von Scott Panetti am 3. Dezember entschied ein US Berufungsgericht (US Court of Appeals for the Fifth Circuit), die Hinrichtung auszusetzen. Damit soll dem Gericht die Zeit eingeräumt werden, sich "umfassend mit den kurzfristig vorgebrachten komplexen rechtlichen Fragen" auseinanderzusetzen. In diesem Rahmen muss geprüft werden, ob Scott Panetti seine Bestrafung und die Gründe für das Strafmaß überhaupt begreift, was eine Voraussetzung für die Hinrichtung ist.

Die Rechtsbeistände von Scott Panetti gaben dem Berufungsgericht zu bedenken, dass "die Gerichte 2008 auf der Grundlage von Gutachten aus dem Jahr 2007 entschieden haben, dass keine rechtlichen Gründe gegen die Hinrichtung von Herrn Panetti vorliegen. Darum geht es heute nicht. Dass man ihn damals hätte hinrichten dürfen heißt nicht, dass es auch heute rechtlich unbedenklich ist, ihn hinzurichten." Sie baten um die Möglichkeit, für Scott Panetti einen Psychiater und einen Prüfer zu bestellen. Zudem beantragten sie eine Beweisverhandlung, in der festgestellt werden soll, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Hinrichtung von Scott Panetti gegeben sind. Darüber hinaus wiesen die Rechtsbeistände erneut darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft sie nicht umgehend über das Hinrichtungsdatum informiert habe und sie von dem Termin erst zwei Wochen später aus den Medien erfahren haben. Somit hatten sie weniger Zeit, die Rechtslage zu prüfen und sich für einen Hinrichtungsstopp einzusetzen.

Als die Hinrichtung nahte, sprachen sich sehr viele Personen für eine Begnadigung von Scott Panetti aus, u. a. ehemalige Staatsanwält_innen und Richter_innen, Psychiater_innen, Glaubensvertreter_innen, Vertreter_innen der Europäischen Union sowie zwei UN-Menschenrechtsexpert_innen. Der UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen nannte es einen Verstoß gegen die strengen Bestimmungen zur Todesstrafe, Personen mit psychosozialen Erkrankungen zum Tode zu verurteilen. Weiter sagte er, dass die Vollstreckung des Todesurteils unter diesen Umständen einer willkürlichen Hinrichtung gleichkommen könnte. Der UN-Sonderberichterstatter über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe wies darauf hin, dass die Verhängung und Vollstreckung eines Todesurteils gegen eine Person mit geistiger Behinderung als Verstoß gegen das im Völkerrecht festgeschriebene Verbot von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe zu werten wäre.

Mark White, von 1983 bis 1987 Gouverneur von Texas, sprach sich ebenfalls gegen die Hinrichtung von Scott Panetti aus. In seiner Amtszeit wurden 19 Personen hingerichtet. Doch auch er setzt sich für eine Begnadigung ein und sagt, der Fall sei weder schwierig noch ein Grenzfall: "[Scott Panetti] leidet unter einer schweren psychischen Erkrankung. Sein Verfahren war eine Farce. Wenn wir ihn hinrichten, sagt das deutlich mehr über uns selbst aus als über den Mann, den wir zu töten versuchen."

Eine Petition, die von Scott Panettis Schwester initiiert worden war und die den texanischen Gouverneur Rick Perry auffordert, die Hinrichtung zu stoppen, wurde innerhalb eines Monats von über 97.000 Personen in Texas, den USA und weltweit unterzeichnet.

Am 1. Dezember sprach sich der texanische Begnadigungsausschuss einstimmig gegen die Begnadigung von Scott Panetti aus. Seine Rechtsbeistände beantragten daraufhin bei Gouverneur Rick Perry einen Hinrichtungsaufschub von 30 Tagen. Als das Berufungsgericht am 3. Dezember die Aussetzung der Hinrichtung anordnete, hatte der Gouverneur noch keine Entscheidung verkündet.

Amnesty International wendet sich in allen Fällen ausnahmslos gegen die Todesstrafe, ungeachtet der Schwere und der Umstände einer Tat, der Schuld, Unschuld oder besonderen Eigenschaften des Verurteilten, oder der vom Staat gewählten Hinrichtungsmethode, da sie das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschriebene Recht auf Leben verletzt und die grausamste, unmenschlichste und erniedrigendste aller Strafen darstellt.

Weitere Aktionen des Eilaktionsnetzes sind derzeit nicht erforderlich. Amnesty International wird den Fall weiter beobachten. Vielen Dank allen, die sich für Scott Panetti eingesetzt haben.

[HINTERGRUNDINFORMATIONEN (AUF ENGLISCH)]

On 4 February 2004, Scott Panetti was about 24 hours from execution when a federal judge issued a stay (as has now again occurred, the Texas Board of Pardons and Paroles (BPP) had already denied clemency). The case was eventually taken by the US Supreme Court, which noted that there is "much in the record to support the conclusion that [Panetti] suffers from severe delusions". In 2008, the federal judge to whom it remanded the case found that "Panetti is seriously mentally ill. He has suffered from severe mental illness… since well before he murdered Joe and Amanda Alvarado. He was under the influence of this severe mental illness when he killed the Alvarados’ as well as when he insisted on representing himself at trial… Panetti’s deranged mental state may 'wax and wane’, but it has continued to a significant degree throughout his incarceration and continues to this day… [I]t is not seriously disputable that Panetti suffers from paranoid delusions of some type, and these delusions may well have contributed to his murder of Joe and Amanda Alvarado… Panetti was mentally ill when he committed his crime and continues to be mentally ill today". Nevertheless, the judge ruled that Scott Panetti was competent for execution in that he has "both a factual and rational understanding of his crime, his impending death, and the causal retributive connection between the two".

In a five to four ruling on 25 November 2014, the Texas Court of Criminal Appeals (TCCA) refused to issue a stay of execution, deciding it lacked jurisdiction over the appeal. Four of the nine judges dissented, arguing that what was "at stake in this case" meant that the court should review the appeal. Its failure to do so, they wrote, could result in "the irreversible and constitutionally impermissible execution of a mentally incompetent person".

In a second ruling on 26 November, this time six to three, the TCCA refused to review the claim that imposing the death penalty on someone with severe mental illness "offends contemporary standards of decency" and therefore violated the Constitution. In a strong dissent, one of the judges said that he would grant the claim, adding that it was "inconceivable" to him "how the execution of a severely mentally ill person such as [Panetti] would measurably advance the retribution and deterrence purposes purportedly served by the death penalty." Judge Tom Price also revealed that after 40 years as a Texas judge, including 18 on the TCCA, he had now come to the belief that the death penalty should be abolished. He suggested that "evolving societal values indicate that the death penalty should be abolished in its entirety". The two other dissenting judges said they would have blocked the execution so that the issue could be further considered.