Flüchtlinge schützen!

Der spanische Kongress hat das neue Gesetz für öffentliche Sicherheit verabschiedet, das eine Veränderung des Einwanderungsgesetzes vorsieht. Nun kann nur noch der Senat verhindern, dass das in Kraft tritt. Die Gesetzesänderungen würden die automatische und kollektive Ausweisung von Migrant_innen, Flüchtlingen und Asylsuchenden an den Grenzen der beiden spanischen Enklaven in Nordafrika, Ceuta und Melilla, erleichtern und die Betroffenen somit der Gefahr aussetzen, Opfer schwerer Menschenrechtsverletzungen zu werden.

Appell an

SPRECHER DER SPANISCHEN VOLKSPARTEI
José Manuel Barreiro
Plaza de la Marina Española s/n,28071 Madrid, SPANIEN
(Anrede: Estimado Sr. Barreiro / Dear Mr. Barreiro / Sehr geehrter Herr Barreiro)
Fax: (00 34) 91 538 15 87
E-Mail: jmanuel.barreiro@senado.es oder portavoz.gpp@gpp.congreso.es

KOPEN AN
INNENMINISTER
Jorge Fernández Díaz
Paseo de la Castellana 5, 28071 Madrid, SPANIEN
(Anrede: Sr. Ministro / Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 34) 91 537 14 83
E-Mail: secmin@interior.es

BERICHTERSTATTER ÜBER DAS
GESETZ FÜR ÖFFENTLICHE SICHERHEIT
Luis Aznar
Plaza de la Marina Española s/n
28071 Madrid
SPANIEN
Fax: (00 34) 91 538 16 67
E-Mail: luis.aznar@senado.es

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SPANIEN
S. E. Herrn Juan Pablo Garcia-Berdoy Cerezo
Lichtensteinallee 1
10787 Berlin
Fax: 030-2579 9557
E-Mail: emb.berlin.inf@maec.es

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 15. Februar 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lehnen Sie die erste der Schlussbestimmungen des Entwurfs über das Gesetz für öffentliche Sicherheit, Antrag 121/000105 (Disposición Final Primera de Proyecto de Ley de Seguridad Ciudadana) ab, welche die Zurückweisung an den spanischen Grenzen in Ceuta und Melilla ermöglicht, da sie die Rechte von Migrant_innen, Asylsuchenden und Flüchtlingen verletzen würde. Sie wäre zudem ein Verstoß gegen die Pflichten Spaniens nach europäischen und internationalen Menschenrechtsstandards.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Calling on Popular Party representatives in the Senate’s Home Affairs Commission to repeal the first of the final provisions of the draft law on Public Security, Initiative 121/000105 (Disposición Final Primera de Proyecto de Ley de Seguridad Ciudadana), which allows rejections at Spain’s borders in Ceuta and Melilla, as this provision would lead to violations of the rights of migrants, asylum-seekers and refugees and constitute a breach of Spain’s obligations under European and international human rights law.

Sachlage

Trotz fast einstimmigen Widerspruchs der anderen Parteien und starker öffentlicher Kritik ist es der amtierenden Volkspartei (Partido Popular), welche die absolute Mehrheit im spanischen Kongress innehat, am 11. Dezember gelungen, den Änderungsvorschlag zum Entwurf über das Gesetz für öffentliche Sicherheit (Ley Orgánica para la Protección de la Seguridad Ciudadana) zu verabschieden. Das Gesetz sieht eine Änderung von Gesetz 4/2000 über die Rechte und Freiheiten sowie die gesellschaftliche Eingliederung ausländischer Staatsangehöriger im spanischen Hoheitsgebiet vor: Migrant_innen, Flüchtlinge und Asylsuchende könnten dann an den Grenzen der zwei spanischen Enklaven in Nordafrika, Ceuta und Melilla, automatisch zurückgewiesen werden. Somit würde den Betroffenen der Zugang zu wichtigen Verfahrensgarantien verwehrt werden und sie wären schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

In der aktuellen Version des Änderungsvorschlags heißt es: "Ausländische Staatsangehörige, die an der Grenzlinie von Ceuta und Melilla bei dem Versuch entdeckt werden, in einer Gruppe die Grenzkontrollelemente zu überwinden, um die Grenze illegal zu überqueren, sind zurückzuweisen, um eine illegale Einreise nach Spanien zu verhindern." Der Änderungsvorschlag enthält dabei keine Spezifizierung dazu, auf welche Art diese "Grenzzurückweisung" erfolgen soll. Darüber hinaus sind offenbar keine menschenrechtlichen Schutzmechanismen vorgesehen. Dies würde Asylsuchenden den Zugang zu einem Asylverfahren in Spanien verwehren und könnte zu Verstößen gegen den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (non-refoulement) führen, da Migrant_innen, Flüchtlinge und Asylsuchende möglicherweise schweren Menschenrechtsverletzungen in Marokko ausgesetzt wären. Sollte der Gesetzesentwurf einschließlich der Änderungen des Einwanderungsgesetzes angenommen werden, wäre dies zudem ein Verstoß gegen das Verbot von Kollektivausweisungen und für Opfer von Menschenrechtsverletzungen eine Verletzung ihrer Rechte auf einen wirksamen Rechtsbehelf und Entschädigung.
Damit das neue Gesetz Anwendung finden kann, muss es noch vom spanischen Senat verabschiedet werden. Der Senat soll im Februar 2015 über den Gesetzesentwurf entscheiden. Vor der endgültigen Abstimmung wird der Entwurf vor dem Ausschuss für innere Angelegenheiten des Senats diskutiert, der die Möglichkeit hat, Änderungen vorzunehmen.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Amnesty International und andere Menschenrechtsorganisationen dokumentieren seit einiger Zeit exzessive Gewaltanwendung sowie Kollektivausweisungen an den Grenzen der spanischen Exklaven in Nordafrika, Ceuta und Melilla. Dort werden Migrant_innen und Flüchtlinge von der spanischen Militärpolizei (Guardia Civil) nach Marokko zurückgedrängt.

Am 6. Februar 2014 ertranken mindestens 15 Migrant_innen bei dem Versuch, von der marokkanischen Küste aus nach Ceuta zu schwimmen, nachdem Angehörige der Militärpolizei mit Gummigeschossen und Tränengas in ihre Richtung zielten, um ihre Ankunft in Spanien zu verhindern. Die gerichtliche Untersuchung dieser Todesfälle ist noch nicht abgeschlossen. Am selben Tag wurden 23 Menschen, die ebenfalls nach Ceuta geschwommen waren und überlebt hatten, unverzüglich zurück nach Marokko geschickt, anscheinend ohne förmliches Verfahren.

Der spanische Innenminister gab an, die Ausweisung der 23 Menschen sei legal gewesen, da diese die spanische Grenze noch nicht erreicht hätten. Die spanische Grenze definierte er als die 'menschliche Grenze' aus Angehörigen der Militärpolizei. Aussagen dieser Art legen den Verdacht nahe, dass die spanischen Behörden bereit sind, ihre Staatsgrenzen von Fall zu Fall neu zu definieren, um sich ihren internationalen Pflichten zu entziehen. So erklärte die spanische Regierung mehrmals, das Grenzgebiet zwischen Melilla und Marokko sei kein spanisches Hoheitsgebiet, und rechtfertigte so die regelmäßigen Kollektivausweisungen nach Marokko. Ein spanisches Gericht hat jedoch entschieden, dass das Grenzgebiet spanisches Territorium sei. Davon abgesehen ist Spanien für jede Push-Back-Operation verantwortlich, die von Angehörigen der spanischen Militärpolizei durchgeführt wird, unabhängig davon, auf welchem Staatsgebiet diese vollzogen wird. Aussagen, die die Verantwortung Spaniens über sein Hoheitsgebiet einzuschränken versuchen, geben Anlass zur Sorge, die Regierung könnte die im Änderungsvorschlag vorgesehenen "Grenzzurückweisungen" von Flüchtlingen und Migrant_innen nicht nur an der spanischen Grenze, sondern auch auf spanischem Territorium vornehmen.

Ausweisungen, die es Flüchtlingen nicht erlauben, Rechtsmittel einzulegen und ihre individuelle Situation darzulegen, sind unter dem Völkerrecht verboten und können zu Verstößen gegen das Recht auf Asyl sowie den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung führen. Darüber hinaus würde eine Implementierung des Änderungsvorschlags gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Dazu zählen die Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006, aus dem der Gemeinschaftskodex für das Überschreiten von Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) hervorgeht; die Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung); die Europäische Menschenrechtskonvention und das Protokoll Nr. 4; der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die Charta der Grundrechte der EU.

Der Änderungsvorschlag wäre eine weitere Ausnahmeregelung im spanischen Einwanderungsgesetz, das Kollektivausweisungen verbietet und Migrant_innen ohne regulären Aufenthaltsstatus im Fall eines Ausweisungsverfahrens einen Rechtsbeistand und einen Dolmetscher gewährt. Das Gesetz 12/2009 garantiert all jenen, die sich auf spanischem Boden befinden, das Recht, internationalen Schutz zu beantragen. Diesen rechtlichen Schutz würde man Migrant_innen und Asylsuchenden an den Grenzen von Ceuta und Melilla durch die im Änderungsvorschlag vorgesehenen Zurückweisungen an der Grenze entziehen.